Sexual Magie auf über 200 Seiten. Ronald Trump
des Magiers oder der Magierin. Allerdings ist damit nicht unbedingt
der reine Genitalorgasmus (der so genannte "Gipfelorgasmus") gemeint, wie wir
ihn gemeinhin kennen. Auch der "Tal - " oder "Ganzkörperorgasmus", der beim Mann in der Regel ohne Ejakulation verläuft, ist dafür voll brauchbar, ja er ist
dem Gipfelorgasmus gelegentlich sogar vorzuziehen. Auch hierauf soll in entsprechendem Zusammenhang noch näher eingegangen werden. Schließlich
sei noch eine weitere Anforderung erwähnt, die für alle Magie gilt: Der Magier
muss über eine stabile seelische ("psychische") Verfassung verfügen. Dieser
Punkt ist vielleicht der heikelste von allen, und dies aus mehreren Gründen:
Zum einen ist der Begriff "stabil" recht unscharf, lässt sich aber leider nicht
genauer präzisieren. Wer sich gerade mit Mühe und Not seelischpsychisch im
Leben "über Wasser" hält und ständig Gefahr läuft, von einem psychotischen
oder schizoiden Schub .in den anderen abzugleiten, der sollte die Finger von
jeder Form der Magie lassen - das kann gar nicht eindringlich genug betont
werden!
Der zweite Grund, weshalb der Begriff "stabile seelisch psychische Verfassung" etwas problematisch ist, scheint dieser Forderung regelrecht zu widersprechen:
Oft ist es nämlich so, dass es gerade die innerseelischen Spannungen sind, die
den Menschen überhaupt erst zur Magie befähigen! Gregorius hat dies einmal an einer astrologischen Symbolik verdeutlicht: Für gewöhnlich sieht kein Astrologe
alter Schule Quadraturen, also 90 Grad - Aspekte, im Geburtshoroskop, bei Transiten oder Direktionen besonders gern. Sie gelten als problematisch und spannungsreich, ja oft als geradezu katastrophal, auch wenn die moderne, vor
allem die tiefenpsychologisch orientierte Astrologie diese Aussage inzwischen
sehr stark abgeschwächt und relativiert hat. Gregorius behauptet jedoch
sinngemäß, dass ein Magier sich im Prinzip gar nicht genug Quadraturen
wünschen kann!
Denn diese, so führt er aus, seien "kosmische Einfallswinkel", Positionen also,
die für überindividuelle oder transpersonale, mithin also für magische Kräfte empfänglich machen. In die Sprache der psychologischen Magie übersetzt
bedeutet das: Erst die inneren und äußeren Spannungen erschließen uns
überhaupt die uns und der Welt innewohnenden magischen Kräfte und können
sie für uns handhabbar machen. Mit anderen Worten: Wäre der Magier nicht
von sich aus bereits ständig in Gefahr, in den so genannten "Wahnsinn"
abzugleiten, so könnte er auch nicht über die Kräfte verfügen, die zur Ausübung seines Metiers nötig sind.
Insofern stellt die Magie in gewissem Maße sogar eine Form der Therapie
geistig - seelischer Störungen dar, und oft wird sie ja auch als eine Art " gesteuerter Schizophrenie" bezeichnet, was vor allem auf die so genannte "theurgische" und die Besessenheitsmagie zutrifft. Dies bringt uns endlich zur Frage, was denn Magie überhaupt sei. Wer sich schon länger mit magischer Literatur beschäftigt hat, dem werden bereits zahlreiche Definitionen der Magie begegnet sein. Wir wollen uns hier auf die folgende beschränken, die eine Abwandlung der altbekannten Formulierung des Altmeisters der modernen
Magie, Aleister Crowleys, darstellt: "Magie ist die Kunst und die Wissenschaft, mittels veränderter Bewusstseinszustände Veränderungen auf der stofflichen wie geistigen Ebene herbeizuführen."
Mittels veränderter Bewusstseinszustände" diesen Grundsatz sollten Sie sich genau einprägen. Denn, so formuliert es das Liber Null sehr treffend:
"Veränderte Bewusstseinszustände sind der Schlüssel zu magischen
Fähigkeiten." Die für die Magie benötigten Bewusstseinszustände nennen wir
hier, ebenfalls in Anlehnung an das Liber Null, "gnostische Trancen" oder,
kürzer, "Gnosis".
Gnosis ist ein späthellenischer Begriff, der eigentlich soviel wie "intuitives, offenbartes Wissen" bedeutet, Er wird hier in diesem, modernen,
Zusammenhang verwendet, weil damit a) die intuitive und subjektive Seite des magischen Handelns betont wird; und b) weil wir es bei der "gnostischen
Trance" um eine Art "Hyper - Luzidität", also "Über - Wissen" zu tun haben,
eine gesteigerte "Klar" - Sicht, für die es in unsere Sprachschatz keine richtige Entsprechung gibt. Am besten ließe sich dieser Zustand vielleicht noch als eine Mischung zwischen "Offenbarung" und "Hellsichtigkeit" umschreiben.
Die Sexualmagie bezieht einen großen Teil ihrer Mächtigkeit gerade aus der Tatsache, daß die Sexualität ganz allgemein und der Orgasmus im besonderen
uns eine geradezu ideale "natürliche" gnostische Trance für die magische Arbeit bietet. (Crowley nennt dies die "eroto komatose Luzidität", also die durch erotische Praktiken herbeigeführte, dem Koma oder der Besinnungslosigkeit ähnliche Hellsichtigkeit.) Dies bedingt, daß wir dabei also weitgehend auf eine
oft sehr umständliche meditative und mystische Tranceschulung verzichten können, denn wir bedienen uns von vornherein jener natürlichen Trance, die wir den Orgasmus oder die sexuelle Erregung nennen. Wobei es sich von alleine verstehen sollte, dass der Begriff "Trance" hier nicht etwa die hypnotische Volltrance meint, bei der der Klient (oder das Opfer . . .) jegliche Kontrolle über sein eigenes Tun verliert und vom Hypnotiseur beliebig zu manipulieren ist.
Die gnostische Trance gleicht der hypnotischen zwar in einigen äußerlichen
Merkmalen, doch bleibt die Willens - und die Entscheidungsfreiheit des Magiers dabei voll erhalten, auch wenn er sich dabei in einer anderen, oft recht bizarr anmutenden Realität befinden mag!
Die drei Säulen der westlichen Magie, wie wir sie heute verstehen, sind Wille, Imagination und gnostische Trance. Letztere haben wir hier als erstes behandelt,
und dies aus gutem Grund: Ohne sie nützen Wille und Imagination allein
nämlich so viel wie überhaupt nichts! Andererseits ist diese Erkenntnis,
wenngleich sie den alten Meistern z.B. des Mittelalters sicherlich auf nicht ausgesprochene Weise wohlbekannt war, in der magischen Literatur erst vergleichsweise spät vermittelt worden, nämlich in den siebziger und achtziger Jahren unseres Jahrhunderts. Bis dahin galten Wille und Imagination allein als
völlig ausreichend für die magische Praxis. Leider bietet uns dies dann eine
Magie, die sich vom Positiven Denken und anderen, ähnlichen Psychopraktiken
von der Grundstruktur her kaum wirklich unterscheidet und entsprechend oft
auch nur ähnlich mühsam zu erringende oder gar oberflächliche Ergebnisse
erzielt. Gerade durch die recht späte Begegnung mit dem Schamanismus und
durch die Entwicklung des auf der zeitgenössischen Chaos - Magie fußenden "Freistilschamanismus" (etwa eines Pete Carroll, eines Ray Sherwin u.a.) ist uns
so richtig bewußt geworden, welche Schlüsselrolle doch der gnostischen Trance
bei aller Magie zukommt.
Wille und Imagination entsprechen auch Zielbewusstheit und
Visualisationskraft. Diese wurden in der westlichen Tradition stark gepflegt.
Wichtig ist vielleicht noch erneut zu erwähnen, daß sich Sexualmagie und Sexualmystik insofern voneinander