Vier Jahre digitaler Nomade. Daniel Schöberl
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Hinsichtlich der Ausgaben hatte ich Anfang des Jahres Facebook-Anzeigen zur Fangewinnung im Wert von hundert Euro für meinen Reiseblog, den Rucksackträger, geschaltet, wodurch ich knapp fünfhundert Fans bekam. Die weiteren Kosten ergaben sich unter anderem durch Hosting-Gebühren für Blogs und Websites, das Erstellen von Visitenkarten, eine Gewerbeummeldung aufgrund meines Umzugs und andere Kleinigkeiten. Wie du siehst, braucht es zum Start deines Online-Business nicht viel Geld, dafür aber umso mehr Zeit.
Vielleicht stellst du dir gerade die Frage, warum ich trotz der steigenden Einnahmen am Angsthasen-Modus festhielt. Dafür gab es drei Gründe:
1 Ich hatte zu viel Angst, den Absprung zu wagen.
2 Mein Angestelltenverhältnis machte mir viel Spaß.
3 Zum Einstieg ins digitale Nomadentum wollte ich mir einen Puffer von fünftausend Euro an Sicherheiten ansparen, den ich noch nicht erreicht hatte.
Meine vier Learnings nach einem halben Jahr als Sidepreneur
Es beruhigte mich, dass ich in meinem Angsthasen-Modus auf der sicheren Seite war. Ich hatte regelmäßige Einnahmen, meine Krankenversicherung wurde bezahlt und ich genoss die Option, jederzeit wieder Vollzeit arbeiten zu können, sollte mein Vorhaben scheitern oder die Entwicklungen meiner geplanten Selbstständigkeit stagnieren.
Als Sidepreneur befand ich mich die erste Hälfte der Woche im sicheren Hafen. In der zweiten Hälfte schnupperte ich in eine Welt hinein, die die beiden Werte repräsentierte, nach denen ich schon so lange lechzte: Selbstbestimmtheit und Ortsunabhängigkeit. Mir war bewusst, dass ich irgendwann den kompletten Absprung wagen müsste, um endlich ein richtiger digitaler Nomade zu werden. Stress machte ich mir deswegen keinen, aber die Lust auf den neuen Lifestyle wurde von Monat zu Monat größer. Ich zog aus meinem Dasein als Sidepreneur einige Lehren, die ich in die Selbstständigkeit mitnehmen wollte. Die vier wichtigsten möchte ich an dich weitergeben.
Learning #1: Eineinhalb zusätzliche Tage sind zu wenig, um sich etwas aufzubauen.
Durch die Reduzierung meiner Arbeitszeit von vierzig auf achtundzwanzig Stunden hatte ich eineinhalb Tage pro Woche, um neue Projekte umzusetzen und bestehende zu pushen. Das war jedoch relativ wenig Zeit. Willst du Vollgas geben, bist du besser bedient, alles auf eine Karte zu setzen.
Learning #2: Die örtliche Gebundenheit besteht weiterhin.
Das primäre Ziel eines digitalen Nomaden, nämlich ortsungebunden zu arbeiten, ist schwer zu erreichen, sofern du zu bestimmten Zeiten in einem Büro präsent sein musst. Zwar nutzte ich die langen Wochenenden, um meine Arbeitsplätze zu variieren, wirklich ortsunabhängig war ich jedoch nicht. Der Bewegungsradius hielt sich stark in Grenzen.
Learning #3: Eine Sechzig-Stunden-Woche statt Gammeln am Wochenende ist auf Dauer nicht tragbar.
Freie Wochenenden waren nach meiner Neuausrichtung tabu. Klar hätte ich sie mir gönnen können, zielführend wäre das jedoch nicht gewesen. Fehlende Einnahmen wären die Folge gewesen und Blogprojekte hätten sich nicht weiterentwickelt. Das bedeutet, dass ich neben meiner Teilzeitstelle ordentlich auf die Tube drücken und mindestens die gleiche Zeit für eigene Projekte aufwenden musste.
Learning #4: Die Arbeitsintensität im Angestelltenverhältnis steigt.
Dadurch, dass ich nur noch in Teilzeit arbeitete, sich mein Aufgaben- und Verantwortungsbereich des damaligen 9-to-5-Jobs aber nicht wirklich verringert hatte, war jeder der dreieinhalb Arbeitstage intensiver geworden. Die zu erledigenden Aufgaben wurden auf eine kleinere Zeitspanne komprimiert, was eine höhere Auslastung zur Folge hatte.
Angsthasen-Modus ade – jetzt geht’s los!
Mit dem Angsthasen-Modus war im Januar 2016 Schluss. Ich reichte meine Kündigung ein und besiegelte die Flucht aus dem Hamsterrad und den Start meines Lebens als digitaler Nomade. Am 1. April 2016 sollte es losgehen. Die Entscheidung zu kündigen stand bereits einige Monate im Vorhinein fest – genug Zeit, mir Gedanken über den Ablauf und den richtigen Zeitpunkt der Kündigung zu machen.
Ich entschied mich, meinen Vorgesetzten eine E-Mail mit der Bitte um ein Gespräch zu schicken. Bereits da war meinen Chefs, mit denen ich mich auch privat hervorragend verstand, klar, was auf sie zukommen würde. In meinem Blog und dem Podcast, wo ich als Co-Host fungierte, nahm ich kein Blatt vor den Mund und hatte bereits über den Gedanken zu kündigen gesprochen. Außerdem hatte ich ihnen lange vorher mitgeteilt, dass ich ihnen im Falle einer Kündigung rechtzeitig Bescheid geben würde. Ein ehrlicher Umgang war mir wichtig. Ich war dankbar, dass sie mir die Möglichkeit gegeben hatten, mein kleines Unternehmen in Teilzeit aufzubauen. Genauso dankbar war ich, dass das Gespräch über meinen Entschluss äußerst angenehm verlief. Abschließend bekam ich das Angebot, jederzeit zur Agentur zurückkommen zu dürfen, sollte mein Vorhaben scheitern. Eine großzügige Geste, die ich jedoch nicht annehmen sollte.
Bereits in den Monaten vor der Kündigung hatte sich einiges getan. Nicht nur, dass ich einen Workshop über Facebook-Anzeigen bei der letzten DNX, Deutschlands größter Konferenz über digitales Nomadentum, halten durfte, ich war mittlerweile auch Co-Host eines Podcasts, in dem ich von meinem Weg zum digitalen Nomaden berichten durfte. Zudem testete ich das Leben als digitaler Nomade, indem ich mich im Herbst für zehn Tage nach Taghazout in Marokko aufmachte. In einem sogenannten Co-Living-Space, wo arbeitende Reisende unterkommen und über ideale Arbeitsbedingungen verfügen, feilte ich während des Urlaubs an meinen Projekten. Zwischendurch ging ich zum Wellenreiten oder tauschte mich mit erfahrenen digitalen Nomaden bei Couscous und Tagine aus – Test bestanden!
Auch meine Projekte hatten sich bis zum Tag der Kündigung zumindest so gut entwickelt, dass ich nicht komplett bei null anfangen würde. Ich schloss mich einer Mastermind-Gruppe an, in der ich mich regelmäßig mit zwei anderen Teilzeit-Selbstständigen austauschte und wichtiges Feedback erhielt. Ich schenkte mir selbst ein brandneues Notebook, das mittlerweile längst von Aufklebern aus aller Welt übersät ist und mit dem ich just in diesem Moment diese Zeilen verfasse.
Meine Kündigung war der Schritt in ein neues Leben. Danach gab es kein Zurück mehr. Dass ich aus meiner kleinen Kellerwohnung ziehen würde, war beschlossene Sache. Ich war endlich bereit, digitaler Nomade zu werden und den Großteil meiner Zeit aus dem Rucksack zu leben. Meine neue Meldeadresse würde der Wohnsitz meiner Eltern werden.
Doch nicht nur die Vorfreude auf einen komplett neuen Lifestyle war groß, auch der Respekt vor einem neuen Lebensabschnitt, mit dem ich mich im Detail trotz vieler Recherchen in Blogs und Büchern noch nicht ausreichend beschäftigt hatte. Zu viel Zeit musste ich mit der Abwicklung des Alltags verbringen. Nach der ersten Euphorie machten sich Zweifel an meiner Entscheidung breit. Ich stellte mir Fragen, die nicht mehr aus meinem Kopf verschwanden:
Werden meine Projekte gut laufen?
Wie lange wird mein angesparter Puffer halten?
Was, wenn ich versage? Mache ich mich damit zur Lachnummer?
Wohin möchte ich reisen?
Was mache ich, wenn alles schiefgeht?
Aber das Ziel, nur mit meinem Notebook bewaffnet um die Welt zu ziehen, war zu groß, um alles über den Haufen zu werfen. Ich musste es durchziehen, komme, was wolle.
Gedankenkarussell vor dem Start
Bevor ich dir mehr über meine ersten Schritte als digitaler Nomade erzähle, darüber, mit was ich mich zu Beginn rumschlagen musste und welche Vorteile ich in meinem ortsunabhängigen