Geschichten vom Bau. Hartmut Witt

Geschichten vom Bau - Hartmut Witt


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Kollege liefen mir sofort hinterher.

      Am Verbandskasten entdecke ich meine nun blutüberströmte Hand: „Oh, da reicht ein Pflaster glaub nimmer!“, waren meine Worte. „Nein!“, meinte der Meister „Du brauchst kein Pflaster, du brauchst ein Krankenhaus!“ Dort wurde dann meine zerfetzte Hand wieder zusammengeflickt. Es sind noch alle Finger dran, so dass ich bei der Bestellung von 5 Bier auch 5 Finger zeigen kann. 

      Muttersprache

      Es begab sich, dass wir eines Tages einen norddeutschen, frisch zugezogenen Bauherrn hatten, der die schwäbische Mundart kaum verstand. Als Vorarbeiter sprach ich sofort hochdeutsch mit ihm. Er war sehr dankbar. Einem Mitarbeiter kam das befremdlich vor und er rief mir zu: „Hey, Hartmut, loos her, schwätz doch mit dem so, wie Dir des Maul gwachse isch, der muss des verschtoh!“

      Meine Antwort „Jürgen, hochdeutsch ist meine Muttersprache!“

      Die Kollegen bogen sich vor Lachen, und zogen mich mindestens drei Wochen damit auf, denn bekanntlicherweise können Schwaben alles, nur kein Hochdeutsch!

      Uns Uwe

      Einen schönen Tages kam Uwe, ein alternativer Zimmermann, zu mir auf die Baustelle und eröffnete mir ein tolles Angebot: Selbstständigkeit in einer Öko-Zimmerei durch Perspektive eines Großprojekts in Konstanz. Juhu, ein Traum wurde wahr! Endlich so arbeiten, wie es mein Ideale forderten!

      Uwe begleitete meine Geschichte schon von meiner Lehrzeit an. Wir machten zeitgleich die Gesellenprüfung als Zimmerer, er erbte einen tollen altdeutschen Schäferhund von mir, den ich wegen einer zu kleiner Wohnung nicht behalten konnte. Ein phantastisches Tier, das immer ohne Leine lief und auf Handzeichen und Zuruf sofort parierte.

      Der Kontakt mit Uwe blieb erhalten, und nun das, welche Chance, die ich mir nicht nehmen lassen wollte.

      Ich versuchte auch später noch mit Uwe zu kooperieren, aber Uwe wurde mit der Zeit immer unzuverlässiger. Er arbeitete nur zum Zeitvertreib, hatte offenbar genug finanziellen Rückhalt, um sich das leisten zu können. Mittlerweile lebt er auf den Philippinen einen anderen Traum.

      Heidenei

      Auf dieser Großbaustelle arbeitete dann auch Heidenei, ein junger Zimmermeister, der seinen Start der Karriere ausgerechnet in der Zimmerei hatte, die auch die Waldorfschule gebaut hatte und die auch die erste Station meiner Zimmerei-Karriere war. Mir gab diese Erfahrung den Anstoß, diesen Beruf zu erlernen. Deshalb hatten wir schnell eine Verbindung.

      Als Meister verschaffte er den komischen Alternativ-Betriebsformen, die wir als Gesellen angemeldet hatten, auch die Legitimation, Zimmerarbeit machen zu dürfen. Ich hatte zum Beispiel Bautenschutz und Regalbaubetrieb in der Hoffnung angemeldet, dass ein Dachstuhl als Regal zur Lagerung von Dachplatten durchgehen würde. Das war natürlich eher eine „Lachplatte“. 

      Das besondere Merkmal von Heidenei war sein schöner, schwarzer Hund Fletcher, der auf jeder Baustelle dabei war.

      Ja, das Stöckchenspiel war seine Lieblingsbeschäftigung. Ich versuchte Fletcher das Taugenichts-Dasein abzugewöhnen und ihn zu animieren, dass Abschnittholz auf den Hänger zu transportieren, in dem ich ihm dies auf allen Vieren vormachte. Das Gelächter der Kollegen hielt den Hund wohl davon ab mir gleichzutun, nee, er holte das Holz wieder vom Hänger herunter! 

      So urig und lustig ein Hund auf dem Dach ist, Fletcher war wirklich überall dabei. Heidenei übertrieb es dann ein bisschen, als er den zweiten Hund anschaffte, Teddy. Teddy war ein total süßer Hund, ein Mischling aus kaukasischen Hirtenhund, Rottweiler und Schäferhund. Ich vermutete eher, dass da eine kaukasische Steppenwildsau im Spiel gewesen sein muss. Teddy machte nur ein großes Problem, er war extrem bissig. Heidenei machte einen riesigen Erziehungsfehler, als der Welpe nach ihm schnappte, gab er ihm ein Stück Hühnchen. Mich hat er allerdings nie gebissen, ich habe schon als Welpe mit ihm gespielt. Aber Teddy biss alle anderen: Die Bauherrn, die Architekten, die Bedienung im Restaurant, die Kollegen. Jaja, Heidenei band den Hund an der Ziegelpalette fest und als ein Kollege Dachziegel wegnehmen wollte, verteidigte er diese. Als Architekt Allah sich bei Heidenei über den bissigen Hund beschwerte, schoss Heidenei den Vogel ab: „Ach, Allah, lauf noch mal an Teddy vorbei, der muss es lernen!“ Ganz klar! Letztlich blieb nichts anderes übrig als das verzogene Tier zu erschießen.

      Heidenei war auch ein bisschen leichtsinnig und gutgläubig, aber ein sehr geschickter Handwerker.

      Letztlich trennten sich die Wege, als Heidenei auf einen Architekten reinfiel, der alles Mögliche versprach, aber dann, wenn es um das Zahlen ging, die Handwerker im Regen stehen ließ.

      Eine unglückliche Baustelle mit Mauscheleien, die nicht haltbar und gegenüber dem Bauherrn nicht vertretbar waren, dazu ein paar Konstruktionsfehler, die schon beim Aufrichten ausbeulten!

      Was habe ich an Heidenei hingeredet, auf Änderung der Konstruktion mit zusätzlichen Aussteifungen und der Notwendigkeit eines Querverbandes hingewiesen. Ich habe auf den Architekten eingeredet. Nein, sie wollten nicht. Am Ende lehnte ich die Verantwortung für diesen Bau schriftlich ab, da auf meine Mängelrügen nicht reagiert wurde. Heidenei wollte die Mauscheleien einklagen. Geblieben ist ihm nur ein Haufen Ärger, andauernde Reklamationen, nicht zuletzt wegen der bemängelten Fehler. Er bekam nur den Vergleich, den ich schon Monate zuvor am Tisch mit dem mündlichen Einverständnis des Bauherrn ausgehandelt hatte, halt ohne die Mauscheleien, dafür mit berechtigten Zusatzforderungen, die einleuchtend waren.

      Joe

      Eines Morgens schleppte ich mich auf der Großbaustelle in Konstanz vollbepackt mit Maschinen die Treppe herauf. Mitten auf der Treppe stand eine Leiter. Auf der Leiter stand Joe, daneben ein Hüne von Mann, ich nenne ihn mal Rolling Thunder. Ich grüßte und drückte mich an der Leiter vorbei. Mit einem Koffer blieb ich fast hängen, es gab einen leichten Stoß auf die Leiter, ein „Heeeh“ gab es zur Antwort.

      Nun, er ist nicht runtergefallen, ich lief also unbeirrt weiter die Treppe herauf.

      Doch kaum war ich oben, kamen mir die Zwei hinterher, stellten und drängten mich in die Ecke.

      Joe hat große Augen, Halbglatze, ziemlich tätowiert. Ein blauer, koreanischer Drache, das Abzeichen einer original koreanischen Taekwondo-Kampfschule, zierte seinen rechten Schlagarm. Rollte er mit den Augen und fletschte er mit den Zähnen, wurde es Zeit, Angst zu bekommen.

      Der Hüne hinter ihm war fast 2 Meter groß, hatte lange blonde Haare, war ebenfalls tätowiert.

      Kurz war ich versucht, so in die Ecke gedrängt, als Erster zuzuschlagen. Doch mein Kopf sagte mir, man, die Übermacht ist zu groß. Also habe ich mich kleinlaut entschuldigt!

      Ich tat gut daran, denn Joe entpuppte sich als absolutes Kampftier. Er konnte aus dem Stand mit den Füssen an die Decke springen und wieder auf den Füssen landen. Gab es irgendwo Zoff, dann pflegte Joe die Situation zu bereinigen, indem er innerhalb von Sekunden alle Beteiligten einfach k.o. schlug! Ein paar wenige Tritte und Schläge und die Sache hatte sich erledigt!

      Ja, wir kamen ins Gespräch, da stellte sich heraus, dass wir in der Grundschule Klassenkameraden waren und dann erinnerte ich mich: Er war Klassenstärkster! Ich hatte einen Freund namens Linus, und da musste ich einmal mit ansehen, wie Joe meinen armen Linus niedermachte und ihn auf dem Boden mit seinen Knien massakrierte. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, warf mich auf Joe und schlug ihn, so fest ich konnte, mit der Faust. Da stand Joe auf musterte mich. Ich fürchtete, ich bekäme nun Prügel. Stattdessen sagte er zu mir: “Mein Gott, bist Du mutig! Wollen wir Freunde sein?“

      Joe erinnerte sich auch daran, und fortan waren wir wieder Freunde.

      Joe war auch Fallschirmspringer und hatte die wildesten Sprünge auf Fallschirmspringer-Meetings gemacht, zum Beispiel aus russischen Militärmaschinen und unzulässigen Höhen abzuspringen, was freilich auch nur in Russland ging. Und einmal brauchte er


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