Ironische Geschichten. Walter Rupp
mutmaßlichen Täter, der schon als Kind mit Taschengeld kurz gehalten wurde, zu gestatten, dass er das durch seinen Sparkassenraub erbeutete Geld behalten darf, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit Hilfe einer Intensivtherapie zu lernen, damit sinnvoll umzugehen.
Schönheitskönigin
REPORTER: Herzliche Gratulation zu Ihrer Thronbesteigung. Jetzt werden Sie als schönste Frau der Welt bewundert und dürfen sich ‚Miss World‘ nennen.
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Ich kann es noch immer nicht fassen, dass ich schon im 1. Anlauf mein Gesicht gegen so viele Konkurrentinnen durchsetzen konnte.
REPORTER: Haben Sie jemals daran geglaubt, dass Sie soweit kommen?
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Ich habe immer an mein Gesicht geglaubt, und dass ich die Jury überzeuge.
REPORTER: Sie konnten das deutsche Gesicht zu einem internationalen Werbeartikel machen.
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Es freut mich, dass ich so zur Botschafterin meines Landes wurde.
REPORTER: Die Weltbevölkerung wird nun das Vorurteil revidieren müssen: dass deutsche Haare blond, deutsche Augen blau und deutsche Nasen adlerförmig sind.
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Mein Vater stammt aus der Türkei und meine Mutter aus dem Sudan.
REPORTER: Dann ist es umso anerkennenswerter, dass es Ihnen mit Ihrem Einsatz gelungen ist, das deutsche Gesicht zur Exportware Nummer eins zu machen.
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Ich bin überglücklich. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dass nun Millionen von Teenagern in aller Welt für ihr Make-up meine Haarfarbe, mein Rouge und meine Lidschatten wählen und die jungen Männer in aller Welt von ihren Freundinnen verlangen, dass sie auszusehen haben wie ich.
REPORTER: Fürchten Sie nicht, dass das bei Millionen junger Paare zu gefährlichen Spannungen führt, weil so viele junge Mädchen den hohen Maßstäben, die Sie gesetzt haben, nicht entsprechen können?
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Dann müssen Sie eben mehr Zeit vor dem Spiegel verbringen oder sich einer kosmetischen Operation unterziehen.
REPORTER: Darf ich eine persönliche Frage stellen? Wie haben Sie es geschafft, so schön zu sein?
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Es wird einem nichts geschenkt - gerade in meinem Beruf - wo auch nicht die kleinste Falte verziehen wird.
REPORTER: Wurde Ihnen die Schönheit nicht in die Wiege gelegt?
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Schön wäre es. Sie ist das Ergebnis harter Arbeit. - Schauen Sie sich doch die Gesichter der Leute an?
REPORTER: Die Sorgen haben da ihre Spuren eingegraben.
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Sorgen sagen Sie? Da wurden nicht die richtigen Kosmetika verwendet.
REPORTER: Sie meinen, dass...
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Seit meiner Kindheit überwache ich mehrmals täglich mein Gesicht. Ich hasse farblose Gesichter. Ich habe in den vergangenen Jahren viel Geld für die Gesichtsgestaltung ausgeben. Das wurde jetzt belohnt.
REPORTER: Sie werden sich jetzt wohl zahlreicher Heiratsanträge erwehren müssen.
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Meine Fototermine werden mir kaum Zeit für die Fan-Post lassen. Mein Freund – von dem ich mich jetzt trennen werde – hat sich bereit erklärt, für mich den Partner auszusuchen, der wirklich zu mir passt.
REPORTER: Muss Ihr neuer Partner auch schön sein?
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Um Himmels willen! Es reicht aus, wenn er - wie es jetzt Millionen tun - mich ebenfalls bewundert.
REPORTER: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
SCHÖNHEITSKÖNIGIN: Dass ich meine Schönheit möglichst lange konservieren kann.
REPORTER: Das wünsche ich Ihnen auch!
Positive Nachrichten
Dank der neuen Steuerreform wird es der Regierung endlich möglich sein, nur noch gerechte Steuern einzuziehen und jeden in gleicher Weise stärker zu belasten.
Der internationale Fußball-Bund wird künftig bei Fußballspielen auf Schiedsrichter ganz verzichten können, weil die Spieler sich bereit erklärten, sich nach jedem Foul selbst die Gelbe Karte zu zeigen, bei Vergehen im Strafraum, die gegnerische Mannschaft um Ausführung eines Strafstoßes zu bitten und bei schlimmeren Regelverstößen sich selbst vom Platz zu stellen.
Da die Kriminalstatistik dank der unermüdlich um eine humanere Rechtsprechung bemühten Rechtsanwälte seit Jahren eine rückläufige Tendenz zeigt, ist zu erwarten, dass die Polizeikräfte ihre Aufmerksamkeit in absehbarer Zeit ganz auf das Falsch-Parken und das Fehlverhalten des Fußgängers auf den Gehwegen konzentrieren können.
Trotz der hohen Gagen, die für die Verpflichtung des Stardirigenten und seines Ensembles aufgebracht werden müssen, wird es auch dieses Jahr wieder möglich sein, den Politikern und höheren Staatsbeamten in den Staatstheatern und Opernhäusern die gleiche Anzahl von Freikarten zur Verfügung zu stellen.
Während es auf der Bühne pausenlos zu hitzigen Auseinandersetzungen und wüsten Beschimpfungen der Ehepartner kam und die Schauspieler sich sogar wiederholt Ehebrüche erlaubten, verhielten sich die Zuschauer vorbildlich und traten mit dem Partner, mit dem sie gekommen waren, ohne Streit den Weg nach Hause an.
Dass das Interesse an Religion enorm zunimmt, zeigt die schon seit Jahren anhaltende Tendenz unter Kirchenfernen oder denen, die aus der Kirche ausgetreten sind, ihre Kinder in kirchlichen Kindergärten, und ihre Alten in kirchlichen Pflegeheimen unterzubringen.
Da sich eine zunehmende Zahl von Straffälligen außerstande sieht, ein schuldhaftes Verhalten bei sich zu erkennen, sieht sich eine immer größer werdende Anzahl von Gerichten veranlasst, eine immer größere Anzahl von Freisprüchen auszusprechen.
Die Kultusministerien, die - aufgrund einer in Auftrag gegebenen Studie über das Lernverhalten - der heutigen Jugend eine erfreuliche Lernbereitschaft attestieren, warnen vor den negativen Folgen dieser Studie für den Lehrerberuf. Sie sprechen die Befürchtung aus, dass auch schon jüngere Lehrer die Frühpensionierung beantragen und Lehramtskandidaten das Lehrerstudium abbrechen könnten, weil die steigende Lernbereitschaft der Schüler von ihnen eine intensivere Vorbereitung des Unterrichts verlangt.
Die weltweit durchgeführte Zählung in der Weltbevölkerung, ob es mehr gute oder böse Menschen gibt, wird noch geraume Zeit in Anspruch nehmen, weil doch viele bei den Guten eingestufte Gute wegen unerwarteter Entgleisungen vorübergehend den Bösen beigezählt werden müssen, und immer wieder Böse, weil sie von Zeit zu Zeit guten Regungen nachgeben, zu den Guten gerechnet werden dürfen.
Dank staatlicher Maßnahmen wird es auf viele Jahre hinaus möglich sein, die große Zahl der Arbeitslosen über Jahre hinaus so lange umzuschulen, bis sie das Rentenalter erreichen.
Da immer mehr Arme bereit sind, anderen Armen zu helfen, kann die immer geringer werdende Spendenfreudigkeit der Wohlhabenden ein wenig ausgeglichen werden.
Das Kabarett „Die Odelgrube“, das innerhalb kürzester Zeit in der Beliebtheitsskala ganz nach oben rückte, verdankt seine Beliebtheit der Tatsache, dass es Lachen auszulösen versteht, ohne die Zuhörer mit hintergründigen oder feinsinnigen Pointen zu nerven, dem Verstand Ruhe gönnt und nur die niedersten Instinkte reizt.
Der Bereitschaft der TV-Sender, die Moderatoren anderer Sender als Gäste für ihre Showveranstaltungen einzuladen, ist es zu verdanken, dass bei der Programmgestaltung zwar keine finanziellen, aber doch erhebliche