Denk mal!. Helmut H. Schulz

Denk mal! - Helmut H. Schulz


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4. Der Freund der schönen Künste

       5. Eleonore Simon - die Anarchistin mit dem Pantherfell

       6. Bemerkungen zu den auszugsweise abgedruckten Papieren

       2. Teil

       1. Der Positive Taburaner mit der Sonne

       2. Die Periode des süßen Weges über Felder

       3. Die Periode des konkreten Menschen

       4. Suche nach der Alternative

       5. Im Wettlauf mit der Zeit

       6. Das Bankett zum 25.Jahrestag der Erhebung

       7. Le Capitale Harmonia y Esperanza

       8. Schlussbemerkung

       9. Nachwort des Herausgebers

       Impressum

       Lektion 1: KLEONS HELDENFAHRT ZU DEN KOLCHERN

       1

      Man hat uns drei Obolen täglich versprochen; vermutlich sind die meisten von uns Schiffsknechten wegen der Heuer an Bord der Argo. Die Zeiten sind hart und bei den Docks von Korinth stehen freie Seeleute Schlange vor den Handelshäusern; aber die großen Reeder haben genügend billige Sklaven, mit denen sie ihre Schiffe bemannen und auf See schicken können. Daher hat kaum einer der angeheuerten Männer nach Ziel und Dauer der Reise gefragt. Die es taten, erhielten nur unbestimmte Auskünfte. Die Argo fuhr mit Muskelkraft und unter Segel durch den Hellespont, entlang der Küste des Pontos. Wir sind inzwischen viel weiter gekommen, als jemals ein griechisches Schiff oder überhaupt eins aus den westlichen Meeren. Das meist flache Ufer zur Linken, seemännisch müsste ich sagen backbords, steht uns die Sonne voraus, wenn wir morgens Segel setzen oder die Riemen auslegen; abends versinkt das große Licht, das Helios mit seinen Rossen lenkt, achtern, regelmäßig seit vielen Tagen. Wenn Handelsware an Bord sein sollte – und weshalb geht ein Schiff sonst auf große Fahrt - so muss es sich um eine sehr kleine und sehr kostbare Art handeln.

      Auch das Schiff ist seltsam, so wie noch nie eins gesehen wurde. Es ist ganz aus Holz gemacht und zwar derart, dass die Außenplanken wie Schuppen übereinanderliegen und mit geharzten Tampen vernäht wurden; die Argo ist vollkommen dicht und dabei außerordentlich leicht. Sie bewegt sich wie ein Vogel und gehorcht dem Ruder. Jeder ist davon überzeugt, dass kein Mensch ein solches Schiff zu bauen versteht, es sei denn, eine Gottheit stehe ihm zur Seite. Manche von uns wollen den Schiffsherren des Nachts mit der Gottheit sprechen gehört haben. Es soll sich um die Tochter des Zeus handeln, der Pallas Athena, was mir als vollkommen glaubhaft erscheint.

      Das Schiff stöhnt bei schwerer See, und es ist heiter bei gutem Wetter, wenn die Wogen an seinem Rumpf entlang waschen; jedenfalls erscheint es uns wie ein lebendiges Wesen, und so wundert sich auch niemand, dass der Schiffsherr ihm häufig opfert und nicht nur dem Erderschütterer Poseidon. Wir Schiffsknechte sind ein bunt zusammengeworfenes Volk aus allen Weltgegenden, Athener und Lakedämonier, Ägypter und Phönizier, auch Meder, viele gute Seeleute darunter. Alle Kommandos werden in jener Sprache gegeben, die wir als Koine bezeichnen; es wird von jedermann verstanden, obschon es ein verfälschtes Griechisch ist. Anders wäre der Verkehr unter uns unmöglich. Im Übrigen ist die Schiffsetikette streng, wie sonst auf Handelsschiffen nicht üblich, aber wie ich schon sagte, wir kennen das Frachtgut nicht, und es geht uns auch nichts an.

      Unser Schiffsherr heißt Jason, so sagen einige; sein Name ist für uns gleichgültig, denn dem Brauch nach, dürfen wir ihn nicht direkt anreden, sondern müssen einem Bootsmann unseren Wunsch vortragen, im Beisein Jasons, der am Mast steht. Der Bootsmann erklärt ihm das Verlangen des Seemannes und Jason entscheidet, wie es ihm gut dünkt. Mich hält eine gewisse Scheu von diesem Mann fern, der die Argo gebaut haben soll, der ihr Eigner zu sein scheint oder auch wirklich ist und der einige Männer um sich versammelt hat, die keine Seeleute sind, sondern Krieger, ihrem Auftreten nach und ihrer Bewaffnung. Zugleich aber scheint Jason auch Kaufmann zu sein, was allerdings sehr gut zusammenpasst. Die Männer leben achtern und schlafen unter Deck, während wir die Nächte im Freien verbringen, eingehüllt in unsere dicken Kapuzenmäntel, bis die Reihe an uns kommt, Wache zu gehen, das heißt, uns an die Riemen zu setzen. Aber es ist warm; manchmal geht ein Regenschauer nieder, dann weht es kühl von See her landeinwärts. Wir können uns eigentlich nicht beklagen, wir werden streng aber gut behandelt und wenn es heißt, backen und banken ist unser reichlich Tisch gedeckt.

      Während ich neulich Wache ging, habe ich den Jason als Nauarchen beobachtet. Er hält sich oft viel in Nähe des Steuermannes am Ruder auf und hat offenbar Kenntnis von den Bewegungen der Sterne. Ich konnte ihm unbemerkt ins Gesicht sehen. Es trägt die Züge, die von den Bildhauern beruflichen Athleten gegeben werden, deren Denkmäler überall in den Städten aufgestellt werden. Jason ist ein Mann von vielleicht dreißig Jahren, nicht groß, aber breitschultrig und ausdauernd, wie mir scheint. Da er sich seit Antritt der Reise weder Haar noch Bart schneidet, tritt er würdig wie ein Alter auf. Seine dunklen Augen, die vorspringende Nase und das Lockenhaar geben ihm einen besonders strengen Ausdruck, nicht den eines gewöhnlichen Seemannes, der die Augenlider zusammenkneift, weil er von der flimmernden See geblendet wird. Seine Hände sind klein und sauber, bemerkte ich, als er näher trat, und seine Füße, die in Sandalen steckten, hätten die einer Gottheit sein können. Wir Griechen legen bekanntlich einen besonderen Wert auf die Form der Füße. Vielleicht ist Jason von Adel; man hört manchmal, dass die Herrscher und Tyrannen ihre Söhne in die Welt schicken, um sie loszuwerden.

      Jedenfalls kennt keiner den Mann genauer, der die Argo immer weiter nach Osten führt. Wir treffen längst keine anderen Schiffe mehr; das Meer ist wie leer gefegt. Vielleicht treiben die Völker hier keine Schifffahrt. Kürzlich kam es zu einem Zwischenfall, als ein paar Mann von der Freiwache beisammen standen, was verboten ist und leicht als Meuterei ausgelegt werden kann. Jason, der es bemerkte, schickte einen der Wachältesten zu den Schiffsknechten, mit der Frage, weshalb sie nicht arbeiteten. Es kam zu einem Wortwechsel zwischen den Knechten und dem Bootsmann; Jason wurde aufmerksam. Ich konnte ihm verstohlen ins Gesicht blicken, was gegen die Schiffsgesetze ist; seine Augen blickten mit kalter Wut über die Leute hinweg, aber er versicherte, wir würden bald das Ziel unserer Reise erreicht haben und auch glücklich wieder heimkehren. Darauf gingen alle an ihre Arbeit, wie er es befohlen hatte, aber mir kamen düstere Ahnungen. Wir Schiffsknechte sind dem Schiffsherrn gleichgültig, aber er braucht uns, um sein Ziel zu erreichen. Nur, wo liegt es? Jason und die Argo sind unser Schicksal, das fühlte ich. Bei der Freiwache verständigten wir uns heimlich darüber, notfalls die Umkehr zu erzwingen. Aber auch achtern war geredet worden; am Tage nach dem Zwischenfall beim Mast erschienen Jason und die Begleiter des Schiffsherrn schwer bewaffnet an Deck. Jason trug einen wunderbaren wie Silber glänzenden Brustharnisch, Helm und Beinschienen und ein Schwert, nebst einem kurzen Wurfspieß. Achtern wird jetzt ständig Wache gegangen; ich habe mich in ein böses Unternehmen eingelassen, glaube ich.

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