Der Magische Chip. Andrea Celik
wollte Fabi auf alle Fälle nicht haben.
Um den Chip alleine zu besitzen, wäre es besser, dass keine anderen Personen von der Angelegenheit Wind bekamen.
»Jessy, jetzt komm endlich, du kannst doch nicht den ganzen Tag
vor dem Computer hocken. Könntest du bei Gelegenheit, vielleicht
mal am Familienleben teilhaben?«, rief Frau Kessel ihrer Tochter zu.Jessy antwortete nicht, denn sie war viel zu sehr damit beschäftigt ihrer Freundin Sarah in London, eine E-Mail zu schreiben.
Meine liebe Freundin Sarah, vielen Dank für Deine E-Mail. In den
letzten drei Wochen habe ich mich ein bisschen an Istanbul
gewöhnt. Die Stadt ist sehr groß und hier fahren viele Autos.
Hier leben rund 20 Millionen Menschen. Egal wo ich
hinschaue, sind Menschenmassen. Trotzdem hat diese Stadt viel
Schönes. Meine Eltern und ich haben schon verschiedene
Ausflüge unternommen.
Liebe Sarah, später berichte ich dir mehr darüber.
Kannst du dich noch erinnern, als wir im Internet Café in der Nähe
von Big Ben waren, und Zeugen einer interessanten Unterhaltung
von zwei Typen wurden? Die beiden flüsterten, und
tuschelten geheimnisvoll. Das Wort „magische Chipkarte“ fiel immer wieder. Langsam glaube ich nicht mehr, dass dies ein Gerücht ist. Erst vor einigen Tagen besuchte ich die Internetseite: www.super-chat.tr.
Okay, diese Seite ist in Türkisch. Doch selbst mit wenig Türkisch
Kenntnissen erkannte ich schnell, dass dies ein geheimer Treff von Hackern ist. Dort wird ausführlich über diesen Chip berichtet. Kannst du dir vorstellen, dass daran was Wahres ist?
»Jessy jetzt komm endlich, wir wollen in die Stadt und dir eine
neue Hose kaufen«, ertönte nochmals die Stimme von Jessys Mama.
»Ja Mama! Ich habe genügend Hosen, ich bleibe lieber
zu Hause!«, rief die Tochter zurück.
Sie fügte ihrer E-Mail noch folgende Zeilen hinzu:
Sarah, wir bleiben in Verbindung, ich halte dich auf dem Laufenden.
Bis bald Deine Freundin Jessy.
Rumps, mit einem wütenden Schwung riss Frau Kessel die
Tür zu Jessy ihrem Zimmer auf.
»Wenn ich sage, wir gehen Kleidung kaufen, dann meine ich
das auch so! Noch ein Widerwort glaube mir, eine Woche
Computerverbot wird dir gut tun!«
»Ja, Mama, ich komme ja schon!«
Frau Kessler, Jessy und Lisa fuhren in ein gut besuchtes Einkaufscenter in Levent. Das Center bot verschiedene Boutiquen, Supermärkte, Kinos und Restaurants. Lisa gefiel das Stöbern im Spielzeugladen, besonders gut. Sie war jetzt 5 Jahre alt, Barbiepuppen in glitzernden und schillernden Kleidern fand sie besonders anziehend.
»Mama, lass uns ein Eis essen!«, nörgelte Jessy.
Zum Einkaufen mit geschleppt zu werden hasste sie über alles.
Bekleidung zu kaufen fand sie noch schlimmer. Es war wieder mal katastrophal. Die miese Laune wirkte sich in kurzer Zeit auch auf Mama und Lisa Kessler aus. Vor einem Jeansladen hielten sie an.
»Hier finden wir bestimmt die richtige Hose für dich, mein Schatz.«,
und während sie das sagte, zog Mutter Kessler energisch am Ärmel von Jessy und schleifte sie direkt vor die Füße des Verkäufers. Die Tatsache einer solchen Blöße ausgesetzt zu sein, verschlimmerte Jessys Laune extrem. Sie jammerte unaufhörlich weiter und probierte schweren Herzens in der Umkleidekabine verschiedene Hosen an. Die eine war zu lang, die andere zu weit.
»Mama, lass uns gehen, für mich gibt es eben keine
passenden Kleidungsstücke.«
»Möchtest du lieber eine Hose beim Schneider nähen lassen?«
»Hilfe, nein!«,
Jessy erinnerte sich noch zu gut daran, als der Schneider eine Hose für sie angefertigte. Sie musste unentwegt stehen, dabei durfte sie sich nicht bewegen. Mindestens fünfmal musste sie zum Anprobieren kommen und dann fehlte wieder etwas. Das noch mal zu erleben, wäre für sie die Hölle gewesen. Daher erlaubte sie, ihrer Mama weiter nach einer passenden Hose zu suchen. Jessy probierte noch andere Modelle an. Familie Kessler entschloss sich schließlich für eine blaue Jeans-Stretchhose. Der inzwischen genervte Verkäufer sagte:
»Die Hose sitzt perfekt.«
Nachdem sie gezahlt hatten, kauften sie noch einige T-Shirts in den
umliegenden Geschäften und aßen hinterher zusammen ein leckeres Eis.Bereits am nächsten Tag wollte sich Jessy die neue Hose in der Schule anzuziehen. Ein Besuch in der Hayga Sofia Moschee war geplant, deshalb durften die Schüler der 5. Klasse der deutschen Gemeinschaftsschule, Freizeitkleidung tragen. An den normalen Unterrichtstagen herrschte jedoch Uniform-Pflicht. Bevor Jessy aus dem Haus ging, steckte ihre Mama ihr noch etwas Kleingeld zu. Die fünfte Klasse traf sich auf dem Schulhof und wurde kurze Zeit später vom Bus abgeholt. Die Busfahrt verlief kurz und fröhlich. Neben Jessy saß ihre Klassenfreundin Derya. Die beiden unterhielten sich angeregt, als die Lehrerin Frau Ute Müller die beiden aufforderte aus zu steigen. Die Hayga Sofia Moschee sah beeindruckend aus und hinterließ einen bleibenden Eindruck bei den Schülern. Der Vorgarten war wunderschön. Gepflegte Grünpflanzen und Bänke luden zu einem Päuschen ein. Im Hintergrund schipperten die Schiffe auf dem Bosphoros entlang. Frau Müller gab Anweisungen in der Moschee keine lauten Gespräche zu führen, die Gruppe nicht zu verlassen und dem Reiseführer gut zuzuhören.
Der Reiseführer gab sich viel Mühe und beantwortete die verschiedensten Fragen. Da Hayga Sofia früher eine Kirche war, stellte der Ausflug eine wichtige Informationsquelle für den Religionsunterricht dar. Bis auf zwei Schüler hörten alle aufmerksam zu. Nach einer Stunde Führung waren die Schüler froh das Gebäude wieder verlassen zu können. Das Besichtigen der Moschee machte durstig, darum stellte sich Jessy mit an die Reihe der wartenden Schüler, um von einem nahestehenden Kiosk eine kühle Limo zu besorgen.
Bereits während sie wartete, entnahm sie ihr Geld aus der rechten Hosentasche, in die sie am Morgen das Geld ihrer Mutter hineingesteckt hatte. Aber was war das? Jessy wurde es ganz heiß ums Herz. Ein abgerissener Zettel kam zum Vorschein. Jessy versuchte, die Schrift zu entziffern. In dunkelbrauner Farbe stand:
Großen Insel. Mach dort ein Picknick!
»Oh, was ist das?«, fragte sich Jessy,
und steckte den Zettel wieder in die Hosentasche.
»Eins, zwei, drei uuund los!«
Auf Kommando fing die Leichtathletikgruppe an zu sprinten. Conny hasste
diesen Lauf unsagbar. In ihren Augen war Sport Mord. Ihre Leidenschaft galt eindeutig dem Internet. Es begann vor drei Jahren, erinnerte sich Conny zurück. Damals waren sie noch in Riga. Ihr Onkel mütterlicherseits schenkte ihr zum 9. Geburtstag einen Computer. Die Eltern waren strikt dagegen und verfluchten den Onkel wer weiß, wohin, aber Conny liebte, den Computer über alles. Die Winter in Riga waren kalt und lang. Wenn man sich selbst eine Beschäftigung außer dem Fernsehen fand, konnte man sich glücklich sein schätzen. Conny übertrieb allerdings gerne und hielt ununterbrochen und stundenlang im Internet auf. Ihre Eltern ermahnten sie immer und immer wieder, dass das Leben außerhalb des Netzes auch noch existierte. Leider kam Conny von ihrer Sucht nach dem Internet nicht los, sodass ihr die Eltern ein Ultimatum stellten. Ab sofort musste sie in die Leichtathletik Jugendgruppe oder ihr Computer würde der Vergangenheit angehören. Seit dem musste sie zweimal in der Woche