Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms. Helmut H. Schulz

Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms - Helmut H. Schulz


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Agrippina den Tod an den Hals gewünscht hatte. Der Knabe Friedrich Wilhelm verbrachte einige seiner Kinderjahre zum Empfang der höheren Weihen feiner Lebensart an ihrem Hof, was genügt haben mag, um den kleinen Geizhals für alles Höhere untauglich zu machen. Da wir es mit Bildern haben, soll hier ein weiteres erwähnt werden, das unserer Frage nach Kinder- und Jugendbildern endlich einmal entgegenkommt, leider nicht sehr befriedigend. Ein Maler mit Namen Friedrich Wilhelm Weidemann hat den Kron- und Kurprinzen im Harnisch gemalt, und zwar in einem Alter von vielleicht zehn bis vierzehn Jahren, einen hübschen, etwas weibisch aufgefassten Knaben, großäugig und mit schwellenden Lippen in einem spitzovalem Gesicht. In den Jahren zwischen 1689 und 1693 wurde das Bürschlein wie gesagt in Hannover betreut. Sein Vetter Georg, der spätere englische König Georg II., war sein Spielgefährte und Prügelknabe, denn das Prinzchen zeigte im zarten Alter bereits eine ausgeprägte, von einer äffisch liebenden Großmutter kaum behinderte Sucht, diejenigen, die sich nicht wehren konnten oder späterhin wehren durften, bis aufs Blut zu peinigen. Diese Prachtausgabe von Oma war blind oder stellte sich blind und versorgte die europäischen Höfe mit der Auskunft, dass Wilhelm schon wie ein Dreißigjähriger zu reden verstehe, und wer wollte schließlich einen vorlauten Prinzenbengel zurechtweisen? Später bekam das Herrchen einen Hofmeister, den Grafen Dohna, als Gouverneur, einen Generalleutnant, was nur folgerichtig, denn seit dem Jahre 1694, ein Jahr vor der Berufung Dohnas zum Prinzenerzieher, befehligte der Kronprinz immerhin schon ein Regiment Soldaten, gewiss, symbolisch, aber selbst als solches vollständig blödsinnig. Gelernt hat Friedrich Wilhelm weiter nichts, wie man seinem Schreibstil und den Mitteilungen seiner zahlreichen Episteln und Befehle entnehmen kann. Ein wenig Neigung und vielleicht auch Talent zeigte sich zur Malerei. Im Jahre 1697 wurde ein Lehrer namens Jean Philipp de Rebeur engagiert, nach dem deutschen Pädagogen, eines Favoriten Danckelmann, eines unglücklichen Herrn mit Namen Cramer, der nicht viel auszurichten vermocht hat. Inzwischen war Friedrich Wilhelm zu einem solchen Ausbund an origineller Persönlichkeit gediehen, dass er nicht nur jeder Unterrichtung energischen Widerstand entgegensetzte, sich auf dem Boden wälzte, Geräte, Tische und Bänke zerschlug, sondern auch Rebeur mit dem Knüppel dermaßen regalierte, dass dessen Gesicht und Körper manches Mal in allen Farben schillerte. Als Material für seine Stöcke bevorzugte der junge Sadist Bambus und Buche. Zweimal wöchentlich musste dieser Mensch, der einmal König werden sollte, bei seiner Mama in Lietzenburg, Charlottenburg, ganz früher Lutzenburg, woraus die spöttische Großmutter Lustenburg gemacht hatte, antanzen und aus dem Telemach vorlesen. Das Machwerk von einem Schriftsteller namens Fenelon war hoch gefeiert und interessiert heute nur noch den Romanisten. Neben seinem auffallenden Sadismus - und der Kolporteur solcher Heldentaten muss sich keinen Verrenkungen hingeben wie dieser und jener Spezialhistoriker und darf die Dinge beim Namen nennen, ohne eine Karriere zu gefährden - fiel an diesem Bürschlein noch ein unglaublicher Geiz auf. In späteren Jahren hat die teure Mama nichts unversucht gelassen, die Sitten des Sohnes wenigstens so weit zu verbessern, dass er Beziehungen zu einer gebildeten Frau aus ihrem Hofkreise aufnehmen konnte.

      Allein, der Prinz lernte aus solchen Anstrengungen, dass alle Frauen Huren seien, so pflegte er sie jedenfalls als reifer Mann in der Regel öffentlich zu bezeichnen. Als König fuhr er eines Tages den Landrat Schomberg an, was er für eine Hure in seinem Wagen spazieren fahre. Es handelte sich um die hochgeborene Tochter des Obersten Derschau und Ehefrau Schombergs. Dieser Vorfall hat den Landesherren sicherlich hochbelustigt, weshalb man ja auch von einem königlichen Amüsement spricht. Um es vorwegzunehmen: in Kaiser Wilhelm II. hat dieser König einen ihn an Arroganz und Rüpelhaftigkeit noch übertreffenden Nachfahren gehabt.

      Zurück zum Prinzen Friedrich Wilhelm, wie wir ihn verlassen haben, bei den Krönungsfeierlichkeiten in Königsberg. Nach dem Festakt ließ man sich Zeit. Erst am 8. März des Jahres 1701 reiste der Hof in Richtung Berlin ab, mit allem Pomp, heißt es. In Wirklichkeit kehrte das Paar jedoch in aller Stille zurück ins Königsberger Schloss und trat erst später die Heimreise an, mit großen Umwegen über diese und jene seiner Städte. Endlich, am 6. Mai, durfte die Hauptstadt Berlin dem neugebackenen König und der Königin huldigen, was nicht wenig Aufwand erforderte. Auf dem heutigen Alexanderplatz - denkt daran, wenn ihr mal her- kommt, aber ihr müsst bald kommen, ehe Geniearchitekten und ehrgeizige Lokalpolitiker den Alex in ein Klein-Manhattan umgewandelt haben - waren sechs Triumphbögen aufgebaut worden, es läuteten alle Kirchenglocken Berlins, und um den Lärm womöglich noch zu erhöhen, mussten von den Stadtmauern, von der Marienkirche - es gibt sie noch, wer sie sucht - zuzüglich 200 auf Spreekähnen montierten Kanonen, die unablässig feuerten, Böller abgeschossen werden. Gesalbt wurde nicht noch einmal, selbst Pfaffen predigen nicht zweimal, aber es gab ein schönes Feuerwerk, natürlich. Nur waren die Feuerwerke jener Tage einfallsreiche Blitz und Krachmontagen, es wurden ganze Szenen gebaut und synchron abgefackelt. In diesem Falle konnte der Kronprinz in sein Dukatenbuch schreiben: Ew. Majestät wurde als der heimkehrende Jason dargestellt, ma tres chere Maman hingegen nicht im Feuer materialisiert. Das wäre auch nicht gut gegangen, aus ihr eine Medea zu machen, aber Ew. Majestät erließen den Befehl, die hiesige Georgenstraße mit dem Ochsenmarkt dahinter in Königstraße und das dazugehörige Georgstor in Königstor umzubenennen. Hol der Teufel die verdammte Königsmacherei, sie hat, wir schreiben es nochmals hin und uns hinter die Ohren, an die 6 Millionen Taler gekostet. Wird wohl eine erhebliche Krönungssteuer erlassen werden müssen, um das Spektakel zu bezahlen. Die Krönungssteuer wurde gegen den Einspruch Dunkelmanns erhoben, aber auch sonst war anscheinend der Katzenjammer groß. Während der Zeremonien soll Sophie Charlotte nicht nur sehr gelangweilt ausgesehen haben, was keinen verwundern darf, sondern auch noch auffallend viel Tabak geschnupft haben, so dass es ihr der König als ungehörig untersagen musste. Der Enkel, Friedericus Rex, nannte den ganzen Aufwand magnificience asiatic, und der damals schon greise Prinz Eugen, unbesiegt in siebenundzwanzig Schlachten, bemerkte, solche Ratgeber gehörten aufgehängt, die dem Kaiser den Unsinn des neuen Königtums eingeredet hätten. Begeistert hingegen war August von Sachsen. Die polnischen Stände protestierten erwartungsgemäß mit Nachdruck gegen den Krönungsort, und der Heilige Vater verwies darauf, dass Preußen erst durch Achilles zum Herzogtum gemacht worden war, noch dazu ein polnisches Lehnsgebiet sei. So betrachtet, war diese Königsmacherei ein absurder Jux. Allein, gegen Tatsachen helfen wie immer keine Argumente.

      Wollen sehen, hätte der Kronprinz in sein Dukatenbuch schreiben dürfen, wollen sehen, Herr Vater und Ew. Majestät, wir Ihr es schaffen werdet, Euch aus dem Krieg im Norden herauszuhalten, mit einer Handvoll schlecht oder gar nicht ausgebildeter Soldaten, und achttausend sollen ja überdies noch für den Kaiser aufgestellt und unterhalten werden und mit nichts als Schulden, Schulden ...

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