RUNNING. Lillie F. Leitner

RUNNING - Lillie F. Leitner


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klappt Michaela den Ordner zu.

      „Suse, muss ich mich jetzt wirklich damit befassen?“

      Suse steht vor ihr. Wie ein Schulmädchen tritt sie verlegen von einem Fuß auf den anderen. Sie macht ein zerknirschtes Gesicht, was Michaela ungehalten werden lässt.

      „Mensch, Suse! Kannst du nicht ein Mal was selbstständig erledigen?“

      Suse wird noch verlegener; sie guckt auf den Boden.

      Michaela lenkt geduldig ein: „Ich weiß, diese Buchhaltungssachen sind unangenehm, ich mag das auch nicht. Aber sieh mal, ich habe hier so viel Arbeit, und es kommt immer mehr! Wenn ich deine Arbeit auch noch mitmachen muss, was willst du ... Ich meine, was willst du dann noch tun?“

      Michaela beißt sich auf die Unterlippe. Eigentlich hatte sie fragen wollen, was Suse in dem Fall noch hier wolle − aber das wäre wohl doch zu weit gegangen. Sie war ja so schon völlig zerknirscht.

      „Ja, ich weiß aber nicht ...“, setzt Suse erneut an. „Ich meine, so ein großer Fehlbetrag! Und ich habe wirklich schon alles nachgerechnet, vier Mal! Da stimmt was nicht, es passt nicht!“

      Michaela nickt.

      „Was weiß denn ich, dann mach es passend! Dir wird schon was einfallen. Mein Gott, du bist doch so geschickt in sowas, letztes Mal hast du das auch hingekriegt, oder?“

      Suse nickt betreten.

      „Schon, aber es ist nicht richtig.“

      „Ach, weißt du ...“, seufzt Michaela, „was alles nicht richtig ist ... − Ich kann dir sagen, was nicht richtig ist. Es ist nicht richtig, uns so wenig Geld für unsere Arbeit zur Verfügung zu stellen! Uns für die viele gute Arbeit und all die Überstunden so schlecht zu bezahlen! Und uns dann auch noch kleinliche Abrechnungen aufzuzwingen! Das ist nicht richtig.“

      „Das stimmt!“ Suse nickt eifrig. „Das sehe ich auch so!“

      „Siehst du“, nickt Michaela beruhigend. „Dann sind wir uns ja einig. − Wie geht's übrigens zu Hause?“

      „Och, alles wie immer“, lässt Suse sich ablenken. „Die Kinder machen, was sie wollen. Ja − und mein Mann auch.“ Sie grinst schief. „Und was ist mit deinem Bruder? Wohnt der jetzt bei euch?“

      „Ja, so gut wie.“ Michaela seufzt erneut. „Ich weiß wirklich nicht, wohin das führen soll. Bis jetzt liegt er meistens im Bett, oder er sitzt herum. Spricht kein einziges Wort. Aber das ist ja nichts Neues.“

      „Isst er wenigstens was?“

      „Ja, ja, das ist alles normal. Trinkt nicht – Alkohol, meine ich. Offensichtlich geht es auch seinem Kopf wieder besser nach der Gehirnerschütterung − aber ansonsten Verweigerung auf der ganzen Linie. Zum Arzt geht er auch nicht.“

      „Meinst du nicht, dass sich das alles wieder normalisieren wird?“, fragt Suse und setzt sich auf dem Stuhl vor Michaelas Schreibtisch ganz vorn auf die Kante.

      „Ach, ich weiß nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der mal wieder irgendwo arbeiten geht, geschweige denn, dass er wieder als Wissenschaftler tätig wird. Was auch nicht schlimm ist. Aber man kann doch nicht den ganzen Tag nur in der Gegend herumsitzen und einfach gar nichts machen!“ Michaela guckt ratlos.

      „Ich bin sicher, er wird sich schon wieder einkriegen“, sagt Suse, allerdings mit wenig Überzeugung. „Vielleicht kannst du ihn dazu bringen, dass er hier und da was im Haus macht?“

      „Putzen, meinst du? Das macht doch alles David.“

      „Na, dann macht er eben mal nicht mehr alles. Oder was im Garten? Vielleicht habt ihr ja auch was zu reparieren?“

      Michaela nickt gedankenverloren.

      „Ja, vielleicht.“ Schließlich setzt sie entschlossener hinzu: „Ja, vielleicht ist das wirklich eine gute Idee.“

      Sie hebt den Kopf und sieht Suse in die Augen.

      „Suse, sind die Reisepässe jetzt endlich da?“

      „Nein, noch nicht. Aber er hat gesagt, in den nächsten Tagen!“

      „Meine Güte, wie lange dauert das denn noch?“ Michaela wirkt ungehalten.

      „Er hat gesagt, für die paar Piepen geht es eben nicht schneller.“

      „Und was ist, wenn wir sie brauchen? Wenn wir sie schnell brauchen? Was sollen wir dann machen?“

      Suse zuckt die Schultern. Schuldbewusst schaut sie zu Boden.

      „Verdammter Mist!“, flucht Michaela. „Wenn man nicht alles selber macht!“

      Abends sitzt Karl in der Küche am Tisch. Zu dritt haben sie gemeinsam gegessen; David hat sich bereits in sein Büro zurückgezogen.

      Michaela versorgt das Geschirr − ausnahmsweise mal einige Minuten lang schweigend. Über die Klappe des Geschirrspülers gebeugt, sortiert sie Teller und Besteck ein. Die Stille, allein durch das Scheppern der Teller gestört, bricht dieses Mal Karl. Er sagt ein einziges Wort: „Geld.“

      Selbst für ihn klingt es wie ein Pistolenschuss im leeren Raum − das Wort scheint von den Wänden widerzuhallen.

      Michaela ist so erschrocken, dass sie in ihrer gebeugten Haltung über der Klappe des Geschirrspülers starr verharrt und sich nicht aufzublicken traut.

      Karl glaubt, dass sie ihn nicht verstanden hat.

      Wenn einer, der so lange geschwiegen hat, plötzlich spricht, klingt das nicht besonders gesellschaftsfähig, das merkt er selbst. Es ist ein harter Ton gewesen, rau und heiser, viel zu laut für die Stille, in die er knallt.

      Gerade holt er Luft, um einen ganzen Satz zu versuchen, sodass sie verstehen kann, was er will.

      Da richtet sie sich auf, lässt alles stehen und liegen und setzt sich zu ihm an den Tisch.

      Das verblüfft ihn. Erstaunt hört er zu, wie sie sich zu verteidigen und zu rechtfertigen beginnt. Für einen Vorwurf, den er gar nicht gemacht hat, nicht mal machen wollte.

      Dem ganzen Gerede entnimmt er, dass sie kräftig abgezockt hat damals, als ihm alles egal geworden war. Ganz geschickt hatte sie das Geld für ihr neues Haus und für den dicken Mercedes von seinen Gewinnen abgezwackt, solche Bauernschläue hätte er ihr nicht zugetraut.

      Er hört ihr zu, das Gesicht unbeweglich, sein Körper eingefroren auf dem Stuhl. Ausdruckslos starrt er vor sich hin, bemüht, sie nicht anzuschauen, damit sie den Abscheu und Widerwillen in seinen Augen nicht sähe.

      „Und dir war doch sowieso alles egal“, ereifert sie sich, und schiebt ihm damit die Verantwortung für ihre eigene Raffgier mindestens zum Teil zu.

      „Wäre ich nicht gewesen, wäre dein Geld jetzt komplett weg“, setzt sie noch einen drauf.

      Er runzelt die Stirn. Was stellt die sich denn vor? Dass plötzlich das Erdreich unter dem Haus aufgerissen wäre und alles verschlungen hätte? Und dass sie das verhindert hätte? Grundbesitz und Geld verschwanden ja nicht so einfach, jedenfalls nicht, wenn man nicht gezielt nachhalf.

      Wie es aussieht, hatte Michaela vor über einem Jahr die Betreuung für seine finanziellen Verhältnisse übertragen bekommen. Das musste sie wohl eifrig betrieben haben; er selbst wäre auf die Idee bestimmt nicht gekommen.

      Und offensichtlich hatte er dem zugestimmt; dunkel erinnert er sich an viele Stunden auf einem Amt, umgeben von tausend Papieren. Ihm war das alles damals so egal gewesen, wahrscheinlich hätte er auch sein eigenes Todesurteil unterschrieben, wenn man ihn dafür aus diesem Raum heraus und in Frieden gelassen hätte.

      Mit seinem Einverständnis hatte sie die Pflicht übernommen, sein Vermögen vernünftig − also einigermaßen gewinnbringend, jedenfalls aber ohne Verluste − zu verwalten. Das hatte sie wohl auch getan.

      Und


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