Sechs Erzählungen. Helmut H. Schulz

Sechs Erzählungen - Helmut H. Schulz


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also meinem Mann, begleitet.

      «Entschuldigt», sagte Papa, «mit so einem Haus hat man mehr Ärger als Freude.»

      »Kann ich dir was helfen«, erbot sich mein Mann.

      »Ich bitte dich«, sagte Papa, »das wäre noch schöner, du bist mein Gast. Legt euch doch eine Platte auf, wir kommen sofort wieder rein.«

      Wir, mein Mann und ich, verschwanden erst mal von der Bildfläche. Die machen ein Trara um ihr Haus, dabei ist es ungemütlich und verbaut. Ich habe es am Nachmittag festgestellt, als uns Papa herumführte, vom Dach bis zum Keller. Wir fanden nicht mal einen Parkplatz, jetzt muß das Auto draußen auf der Straße stehen. Auch seine Garage hat Papa ungünstig angelegt.«

      »Falls Frank Geschmack hat«, sagte mein Mann, »dann erspart er uns dieses Wiedersehen.« Ich nahm erst mal eine Zigarette, mein Mann gab mir Feuer, sah mich aber nicht an. Ich kenne das. Wenn er verstimmt ist, bin ich Luft für ihn fehlte nicht viel, und er würde mich mit Sie ansprechen.

      Ich sehe gut aus, sehr gut, muß ich sagen, ich meine, für mein Alter. Meine Figur ist noch ausgezeichnet. Zu meinen dunklen Augen paßt ein grelles Rot auf meinen vollen Lippen. Auch mein Haar verträgt noch was. Selbst meine Kosmetikerin macht mir Komplimente, obwohl ich ahne, daß sie sich selber auf diese Weise herauszustreichen sucht. Meine Zähne sind nicht mehr ganz in Ordnung. Deshalb lache ich selten und gelte als ernste, zurückhaltende Frau von einem stillen Charme. Ich rauchte also und trank auf die Schnelle zwei Glas Bowle. Mein Mann spürt kein Verlangen mehr nach mir, aber ich weiß genau, daß er um andere, die weniger gut aussehen als ich, herumbalzt. Ich wollte ihn aufstacheln und sagte gelangweilt: »Sprichst du jetzt von Frankieboy?« Wir Studentinnen nannten Frank damals so. »Von wem sonst«, sagte mein Mann, »Frankieboy, wenn ich das schon höre«

      Mama und Papa kamen zurück, deshalb mußten wir uns zusammennehmen und das abgeklärte Ehepaar spielen. Ich hatte genug von der labbrigen Bowle und fragte, ob es nichts anderes zu trinken gebe. Papa öffnete daraufhin eine Flasche Weinbrand. Mama stellte ein Gerät auf den Tisch und setzte den Spiritusbrenner darunter in Gang. Papa erwärme Kognakschwenker über der bläulichen Flamme und goß Weinbrand ein. »Trinkt das mit Verstand«, sagte Mama nach diesem Zeremoniell Donnerwetter, die ließen alle Minen springen. Ich habe nichts gesagt, den Spaß machte ich ihnen nicht. Mama sagte denn auch: »Das hat Papa aus dem Ausland mitgebracht, probiert mal, das Aroma wird tatsächlich besser. Wißt ihr noch, wie wir früher Weinbrand getrunken haben? Halb kalt? Wir wußten es ja nicht besser, wir Kröten aus dem Hinterhof.« Napoleon, so hieß der Schnaps, schmeckte ausgezeichnet, ich trank vielleicht zwei, höchstens drei Glas. »Kommst du denn so oft ins Ausland«, fragte mein Mann Papa. »Hin und wieder. Wir verkaufen ja Chemieausrüstungen, du mußt eben einen Anlaß für eine Dienstreise finden«, sagte Papa. »Ihr bedient euch wohl selbst?«

      Hier zeigte es sich, daß wir ein bißchen den Anschluß verloren haben. Weiß der Teufel, wie Papa sich etabliert hat, uns stand so was nicht ins Haus. Wir kleben in unserer Farbenfabrik fest. Ich will ja nichts sagen, uns geht es gut. Wir wären auch dumm, würden wir die Annehmlichkeiten unserer Verträge mir nichts, dir nichts aufgeben, für eine ungewisse Zukunft hier in Berlin.

      Mein Mann erzählte dann ein paar lustige Schnurren von unserem Bau. Mit der Baugrube fing das Theater schon an, kein Betrieb wollte uns kurzfristig die Baugrube ausheben, aber man ist ja geeicht auf solche Pannen. Zufällig haben ein paar Leute an unserer Straße gebaut, unsere, das heißt, bei uns in Thüringen. Ich habe den Brigadier angesprochen, am Sonntag rückte die ganze Truppe an, zwei Stunden später hatten wir unsere Baugrube. So macht man das. Scheck wollten die Männer nicht. Die paar tausend Mark haben wir uns von den Nachbarn zusammengeborgt. Papa lachte Tränen, ich meine, so wie Papa kann kein Mensch lachen, so von Herzen, sein Lachen steckte uns an. Mit dem Napoleon stellte sich natürlich auch die Stimmung ein. Papa holte noch Wodka, aus dem Kühlschrank, eisgekühlt. Ich muß sagen, ich ziehe eisgekühlten Wodka vor, zumindest dem Kognak. Ist Geschmacksache, zugegeben.

      Mama legte eine Tanzplatte auf. »Kinder«, sagte sie, »das ist ja wie in den alten Tagen. Man müßte öfter zusammenkommen, nicht bloß alle zehn Jahre.«

      »Wenn unser Haus fertig ist«, sagte mein Mann, »dann sind wir an der Reihe.«

      Es war reichlich halb elf, als es draußen klingelte.

      Mama sprang sofort auf. Frank hatten wir fast vergessen. »Das ist er«, sagte Mama und ging nach draußen. Wir folgten ihr langsam in die Diele und sahen, wie Mama Frank umarmte. Wir waren genau in der richtigen Stimmung, ihn zu empfangen. Er war solo. Mein Mann drückte meinen Arm, ich machte mich natürlich los und trat auf Frank zu. Seine Lederjacke roch nach Schweiß und nach Chemikalien. Frank war überrascht, als er mich sah. Ich muß sagen, ich habe diese Überraschung auf seinem Gesicht genossen. Er zog mich an sich, legte mir auch den Arm um den Nacken. Einen zähen und starken Körper hat Frank immer gehabt, nicht fett und schwammig. Auch sonst, kein Bart, keine Dackelfrisur, alles wie früher, dichtes dunkles Haar, die eingeschlagene Nase, ein paar Wangenfalten, braun und gesund, wie aus dem Urlaub. Frank war früher Ringer, Leichtgewicht oder Bantam, ich kenne mich da nicht aus. Wir Studentinnen gingen jedenfalls gern zu den Wettkämpfen. Merkwürdiges Gefühl, dieses Ziehen im Leib, wenn unten auf der Matte die Muskeln explodierten, reden wir nicht davon.

      Natürlich war es Mama, die zuerst daran dachte, daß Frank nicht gegessen hatte. »Ich mach dir Würstchen heiß, mein Junge«, sagte sie, »willst du?«

      »Später, Karoline«, sagte Frank, großartig machte er das. Im Triumph führten wir ihn ins Zimmer, ließen ihn sich setzen. Ich muß noch erzählen, wie Frank meinen Mann und Papa begrüßte. Die Arme erhoben wie auf einem Siegerpodest nach einem Ringkampf, schnippte er mit den Fingern, na, ihr faulen Säcke? So mit der Haltung unser Mann aus, na, woher gleich? Ich weiß nicht.

      Mama nahm Franks braune kräftige Hände in die ihren, die ein bißchen verfettet waren. Frank kriegte das wieder richtig hin, ohne Mama zu verletzen. Er ließ ihr einen Augenblick lang seine Hände, dann fingerte er eine Zigarettenschachtel aus der Brusttasche seiner Lederjacke und steckte sich eine an. Er sah aus, als habe er sich Mama gedankenlos entzogen.

      Frank trug eine enge Hose, unter der Lederjacke ein buntes Hemd. Seine dunklen Schlitzaugen, mongolisch, funkelten, als er zur Begrüßung einen Wodka trank, wie ein Kutscher, Kopf nach hinten, zack. »Alle hast du wohl nicht zusammengekriegt«, fragte er Mama. »Nein«, sagte Mama, »ich wollte auch gar nicht alle hier haben, das Haus ist ja nicht groß.« Wir hechelten dann das Seminar durch. Viel kam dabei nicht raus. Papa sagte zu Frank: »Du siehst aus wie ein Räuber. Willst du dich frisch machen?«

      Da erst fiel uns der Gegensatz richtig auf. Wir trugen ja zur Feier des Tages unbequeme enge Kledaschen. Mich ärgerte, daß ich nicht auf den Putz gehauen hatte. Hosen stehen mir, offene Bluse, ich meine, oben die beiden ersten Knöpfe offen, kein BH natürlich. Ich kann es mir leisten, meine Brust ist noch straff, ich sage immer, tragen soll man, was einem steht. Haare hinten aufgebunden, Blusenärmel aufgekrempelt, Sandalen, rot bemalte Zehennägel, so hätte ich mich wohl gefühlt, wohler, meine ich. Die anderen hätten ruhig so bleiben können.

      «Ich komme gerade von der Schicht», sagte Frank, mein Frank, sein Lächeln war unverkennbar ironisch. Klar, er hätte mit zwei Griffen Papa an die Wand pfeffern können, von meinem Mann zu schweigen. Ich weiß nicht, was der neuerdings hat, dauernd schleppt er die Flasche mit dem Herztonikum herum. Wird nicht so schlimm sein, denke ich, er läßt sich in die Krankheit fallen. Franks Lächeln, ja, darüber waren mal alle Weiber unseres Seminars gestolpert, außer Mama, die in jedem jungen Mann ein zu bemutterndes Kind sieht und in jedem älteren eine Respektsperson. Wird auch ein gut Teil Heuchelei dabei sein, oder nein, nicht bei Mama, die ist so hausbacken. Sie ging damals auch schon mit Papa, gesucht und gefunden, das Seminar war da einer Meinung.

      Papa sagte: «Moment mal, wir haben deine Anschrift von Danzer bekommen, der hat aber nichts davon gesagt, daß du Betriebschemiker bist. Wie verhält sich das? Klär uns mal auf.» Ich hätte schreien können über die dämlichen Gesichter, aber ich hielt mich zurück, versteht sich. Eins muß ich sagen, als mein Frank mich damals sitzen ließ, als ich hinter seine Liebschaften kam, ich bin dicht dran gewesen, Schluß zu machen,


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