Die Methode Cortés. Klaus M. G. Giehl
Vater zu sein. Seinerzeit. Richard hatte seinen Vermittlungserfolg mit dem „genialen“ Verhandlungsgeschick begründet, das ihn auszeichne, was ich ihm aber nie so recht hatte abkaufen können. Ich hatte vermutet, er habe ein Druckmittel besessen, das Magnolia „gefügig“ gemacht habe. Richard hatte den Verdacht bestritten und mir war es dann egal gewesen, weil ich froh gewesen war, wieder mit meinen Kindern zusammen sein zu können.
Re–aktiviert hatte sich mein Verdacht und bis hin zu jener „Irritation“ gesteigert, als Richard mich im Juni 2006, kurz vor dem Tod meiner Mutter, gewarnt hatte, Magnolia plane eine Zwangsvollstreckung gegen mich, würde unsere Übereinkunft also brechen. Irritiert hatte mich schon, dass Richard die drohende Zwangsvollstreckung überhaupt hatte in Erfahrung bringen können. Und endgültig irritiert hatte mich, als Richard sich geweigert hatte, mir zu verraten, von wem er dies erfahren habe. Ich hatte ihm danach ein wenig misstraut ob dieser Geheimniskrämerei.
Dennoch war mir in dieser Zeit und auch später nie der Gedanke gekommen, er wolle mir schaden. Das war eindeutig gewesen: Wir hatten stets ein gutes Verhältnis miteinander gehabt und er hatte mir bei meinem „Unternehmen Smuk“ geholfen. Überhaupt hatte er immer geholfen, wenn es nötig und für ihn möglich gewesen war (ich erinnere nur an den Prozess um die dreißigtausend Euro, den mir mein Schwiegervater an den Hals gehängt hatte! [siehe Band I: „Bei Richards Chinesen“]). Aber damals, kurz vor dem Tod meiner Mutter, war ich irritiert gewesen. Geheimniskrämerei hatte ich noch nie gemocht und ich hatte das Gefühl nicht loswerden können, mein Onkel verschweige mir etwas.
Als Richard mich nun in St. Louis anrief, realisierte ich, dass es im Augenblick nicht angesagt war, ihm gegenüber Irritation zu empfinden. An diesem Tag war mein Onkel geknickt:
Acht Jahre zuvor war ein Prostatakarzinom bei ihm diagnostiziert und, allem Anschein nach, erfolgreich behandelt worden. In den letzten Monaten hatte er jedoch Beschwerden entwickelt und unmittelbar vor unserem Telefonat erfahren, dass der Krebs mit überall im Körper verstreuten Metastasen zurückgekommen sei. Richard berichtete gefasst, die Ärzte sähen keine Chance auf Heilung. Die gäben ihm noch ein, bestenfalls zwei Jahre. Deshalb wolle er mich zum Abschied noch einmal sehen. Idealerweise träfen wir uns bald.
Ich fragte Richard, wie er mit der Situation zurechtkomme. Er meinte, ihm gehe es momentan gut. Er könne eigentlich ein normales Leben führen und wolle die Zeit genießen, die er noch habe. Die bevorstehende Perspektive sei zwar nicht angenehm, aber er komme damit zurecht. Er habe das Leben in vollen Zügen genossen (ja, das wusste ich!) und sich insofern keine Versäumnisse vorzuwerfen (sich etwas vorzuwerfen war ohnehin nicht meines Onkels Sache!). Irgendwann sei die Aufführung eben vorbei. Dumm nur, dass das jetzt schon sei. Er habe nämlich noch einiges vorgehabt.
Ich schlug Richard vor, mich während meines Urlaubes auf La Graciosa zu besuchen. Wir könnten zusammen segeln. Richard war begeistert und sagte sofort zu.
Tags darauf rief er an, er habe für den 7. Oktober einen Flug gefunden und könne zwei Wochen bleiben. Ich freute mich auf unser Wiedersehen.
Mein Lebewohl von St. Louis war kurz. Ich hatte eine kleine Farewell Party mit Mu und einigen Bekannten, und ein Goodbye Dinner mit Ming Li und George. Ming Li kochte wieder. Zu diesem Anlass fragte sie mich im Übrigen nicht, ob ich mir die Sache nicht doch noch anders überlegen wolle.
Am 26. September ging mein Flug über Madrid nach Lanzarote. Mein Abflug in St. Louis hatte ein paar Minuten Verspätung. Ich saß im Flieger, betrachtete die Startbahn und musste daran denken, wie ich mich bei der Abfahrt von meiner Insel gewundert hatte, wann ich dort meinen ersten Urlaub machen könne. Noch nicht einmal sechs Monate hatte es gedauert!
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