Grundlegende Fragen spiritueller Sucher. Anton Weiß

Grundlegende Fragen spiritueller Sucher - Anton Weiß


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ist und eins ist mit dem Absoluten? Wenn es darum ginge, dann hätte das Absolute ja gar nicht aus sich herausgehen brauchen! Indem es sich aber in die Vielfalt begibt, will es sich an der Begegnung mit sich selbst in der Vielheit erfreuen – deshalb ist es notwendig, zu dem Bewusstsein zu kommen, dass jeder teilhat an dieser Einheit mit dem Absoluten, so dass das menschliche Dasein zur reinen Freude wird. Nur das kann ich als Sinn der Schöpfung ansehen. Und der Hinderungsgrund, dass sich die Menschen in Liebe und Freude begegnen ist die Absonderung im Ich, das seinen Ursprung vergessen hat. Und deshalb geht es um die Transzendierung dieses Ichs und nicht um eine Erleuchtung, die sich eins weiß mit dem Absoluten und dabei stehen bleibt. Die Überwindung des Ichs ist der Gradmesser für die Erleuchtung und nicht das selige, in sich ruhende Einssein mit dem All-Einen.

      Es ist ein großer Unterschied, ob ich sage, dass ich vom Selbst her lebe oder ob ich das Selbst erkenne. Ich kann kein Selbst erkennen, ich kann nur daraus leben bzw. es lebt durch mich, und das kann mir bewusst werden! Ich halte das nicht für eine Haarspalterei von Begriffen, sondern für einen fundamentalen Unterschied, ob ich ein Selbst erkenne oder ob mir bewusst wird, dass mein Leben von einer Tiefe getragen ist, über die ich überhaupt keine Aussage machen kann und wo es weder etwas zu erkennen noch etwas zu wissen gibt.

      Ich sehe mich nicht in der Lage, eine Aussage über das Jenseits des Ichs zu machen. Ich kann es als „innere Dimension“ (Sh 139) oder als „Dimension der Tiefe“ (Paul Tillich) bezeichnen, aber ich kann nichts darüber wissen und ich kann sie nicht erkennen. Ich kann nur damit eins sein und daraus leben. Und das ist die Situation, von der Paulus sagt: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Aber „Christus“ entzieht sich jeder Bestimmung und Eingrenzung. Es ist die Bezeichnung für etwas, was man nicht benennen kann und worüber man keine Aussage machen kann.

      Es ist nichts, was ich bewerkstelligen könnte, sondern es ist ein Geschehen, das sich ereignet, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Und das hat niemand in der Hand. Es hängt in keiner Weise von meinem Wollen und Bemühen ab! Und das ist keine niederschmetternde Nachricht, sondern eine zutiefst befreiende! Ich trage keine Verantwortung dafür und habe keine Schuld daran, wenn es sich noch nicht ereignet hat.

      Das wird wunderschön in folgender Darstellung von Ram Dass (in: Grof, Spirituelle Krisen) zum Ausdruck gebracht:

      Bitte sag mir, Freund, was ich tun kann mit dieser Welt, an der ich festhalte und die ich immer weiter spinne!

      Ich habe auf genähte Kleider verzichtet und eine einfache Kutte getragen, aber dann merkte ich eines Tages, dass sie aus wohlgewebtem Stoff war.

      Also kaufte ich Sackleinen, aber ich werfe es immer noch elegant über meine linke Schulter.

      Ich habe mein sexuelles Verlangen gezügelt, und stelle nun fest, dass ich wütend bin.

      Ich habe schwer daran gearbeitet, meine Gier aufzulösen, und nun bin ich stolz auf mich selbst.

      Wenn der Geist seine Verbindung zur Welt abbrechen will, hält er immer noch an einer Sache fest.

      Da antwortet Kabir: Höre, mein Freund, nur sehr wenige

      finden den Weg.

      Kaum eine Geschichte zeigt besser den Weg eines Ringenden im Ich, aus dem es keinen Ausweg gibt. Ob es geschieht, liegt in der Hand Gottes. Es ist eben das Ich, dass sich damit nicht zufrieden geben kann!

      Abschließend würde ich zwei grundverschiedene Auffassungen von Erleuchtung unterscheiden:

      Einmal Erleuchtung als Erlebnis der Einheit mit dem Absoluten;

      und zum anderen die Erkenntnis seines Ich-Seins. Diese Erkenntnis des Ich-Seins mag plötzlich erfolgen. Bei mir hat es sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Ob das ein beglückendes Erlebnis ist, wie es bei vielen dargestellt wird, möchte ich bezweifeln: Für mich war es die absolute Katastrophe. In jedem Fall beginnt damit erst der Weg. In diesem Verständnis ist Erleuchtung nicht das Ziel, sondern der Beginn eines neuen Lebens, an dessen Ende die Transzendierung des Ichs steht.

      2

      Was sind die Voraussetzungen, um zur Erleuchtung zu gelangen?

      Natürlich gehe ich wieder von mir aus und würde ein unbedingtes Verlangen nach dem, wovon in allen Religionen die Rede ist, als notwendige Voraussetzung für die Erleuchtung ansehen. Von Kindheit an war in mir der Wunsch, das zu erfahren, was Jesus mit „Reich Gottes“ bezeichnet, den Schatz zu finden, der im Acker vergraben ist oder die kostbare Perle, die ein Kaufmann entdeckt hat und alles verkauft, um diese eine Perle zu erwerben. Seit ich denken kann, lebte ich nach dem Satz: „Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch dazugegeben werden.“ Eine gleiche Grundhaltung sehe ich bei U. G. Krishnamurti, bei dem von Jugend auf die Suche nach „diesem Zustand“, von dem alle religiösen Menschen reden, mit dem er das bezeichnet, was ich mit „Reich Gottes“ meine, im Vordergrund stand.

      Ich denke, dass man ein faustisches Verlangen nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ in sich erleben muss. Und das ist kein Verdienst, das ist nichts, worauf man stolz sein könnte, sondern man findet sich so vor – jeder findet sich so vor, wie er ist, sobald sein Bewusstsein erwacht - und es bleibt das große Rätsel, warum der eine dieses Verlangen hat und ein anderer nicht. Es ist im Grunde die leidenschaftliche Suche nach der Wahrheit, der letzten Wahrheit des Daseins, die Frage nach dem Sinn – der Welt als solchem, warum überhaupt etwas ist und nicht nichts, und nach dem Sinn des eigenen Lebens -, was die Suche vorantreibt.

      Dennoch gibt es Fälle, wie z. B. bei Suzanne Segal, wo der Einbruch des Göttlichen stattfindet, ohne dass bewusst eine Suche danach vorgelegen hätte. (Dieses Beispiel aber gilt nur eingeschränkt, weil sie früher sehr wohl auf der Suche war!) Auch Liquorman sagt von sich, dass er nicht spirituell interessiert war (34). Gottes Wege sind eben unerforschlich und „Ausnahmen bestätigen die Regel“. Das zeigt natürlich letztlich ein Nicht-Wissen in Bezug auf die Frage nach den Voraussetzungen. Es ist ja nur ein Versuch, Gemeinsamkeiten zu finden bei denen, die zur Erleuchtung gekommen sind. Es ist sowieso klar, dass jeder Weg einmalig ist und in den Hintergründen letztlich für sich selbst und andere unverstehbar.

      Aber auch von Ram Dass wird die Vermutung geäußert, dass einem das Ziel ein unbedingtes Anliegen sein muss: „Wenn wir uns erst einmal dazu entschlossen haben, wirklich aufs Ganze zu gehen, wirklich nach der vollkommenen Wahrheit zu streben, wenn wir in unserem tiefsten Inneren davon angezogen werden und sagen: ‚Ich will nichts anderes. Ich möchte nur ans Ziel gelangen’“, dann gibt es auf dem Weg viele Wesen, die bereitstehen, „aber sie tun es nur, wenn wir es wollen. Unser Streben ruft ihre Hilfe hervor“ (58f).

      Für eine ganz wichtige Voraussetzung halte ich die Unzufriedenheit mit dem eigenen Zustand. Dieser Zustand ist begründet in der Tatsache des Ich-Seins mit seinen Begleiterscheinungen der Ängste, des Verlangens, der Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, den Wünschen, Hoffnungen und Erwartungen ans Leben. Und natürlich die Erfahrung, die sich im Laufe des Lebens einstellt, dass alle diese Wünsche nicht in Erfüllung gehen und man begreift, dass man schlichtweg an der falschen Stelle gesucht hat. Das halte ich für den Weg, der wohl von den meisten gegangen wird.

      Natürlich können auch tiefe Erschütterungen wie z. B. der Tod eines geliebten Menschen, das völlig überraschende Ereiltwerden von einer Depression oder Psychose oder das Abgleiten in eine Sucht Anlass dafür sein, nach etwas Ausschau zu halten, was nicht in dieser Welt zu finden ist. Ganz grundsätzlich kann die Begegnung mit dem Leid der Welt – wie es bei Buddha der Fall war - und die Frage nach dem Sinn dieses Leidens und des Lebens Anlass dafür sein, sich auf die spirituelle Suche zu machen.

      Bei Shankara (Sh 75) wird „die Fähigkeit, das intellektuelle, analytische, zweckorientierte Denken dann einzustellen, wenn wir es nicht brauchen“ als Voraussetzung angesehen. Wer aber das kann, ist bereits erleuchtet. Diese Fähigkeit schreibt sich U. G. Krishnamurti zu, nachdem er längst seine Kalamität hinter sich gelassen hatte.

      Dass sich das Denken


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