Maria-Magdalena. Gerd Bock

Maria-Magdalena - Gerd Bock


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Waldschlößchenbrücke mal fertig sein wird und ich und viele andere nicht einen Kilometer zum Parkplatz laufen müßten, dann ja. Und das geht nun schon einige Jahre so. Alles wegen der Spitzmaulnashörner – will sagen der Hufeisennasenfledermäuse. Die Brücke hatte schon vor 3 Jahren fertig sein können. Stimmt natürlich.

      Wie schön wird das Elbtal doch sein, mit dieser wunderbaren Brücke, diesem eleganten technischen Wunderwerk, auch und gerade ohne Weltkulturerbetitel. Ein doofes Wort, übrigens.

      Gegen das Blaue Wunder hat bisher, d. h. seit fast 120 Jahren auch noch keine UNESCO Einspruch eingelegt. Irgendwelche „Körnerfresser“ hatte wohl Wut auf die Waldschlößchenbrücke. Manche haben sich in einer alten Rotbuche oben am Waldschlößchen angekettet. Andere haben eimerweise Kies in die Getriebekästen von Baggern geschüttet – alles Hirnrißlinge, die man 3 Jahre in die Braunkohle schicken sollte, damit sie zu denken beginnen.

      Früher war der Slogan im Schwange:

      Hier macht jeder was er will und keiner was er soll und alle machen mit!

      Heutzutage ist dieser Spruch potenziert zu Gange. Das reimt sich sogar.

      Sie saß mir gegenüber in der Kneipe, das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, eigentlich unmodern, umwerfend hübsch anzusehen. Hab’ wahrscheinlich die Augen verdreht, vor Wonne. Ist was, ist Dir übel?

      Völlige Fehleinschätzung – ich möchte Dich küssen, so wohl ist mir. Sie, abwarten und Tee trinken.

      Unser ehemaliger Fuhrparkleiter, Erich Mühlberg war sein Name, sagte immer in kniffligen Situationen: Weiterfahren und beobachten. Friede seiner Asche.

      Wir fahren weiter und werden nicht nur beobachten, nein, auch im rechten Moment zufassen – hoffentlich. Dazu gehören immer Zwei.

      Ich wußte noch nicht, welche Art Doktorin sie ist. Glatt das Thema verfehlt. Abgelenkt durch ihre Schönheit und ihr Geschick, das Gespräch in die ihr genehmen Bahnen zu lenken.

      So fragte ich denn mit Elsa von Brabants Worten aus Lohengrin: … wess’ Art und Stamm bist du?

      Im Wagnerjahr ist es schon erlaubt, solche Fragen zu stellen.

      Es kam prompt mit Lohengrin zurück: … Nie sollst du mich befragen, noch Wissens Sorge tragen, wess’ Art und Stamm ich bin …

      Eigentlich wolltest Du doch wissen, was ich doktoriere, ja, ich bin Laborchemikerin in der Uniklinik – na prima, sagte ich.

      Dann sprach sie über ihre Arbeit, sprich ihren Job: Sehr interessant, manchmal auch traurig, wenn Analysen doch sicher auf Krebs deuten, prima Kollegen und -Innen. Kein Mobbing, keinen Knatsch, nur manchmal. Nun wußte ich alles.

      Was Art und Stamm anbelangten, sagte sie mir erst viel später.

      Es gab noch so viel zu erzählen. Erzählen zählt bei mir altem Kerl zu den sehr wichtigen Praktiken des Kontaktmachens, auch Kommunikation genannt, was eigentlich korrekt übersetzt ´sich vergemeinsamen´ heißt.

      Ja, Datensammlung nach Art des Hauses NSA in Gottes eigenem Land. Nur 18 Geheimdienste haben die dort. Vielleicht für jede Geheimniskategorie einen. Erich Mielke hätte von denen viel lernen können, sehr schade, nun ist alles zu spät. Ich weiche ab – wie so oft.

      Alter Kerl, das ist das Stichwort. Ich bin nur knappe 40 Jahre älter als diese junge Frau. Könnte gut meine Enkeltochter sein. Eine von denen wird im November 33. Fast bedeutungslos, möchte man meinen. Im Gegenteil, kreuzgefährliche Situation, wenn man bedenkt, was alles nicht mehr, oder nicht mehr so richtig, oder überhaupt nicht mehr geht. Ich muß mich davor hüten, mich durch unbedachten Quatsch lächerlich zu machen, das heißt mit anderen Worten, ihre Jugend und diesen Altersunterschied immer und über alle meine Träume und Wünsche hinweg respektieren. Auch wenn’s schwerfällt.

      Bock, reiß’ dich am Riemen! Soll heißen, alter Bock.

      Mir fiel eben wieder das noch ungelöste Problem ein, Bier - wo den Kopf hinlegen - oder nach Hause fahren. Es wird eine Lösung gefunden werden müssen, oder auch nicht. Das alles klingt sehr sophistisch, ja spitzfindig.

      Wir hatten einen hübschen Kneipennachmittag mit freundlichen Gesprächen, gutem Essen, sie Kalbsbraten mit böhmischen Knödeln und Bier, ich Roulade mit Rotkraut … und Bier.

      Später fuhr ich doch mit dem Auto nach Hause – besser so. Aber das Essen hat geschmeckt. Bestes Zeichen dafür, Essen ist doch die Sexualität des Alters – makabre Erkenntnis, aber so wahr, wie nur irgend etwas wahr sein kann. Gutes Essen hatte und hat für mich schon immer einen hohen Stellenwert, seit ich Magazinverwalter für Verpflegung bei der NVA war und das ist schon sehr, sehr lange her.

      4. Dienst … für Deutschland

      Hatten damals, 1956, die Regierungs-Fliegerstaffel ins Regiment bekommen. Das war nicht weit von Berlin-Schönefeld gelegen in einem ehemaligen, früher wie heute stark getarnten Raketentreibstoffwerk für die V1 und die V2 des Barons Wernher von Braun aus dem Warthegau, also in der Nähe von Posen. Hohe Kiefern wuchsen auf den meterdicken Betonflachdächern der Gebäude.

      Der damals jüngste Professor des Deutschen Reichs ist ja nun seit 1977 auch in höheren Gefilden zu Hause, hat aber zu Lebzeiten doch die gesamte US- Raumfahrt auf Vordermann gebracht und nicht nur die dickste Saturn 5 für die Mondlandung entwickelt, nein auch den Abstand zur UdSSR-Raumfahrt nach Möglichkeit verkleinert. Hat irgendwann auch mal seine Cousine geheiratet und mit ihr hübsche blonde Kinder gemacht.

      Die Fliegerstaffel hatte einen eigenen Koch und einen viel höheren Verpflegungssatz und ich mußte (gern) für diesen Koch mit einkaufen. Zygiel hieß er, ein Name polnischen Ursprungs und Feldwebel war er.

      Man kann sich leicht vorstellen, bald hatte auch ich inoffiziell den höheren Verpflegungssatz, gehörte ich doch nun quasi gleichsam zum Verpflegungsbodenpersonal der Regierungs-Staffel.

      Wie war es nur dazu gekommen, ich meine, ich in Wernher von Brauns ehemaliger Fabrik? Das muß irgendwie mit der NVA zusammen hängen:

      Am 24. Juli 1956 sind 22 Stück frisch gebackene Abiturienten aus der ganzen Republik im damals ersten und einzigen Nachrichtenregiment in der brandenburgischen Sand- und Kiefernwüste nahe Königswusterhausen angekommen (worden).

      Kam doch die Nationale Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik in Form eines Oberleutnants des Wehrkreiskommandos Saalfeld zu uns beiden Abiturienten, Bock und R.K. in die Freie Schulgemeinde Wickersdorf, wo wir beide gerade einen bezahlten Ferienjob als Nachtwächter für das Ferienlager ausführten und hat uns am 24.7.1956 höchstselbst ins Nachrichtenregiment des Ministeriums für Nationale Verteidigung, nach Niederlehme / Brandenburg gebracht, wo wir denn die beiden schönsten Jahre unseres bisherigen Lebens verbringen durften.

      In memoriam: 13 Jahre vorher, am gleichen Tage, war mein Vater in Rußland gefallen. „Für Führer, Volk und Vaterland“, schrieb man damals Millionen von Kriegerwitwen, auch meiner Mutter. Ich habe den Brief heute noch.

      Und neulich stand doch in der SZ, der oberste Landesrichter des Freistaates Sachsen hat einen Prozeß gegen den Neonazi Steffen Hupka niedergeschlagen, mit der Begründung, dessen Parole „Ruhm und Ehre der Waffen SS“ stehe nicht im Widerspruch zum Strafgesetz. Der Mann muß doch die Übersicht verloren haben!

      Wehret den Anfängen zu sagen, ist vielleicht schon viel zu spät. In der Weimarer Republik hat es genauso angefangen, wie es in der Berliner Republik angefangen hat. Es scheint, kaum jemand hat etwas aus der Geschichte gelernt.

      Dieser bedeutungsvolle Tag war wohl das Ende meiner Kindheit und Jugend, obwohl ich noch keine 18 war und meine Mutter ihre Einwilligung zu meinem „Waffengang“ geben mußte. Jetzt begann der Ernst des Lebens.

      Raus aus der behüteten Kindheit und Schulzeit, rein in das blödeste System der Verknechtung, das sich die Menschheit jemals ausgedacht hat: Armee!

      Doch halt, an meine


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