Der Schatten Deiner Seele. Hazel McNellis

Der Schatten Deiner Seele - Hazel McNellis


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derart emporhoben. »Sagt«, begann sie, »was könnt Ihr mir über die Kristallminen berichten?«

      Erstaunt sah er sie an. »Die Minen?«

      Sie nickte und beäugte derweil die Früchte seiner Auslage. »Ich hörte Gerüchte. Vielleicht wisst Ihr Näheres?«

      Der Mann zögerte und sein Blick huschte kurz über sie hinweg. Offenbar war er unsicher, was er ihr antworten sollte.

      Ariana griff nach einem Apfel. »Prinz Fionn wünscht, die Ansichten der Bürger zu erfahren, und hat mich geschickt. Ihr vertraut mir doch?« Sie sah dem Verkäufer direkt in die Augen, woraufhin er rasch seinen Blick auf den Apfel zwischen ihren Fingern senkte.

      »Natürlich, sehr wohl, werte Prinzessin«, erklärte er hastig und neigte das Haupt respektvoll. »Es heißt, die Kallràner wollen die Minen stürmen, wenn der König nicht einen Teil seiner Machtstellung abgibt. Sie sind ziemlich sauer. Dem Tratsch zufolge wachsen die Unruhen unter ihnen. Sie lehnen sich auf, versteht Ihr.«

      Ariana nickte, als erzähle er ihr nichts Neues. »Es ist ein Jammer, dass die Völker derart entzwei gespalten sind. Und alles wegen der Kristalle. Wirklich traurig.«

      Der Händler räusperte sich. »Euer Vater findet eine gerechte Lösung, davon sind wir hier überzeugt. Erst heute früh erfuhr ich, dass er sich mit Vertretern der Kallrànschen Regierung treffen wollte.«

      »Tatsächlich?«

      Er nickte. »So erzählt man es sich.«

      Das waren also die »Dringenden Angelegenheiten« von denen ihr Vater gesprochen hatte. Die Lage um die Minen musste schlimmer stehen, als sie vermutet hatte.

      »Mein Vater hält den Anspruch an einen Großteil der abgebauten Kristalle, ist es nicht so?«, meinte sie beiläufig und fischte in ihrer Tasche, um die Münzen für den Apfel hervorzuholen. In der Zwischenzeit hüstelte der Verkäufer vernehmlich, was sie aufblicken ließ.

      »Bitte, Prinzessin«, murmelte er mit einem schockierten Blick auf ihre Tasche. »Bitte, behaltet die Münzen. Ich schenke Euch das Obst.«

      Sie lächelte und hielt ihm das Geld hin. »Es ist mein Dank für den Apfel und die Informationen.«

      Zögernd nahm er das Geld entgegen und räusperte sich. »Euer Vater besitzt mehr als die Hälfte der Kristallausbeute. Den Rest beanspruchen der König von Farnàl und sein Thronerbe. Für die Kallràner bleibt demnach nicht viel, heißt es.« Er schnaubte. »Sie verweigern sich den Fakten, wenn Ihr meine Meinung hören wollt.«

      »Was meint Ihr damit?«, fragte Ariana.

      »Na, die Tatsache, dass die Minen zu einem beträchtlichen Teil auf den Gebieten von Farnàl und Tarnàl liegen. Für die Kallràner ist das mitsamt der Kristallverteilung ungerecht. Sie wollen das nicht. Dabei entspricht die Vergabe lediglich dem Minenanteil auf ihrem Herrschaftsgebiet. So unfair ist das Ganze also gar nicht, wenn Ihr mich fragt.«

      Ariana nickte. Sie konnte ihren Unmut schwer nachvollziehen. Ihr erschien die Verteilung der einzigen wirklichen Wertgüter ebenso gerecht, wenn es stimmte, was der Verkäufer ihr erzählte. Gleichzeitig war klar, dass die Macht nun einmal bei demjenigen lag, der den größten Anteil besaß. Es war eine Frage von Mehrheiten. Sorge bereitete ihr, dass die Kallràner offenbar den Aufstand planten. Was wollte ihr Vater dagegen unternehmen? Wie würde dieses Treffen heute ausgehen?

      Sie wusste nichts über die Zustände innerhalb der Minen. Wie konnte sie sich als Prinzessin ein Urteil erlauben? In ihrer Rolle stand es ihr nicht zu, politische Diskussionen zu führen. Ein Gespräch mit ihrem Vater kam ihr in den Sinn. Es lag bereits einige Wochen zurück und hatte Fionns Strafe zum Thema gehabt. Ihr Vater meinte, sie müsse lernen, Urteile zu fällen, wenn sie eines Tages Thronerbin sein wollte.

      Abrupt erstarrte sie. Ihr kam ein Gedanke. Noch während sie darüber nachdachte, stiegen ihre Augenbrauen in die Höhe. Die Idee war so fundamental, dass sie einen überaus langen Moment innehielt. Sie kostete den Augenblick des Geistesblitzes aus. Zugleich fragte sie sich, wie Fionn oder sein Vater ihr Vorhaben auffassen würden. Keine Frau aus dem Königshaus hatte es zuvor je gewagt. Bei dem Gedanken gefror ihr das Lächeln im Gesicht. Fionn wäre sicher nicht begeistert davon. Sie seufzte. Dann blinzelte sie und schenkte dem Verkäufer ein letztes Lächeln.

      »Ich danke Euch«, sagte sie und verabschiedete sich von ihm.

      Sie schlenderte danach erst durch die Straßen der Stadt und führte das Pferd am Zügel hinter sich. Dabei betrachtete sie mit stiller Freude die Händler mit ihrem Gemüse, Gebäck und all den feinen Stoffen. Bald schon musste sie aber in den Sattel steigen, weil sich die Menschen zunehmend um sie scharten.

      Die Bewohner blickten sie freudestrahlend an. Kinder klammerten sich mit weit geöffneten Augen an die Schürzen ihrer Mütter. Die euphorische Stimmung in den Straßen war ansteckend. Sie füllte die Luft und zauberte ein Lächeln in die müden Gesichter.

      Ein Junge rannte durch die Gassen und rief lautstark »Sie kommt!«, sodass es alle hören mussten. Vereinzelt blieben die Leute stehen, um dem Kind kopfschüttelnd nachzusehen.

      Ein Mann, der einen Hütehund an der Leine hielt, hob die andere Hand zum Mund und bildete einen Trichter. »Wer denn?«, rief er dem Jungen hinterher. »Wer kommt?«

      »Die Prinzessin«, schrie das Kind zurück, warf einen Blick über die Schulter, grinste und deutete in Arianas Richtung. »Seht doch!« Auf einem wunderschönen Pferd kommt sie.«

      Die Menge lachte. Ein Teil der Leute nahm seinen Betrieb wieder auf. Der andere, weitaus größere Anteil sammelte sich um Ariana. Jeder wollte sie berühren, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sich eine Winzigkeit lang in ihrem Ansehen sonnen.

      Ihr Blick wanderte über die Menge. Ein Mann am äußeren Rand zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er tat nichts, stand nur so da und lehnte an der Ecke zu einem Haus. Dennoch fiel es ihr schwer, wegzusehen. In ihrem Magen flog ein Schwarm Schmetterlinge auf. Ihr Herz klopfte schneller bei seinem Anblick und sämtliche Muskeln ihres Körpers spannten sich an.

      Die Hoffnung lauerte unter der Oberfläche ihrer vagen Gedanken. Die Emotionen kochten in ihr hoch.

      Hastig sah sie fort. Doch es war schon zu spät. Ihre unlogischen Gefühle bemächtigten sich ihrer Gedanken, lenkten ihre Blicke immer wieder zu ihm hin. Er trug einfache Kleidung, die ihm nicht richtig passte. Seine blonden Haare reichten ihm vorne bis zum Kinn, während sie hinten gekürzt waren. Er hatte die Augenbrauen grimmig zusammengezogen, sodass sich eine ernste Runzel zwischen ihnen abzeichnete. Anders als die Bürger in diesem Land waren es seine Augen, die sie im Bann hielten.

      Sie waren nicht blau, sondern dunkel, fast schwarz.

      Geistesabwesend tätschelte sie den Hals des Pferdes, das ihre Nervosität spürte und unter ihr tänzelte. Wer war dieser Mann?

      In dem Moment stieß er sich von der Hauswand ab und kam auf sie zu. Ihr stockte der Atem, als sie seine Bewegungen verfolgte, die ihr doch so vertraut erschienen. Er schob sich an Personen vorbei, beachtete ihr Murren und Schimpfen gar nicht. Stattdessen starrte er Ariana unverwandt an.

      Er kam dicht neben ihrem Pferd zum Stehen. Aus der Nähe betrachtet erschien ihr das Gefühl der Vertrautheit noch auffälliger. Da war dieser Zug um die vollen Lippen, bei denen die untere etwas fülliger war als die obere. Dieser Blick aus seinen Augen. Die darin verborgene Ernsthaftigkeit zusammen mit einem Ausdruck, der ihn unweigerlich von den einfachen Bürgern unterschied.

      Er musterte sie ebenso wie sie ihn. Sein Blick glitt an ihrem purpurnen Kleid hoch, runter und wieder zurück zu ihrem Gesicht. In seinen Augen ruhte eine tiefe Erkenntnis, die sie erschütterte.

      Sie war unfähig, ein Wort hervorzubringen, etwas zu ihm zu sagen und diesen Moment aufzuklären. Seine Augen waren schwarz wie die dunkelste Nacht, die aufsteigende Finsternis in Kierans Reich. Zitternd sog sie den Atem in ihre Lungen. Ihre Finger krampften sich um die Zügel zusammen. Das Pferd schnaubte und schüttelte den Kopf.

      »He«, meinte plötzlich eine Stimme neben dem Mann. »Lass der Prinzessin Platz!« Schon schubste er ihn zur Seite, woraufhin die Menge ihn verschluckte.

      War er es?

      Es


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