Der Schatten Deiner Seele. Hazel McNellis

Der Schatten Deiner Seele - Hazel McNellis


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heiße und trockene Wüstenwind wirbelte Sand auf, der Kieran in Nase, Ohren und Augen drang. Jeder Atemzug ließ ihn röchelnd husten. Gebeugt stand er da, nach Atem ringend. In was für einer Hölle war er gelandet?

      Die Natur bestand aus feinem, cremefarbenem Sand, trockenem Wind und flirrender Hitze. Die Sonnenstrahlen brannten auf seiner Haut.

      Er spuckte die letzten Sandkörner auf den nachgiebigen Boden. Der Schweiß, fremd und unnatürlich, rann ihm unangenehm über den Körper. Sein Leib kannte solch menschliche Absonderungen nicht. Ein Dunkelelf schwitzte nicht. Niemals. Schwitzen war für Mindere.

      Die Erinnerung an Ariana flammte in seinem Gedächtnis auf. Sie schmerzte mehr als die sengenden Sonnenstrahlen. Das Menschenmädchen war unvermittelt in sein Reich gestürzt. Dabei war sie für sein Volk bloß eine Sklavin ohne jeden Wert gewesen. Nur er, der Elfenkönig persönlich, hatte sein Herz an die Menschenprinzessin verloren.

      Ihm lag ein Fluch auf den ausgedörrten, rissigen Lippen. Sein verräterisches Herz klopfte kraftvoll und stetig hinter seinen Rippen. Es war eine beständige Erinnerung daran, was die Prinzessin in ihm angerichtet hatte.

      Er kniff die Augen gegen den nahenden Sandsturm zusammen und wandte den Blick nordwärts. In der Ferne erkannte die kantigen Umrisse eines schroffen Gebirges. Vielleicht irrte er. Vielleicht gab es dort aber doch so etwas wie eine Zivilisation oder zumindest eine Quelle, von der er trinken konnte. In jedem Fall fände er Schatten und das schien ihm aktuell verlockend genug.

      Hier in der endlosen Wüste begegnete ihm niemand. Egal, in welche Richtung er sich wandte, der Sand war allgegenwärtig.

      Kieran sog rau die Luft ein. Jeder Atemzug sandte ein loderndes Feuer durch seinen Hals. Die Lippen, Kehle und sein ganzer Körper vertrockneten von Minute zu Minute mehr.

      Schlurfend schob er den Sand vor sich her. Längst hatte er die Stiefel ausziehen müssen. Das Leder war mit jedem Schritt auf dem glühenden Wüstenboden geschmolzen. Es hatte sich zuletzt bis in die Haut gebrannt. Ein Blick zurück zeigte ihm die rotbraune Spur, die er hinterließ, ehe neue Sandkörner sie verbargen.

      Seine Fußsohlen waren wund und verbrannt. Trotzdem gab er nicht auf. Denn er wollte in dieser Hölle keinen jämmerlichen Tod sterben. Er gehörte woanders hin. An einen anderen Ort, in eine andere Welt.

      Unter normalen Umständen hätte er verhindert, dass irgendwer in Kontakt mit seinem Blut geriet. Elfenblut war besonders. Es wäre ein Schatz für jeden, der nicht dem Elfenvolk angehörte. Die Gabe, die in ihm schlummerte, war nicht für Normalsterbliche bestimmt. Er erinnerte sich gut daran, wie er es zuletzt eingesetzt hatte. Mit welcher Wucht die Emotionen bei Arianas Heilung ihn überrannt hatten. Es war eine Ironie, dass die Macht der Gene nicht seiner eigenen Genesung dienten. Hier draußen, mitten im glühend heißen Nirgendwo, kümmerte niemanden das Blut des Elfenkönigs. Es war genauso bedeutungslos wie all die Minderen, die im Elfenreich als Sklaven schufteten.

      Kieran legte sich seinen Umhang um den Kopf und die Schultern. Sein Schädel glühte erdrückend vor Hitze.

      Den Gedanken an jenes Wesen, das ihn überhaupt erst an diesen Ort der Verdammnis geschickt hatte, vermied er. Der Knochenmann spielte ein übles Spiel mit ihm. Es war erschreckend genug, dass das Schattenwesen ihn hierher vertrieben hatte. Aber das Schattenreich bedrohte ungehindert das Elfenreich und die ganze Welt drumherum. Darüber wollte Kieran in dieser sengenden Ödnis am liebsten nicht nachgrübeln.

      Seine Beine knickten wie kraftlose Zweige im Wind ein. Er stolperte, stürzte in den Sand und rutschte eine kurze Düne hinab. Ein brennender Schmerz fegte durch seinen Körper, kaum dass die Handflächen den weichen Boden berührten. Stöhnend rappelte er sich auf. Um ihn herum wuchs der Sturm zu einem Tosen heran. Aber die schwächlichen Tränen in den Augenwinkeln entstammten weniger dem beißenden Wind. Vielmehr rührten sie von der wachsenden Frustration und schwelenden Verzweiflung in seiner Seele. Wäre er ein Mensch, würde er den Emotionen bereitwillig nachgeben und die bitteren Tränen vergießen. Aber so war es nicht. Er war ein Dunkelelf. Und als solcher wollte er verdammt sein, wenn die Heulerei ihn überwältigte. Erst recht, da er Elfenkönig war und ein ganzes garstiges Volk unter sich einte. Dunkelelfen bewahrten sich ihre Würde, den Stolz. Sie gaben sich keine Blöße und zeigten keine Schwäche. Niemals.

      Kieran schnaubte.

      Hier war keine Elfenseele.

      Kein Mensch, kein Dunkelelf, kein Tod.

      Dennoch drängte er die Tränen zurück in sein Innerstes und stolperte weiter. Dabei starrte er unentwegt auf seine geschundenen Füße. Nur gelegentlich brachte er die Energie auf und hob den Kopf, um die Felsformation nicht aus den Augen zu verlieren. Sobald er die Felsen erreicht hätte, würde es neue Hoffnung geben, daran klammerte er sich.

      Eine Ewigkeit verging, in der ihn nur der nachlassende Wind begleitete. Da kreuzten Schatten sein Blickfeld. Sie färbten den Sand vor ihm dunkelbraun. Kieran hielt inne und hob benommen den Kopf. Ihm schwindelte. Der Horizont verschob sich kurz vor seinen Augen. Er runzelte die Stirn. Halluzinierte er?

      Vor ihm standen vier Gestalten: drei Männer und eine Frau. Menschen? Ihre Iriden funkelten wie schwarzer Onyx. Sie musterten ihn argwöhnisch. Ihre sandfarbenen Umhänge schleiften über den Boden und schienen eine Einheit mit dem Sand einzugehen. Im Gegensatz zur Prinzessin schimmerte die Haut ihrer Gesichter in einem sonnengebräunten Hautton. Er war ihnen mit seiner eigenen, gebräunten Hautfarbe nicht unähnlich.

      In ihren Mienen las er Überraschung heraus. Wer rechnete schon damit, auch nur einer Seele inmitten von Sand zu begegnen?

      Kieran kümmerte nicht, wie sie ihn ansahen, solange sie ihm etwas von ihrem Wasser gaben. Längst hatte er die ledernen Wasserflaschen an ihren Gürteln entdeckt. Jeder trug eine. Sie sahen prall gefüllt aus. Er leckte sich über die rissigen und schmerzenden Lippen. Den Schmerz, den die Berührung auf der Haut auslöste, bemerkte er kaum noch. Seine Zunge war geschwollen und schwerfällig.

      Einer der Männer versetzte der Frau einen Stoß mit dem Ellenbogen. Als diese keine Reaktion zeigte, nestelte der Mann murmelnd am eigenen Umhang. Dann trat er vor. In der Hand hielt er einen Wasserbeutel.

      Kieran entriss ihm den Beutel, setzte ihn gierig an die Lippen und schluckte. Glück strömte durch seine Adern. Die ersten Schlucke schmerzten in seiner rauen, ausgedörrten Kehle, ehe das Brennen nachließ.

      Er verdurstete nicht.

      Er würde leben.

      Nur das zählte.

      Das Wasser rann ihm mit wohltuender Frische an den Mundwinkeln vorbei und den Hals hinab, wo es zügig verdunstete.

      Die Frau sagte etwas, doch er hörte es nicht. Er wollte es gar nicht hören. Der Durst überwältigte ihn.

      Da entriss ihm der Fremde wütend rufend die Wasserflasche. Kieran ballte instinktiv die Hände. Er musste nicht erst darüber nachdenken. Die Kampfhaltung war ihm in all den Jahrhunderten in Fleisch und Blut übergegangen, ein Brandmal seiner Seele. Als er die Fäuste herausfordernd hob, schauten die Fremden verblüfft.

      Er könnte das Wasser stehlen, schoss es ihm durch die Gedanken. Es ihnen rauben wie ein jämmerlicher Dieb. Ein Minderer. Der Vergleich rührte etwas in ihm. Nur langsam löste er die Haltung wieder auf.

      »Wer seid ihr?«, fragte er. Jedes Wort schmerzte. Es kratzte heftig im Hals, sodass er hustete, was weitere Schmerzen zur Folge hatte.

      Die Leute murmelten einander seltsame Silben zu. Er verstand sie nicht. Da wandte sich einer ihm zu, bereit zu reden.

      »Wanderer.«

      Der einzelne Begriff glitt weich wie Samt über die Lippen des Nomaden.

      »Was soll das heißen?«, fragte Kieran. Der Kerl sprach erneut mit den anderen und übersetzte seine Worte. »Ich danke euch für das Wasser«, schob Kieran nach, als die Antwort ausblieb. Die Leute nickten.

      »Tot, wenn du bleibst«, meinte der Mann und taxierte ihn beiläufig von oben bis unten. »Wir können helfen. Wir haben Kleidung. Wasser. Essen. Du hast nichts. Du stirbst.«

      Skeptisch zögerte Kieran. »Ich kann euch aber nicht bezahlen«, wandte er ein.

      »Wir


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