Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
Ampfing seinen hohen Gefangenen, Friedrich den
Schönen, nach Regensburg führte und durch das
grüne Waldthal an der Vils, bei Görzen, im schlechten
Wege ritt, stürzte urplötzlich das Roß unter ihm
zusammen und konnte durch kein Mittel wieder emporgebracht
werden, ja selbst der Reiter saß vor
Schrecken ganz betäubt auf dem gestürzten Rosse wie
angeheftet. Da meinte der edle Marschalk, nun Stallmeister
des Königs, Parzival von Sporneck, das sei
ein deutliches Zeichen von Oben, wie Ludwig der
himmlischen Frau noch Dank schulde, dieweilen sie
ihn im Gewühl der Schlacht mit ihrem Schilde gedekket.
Solche Vermahnung ward von dem Sieger mit
Dank angenommen und das Gelübde gethan, an dem
Orte des Unfalles der lieben Frau ein schönes Betkirchlein
aufzurichten. Alsobald soll sich des Königs
Roß ermannt und freudig wiehernd aufgesprungen
sein. Ludwig erbaute das Kirchlein und schenkte das
edle Roß sammt herrlichem Sattel und Zeug zur neuen
Kapelle, welche davon den Namen Sattlern empfing.
83. Der Natternberg.
Mündlich.
Deggendorf genüber am rechten Ufer der Donau erhebt
sich der Natternberg, auf dessen Gipfel noch die
Trümmer eines Schlosses, des Grafen von Bogen, stehen,
in welchem Herzog Heinrich der jüngere von
Landshut, genannt der Natternberger, erzogen ward.
Wie dieser seltsame Felsen mitten in die Donauebene
gekommen, weiß die lebendige Volkssage zu berichten.
Die Deggendorfer waren vor Zeiten ein braves,
gottesfürchtiges Völklein, daran der Teufel, wie natürlich,
kein Wohlgefallen fand. Schon lange war er
bemüht, denselben einen recht boshaften Streich zu
spielen. Da fand er im Land Italia einen gewaltigen
Felsblock, gerade hoch und breit genug, um einen
Strom wie die Donau zu stemmen und ihm ein anderes
Rinnsal anzuweisen. Also faßte er das schöne
Felsstück und trug es in raschem Fluge durch die
Lüfte bis in die Gegend, wo Deggendorf liegt. Schon
freute er sich in Gedanken, den Berg in die Donau zu
schleudern und das fromme Deggendorf durch Ueberschwemmung
zu vertilgen: da klang urplötzlich das
Aveglöcklein vom nahen Kloster zu Metten herüber,
und in demselben Augenblick ließ der Böse den Fel-
sen wie gelähmt in's flache Land an der Donau fallen.
Und daß diese Geschichte sich also wahrhaftig zugetragen,
beweiset der Natternberg, welcher noch heutiges
Tags an derselben Stelle ruht.
84. Die Braut von Fürstenstein.
Von A d a l b e r t M ü l l e r . – F ü r s t e n s t e i n ,
Schloß im Bayerwalde, Ldg. P a s s a u .
»Wohin, wie die Windsbraut, mein edler Herr!
Wohin im Hochzeitgewand?
Es blutet der Sporn, es schäumt die Mähr', –
Es glüht unter'm Hufe der Sand.«
So sprach zum Junker von Falkenau
Ein Frauenbild wohlgethan;
Die Fremde saß früh im Morgengrau
Am Hochgerichte und spann.
»Ich reit fürbaß gen Fürstenstein,
Zum Schlosse, wohl stattlich erbaut;
Die Fahrt ist eilig, es wartet mein
Mit Sehnsucht die herzliebe Braut.«
»Ach, guter Ritter! Jetzt ist nicht Einst –
Aus Rosen weht Leichenduft;
Die du in's Brautbett zu führen meinst,
Sie schlummert in modriger Gruft.«
»Ha Natter! den Stich bezahlst du zur Stund;
Nicht straflos sagst du mir Spott;
Erst gestern küßt' ich Süßliebchens Mund,
So warm und so purpurroth.«
Er rief's und zuckte das scharfe Schwert,
Und hieb mit Zornesgewalt –
Doch spurlos, wie duftigen Nebel, durchfährt
Das Erz die Frauengestalt.
Da bäumt sich der Rappe von Geisternäh'
Und stürzt mit dem Reiter thalab;
Dem Armen wird es um's Herz so weh:
»Ach Liebchen! so lägst du im Grab?«
Es flattert im Winde sein blondes Haar,
Sein Busen athmet mit Noth;
Er klagt und seufzet wohl immerdar:
»O weh mir! ist Liebchen todt?«
Und als die Sonne zu Rüste ging,
Beschien sie des Fürstensteins Thurm;
Vom Giebel ein schwarzes Fähnlein hing,
Drin sauste gar traurig der Sturm.
Die Sterbeglocke klang dumpf an's Ohr,
Sie klang sonder Unterlaß –
Drauf sprengte ein Rappe herein zum Thor –
Im Sattel kein Ritter saß.
85. Schneiderburg.
Von A.v. P l a t e n . – Schneiderburg oder
K r e m p e n s t e i n auf österr. Boden, doch ganz nahe
P a s s a u am rechten Donauufer. Auch von J . N .
V o g l besungen.
Ein Schneider flink mit der Ziege sein
Behauste den Krempenstein,
Sah oft von der felsigen Schwelle
Hinab zu der Donauwelle,
In reißenden Strudel hinein.
So saß er oft und so sang er dabei:
Wie leb' ich sorgenfrei!
Meine Ziege die nährt und letzt mich,
Manch' Liedchen klingt und ergötzt mich,
Fährt unten ein Schiffer vorbei!
Doch ach, die Ziege, sie starb und ihr
Rief er nach: Wehe mir!
So wirst du mich nicht mehr laben,
So muß ich dich hier begraben;
Im Bette der Donau hier?
Doch als er sie schleudern will hinein,
Verwickelt, o Todespein!
Ihr Horn sich ihm in die Kleider;
Nun liegen Zieg' und Schneider
Tief unter dem Krempenstein.
86. Handlab.
H a n d l a b Wallfahrtskirche, 11/2 Stunde von