Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
Weiches Moos zum Pfühle schwellt.
Und am deutschen Eichenbaume
Schlummernd Deutschlands König ruht
Dessen Seele bald im Traume
Wunderbares kund sich thut:
Vor ihm liegt die öde Wildniß
Die er wachend kaum durchschritt,
Aber schnell ein andres Bildniß
An die düstre Stelle tritt.
Licht wird Alles rings und helle,
Freundlich mild der Himmel blaut,
Und vom Berge die Kapelle
In die Ebne niederschaut.
Felder wogenden Getreides
Sieht sein froher Blick zumal
Und als Gürtelband, als breites,
Zieht die Wiese sich durch's Thal.
Menschenreiche Städte schweben
Jetzt an seinem Aug' vorbei
Stille Dörfer sich erheben
Aus der alten Wüstenei.
Doch vom schönen Traumgesichte
Ist der König bald erwacht,
Und ihn deckt dieselbe dichte
Wildverwachs'ne Waldesnacht.
Was er sah im Traumgebilde
Dünkt ihm höhrer Deutung voll:
Daß zur Wandlung der Gefilde
Er nach Kräften wirken soll.
Und die schönste seiner Pflichten
Wird dem Fürstenherzen klar,
Daß mit muth'ger Hand er lichten
Soll, was finstre Wildniß war.
Da in jenen frömmern Zeiten
Nur das Kreuz als Führer galt
Um zum Licht emporzuleiten
Was in Finsterniß gewallt;
Darum an derselben Stelle
Hat der König aufgebaut
Eine heilige Kapelle
Wie er sie im Traum geschaut.
Und nun ist nach langen Jahren
Schier der ganze Traum erfüllt,
Eine Stadt kann man gewahren
Dörfer sind dem Aug' enthüllt.
Doch wo einst in frühern Tagen
Segnend die Kapelle stand
Sieht man eine Feste ragen
Weithinaus in's Frankenland.
130. Marienburg.
Bei Abenberg. – Falkenstein Hochst. Eichstädt II.,
377. Brunner ann. Boic III., 78. Vat. Mag. II., 71.
Stilla, Rapoto und Konrad, drei Kinder des edlen
Grafen Wolfram II. von Abenberg, hatten jedes einen
Wunsch. Erstere, daß die Kapelle, welche sie unfern
Abenberg bauen ließ, und Letztere, daß das Kloster in
Heilsbrunn, welches sie stiften halfen, bald vollendet
dastehen möchte. Im Jahr 1152 wurde der Bau dieses
Klosters beendigt und schon ein Jahr früher stand
Stilla's Kapelle. Bischof Otto von Bamberg (aus dem
Hause der Grafen von Andechs) weihete letztere zur
Ehre St. Peters und erhielt von Stilla das Versprechen
ewiger Keuschheit. Von nun an sah man Stilla täglich
hinabgehen zum neuen Gotteshaus, ihre Andacht dort
zu verrichten. Es wurde ihr so theuer, daß der
Wunsch, auch noch ein Kloster dort zu erbauen, in
ihrer Seele entstand. Leider wurde dieser Wunsch zu
Stilla's Lebzeiten nicht erfüllt. Die fromme Gräfin
ging nie allein zu ihrem geliebten Andachtsort, sondern
immer war sie, in frommer Rede sich unterhaltend,
von ihren Kammerfrauen Gewehra, Widikuna
und Winterbring geleitet. Einstmals verließ Stilla mit
ihrem weiblichen Gefolge wieder die Kirche, ernst
und wehmüthig gestimmt. Tod und Grab waren der
traurige Inhalt ihrer Unterhaltung, in deren Lauf die
Genossinnen den aufrichtigen Wunsch äußerten, daß
Gott noch lange den Augenblick ferne halten möge,
wo Stilla's irdische Hülle in dem von Rapoto und
Konrad gestifteten Kloster ruhen würde. »In Heilsbrunn?
« fragte Stilla, »das kann nicht geschehen,«
und so gingen sie schweigend vollends den Burgberg
hinauf. »Nicht wahr,« sprach Stilla, »ihr lieben Jungfrauen,
ihr versprecht mir getreu und fest zu halten,
um was ich euch jetzt bitten werde?« Feierlich gelobten
die Mädchen, daß ihnen der Wille ihrer Gebieterin
heilig sein werde. »Nun seht,« sprach jene und streifte
den Handschuh von der schönen Hand – »nun seht,
wohin jetzt die Winde diesen Handschuh tragen werden,
dort und nur dort will ich einst begraben sein.«
Und der über die Burgzinne hinausgestreckten Hand
entflog der Handschuh. Wie eine weiße Taube wurde
er von den Winden dahingetragen und sank bei der
Kapelle nieder. »Ja, so sei es,« rief Stilla entzückt
über die so heiß erflehte Erfüllung ihres innigen Wunsches,
»dort, wo ich mir so oft Ruhe erflehte und
Trost, dort in jener Kapelle will ich einstens ausruhen
von diesem Leben und harren auf den Ruf des Herrn
zur Ewigkeit. Daß dieser mein Wille erfüllt werde,
darauf Freundinnen, darauf haltet eures Versprechens
eingedenk, wenn euch meine Ruhe im Grabe lieb ist.«
Stilla starb und ihre Leiche sollte, so beschlossen die
Ihrigen, im Kloster zu Heilsbrunn beigesetzt werden.
Da erinnerten sich Gewehra, Widikuna und Winterbring
Stilla's Wunsches und ihres eigenen Versprechens.
Jetzt unverzüglich baten sie um Gehör bei dem
gräflichen Familienrathe, dem sie erzählten, was sie
von Stilla gehört, von der Burgzinne aus gesehen und
dort gelobt hatten, und baten ihn flehentlich, Stilla in
ihrer Kapelle ruhen zu lassen. Darauf einzugehen war
man nicht geneigt und doch trug man Bedenken, Stilla's
letzten Willen zu verachten. Gott möge entscheiden,
war der Beschluß. Jammernd und weinend standen
des andern Tages am frühen Morgen die Armen
der ganzen Umgegend vor der Burg Abenberg, erwartend
die Leiche Stilla's, ihrer Wohlthäterin, welche
von ihren treuen Freundinnen auf einen stattlichen