Der Nachlass. Werner Hetzschold
Prüfungskommission thront.
„Toi, toi, toi“, wird ihm zugeflüstert.
„Ich drücke die Daumen.“
Was soll das?“, denkt Thomas. „Sie wünschen mir Erfolg! Ist das ehrlich gemeint? Denn wenn ich Erfolg habe und genommen werde, nimmt ihre Chance ab, zu den Siegern zu zählen.“
Die Prüfungskommission tritt in der alten Besetzung an. Diesmal werden auch keine Fragen gestellt. Thomas nennt die Rollen, die er gestalten möchte. Er sagt gestalten und nicht spielen, weil gestalten für ihn mehr mit Kreativität zu tun als spielen. Irgendwie empfindet er gestalten seriöser, ernsthafter als spielen. Diesmal hat er sich sogar für eine Arbeiterrolle entschieden - für den Arbeiter in Friedrich Wolfs Stück „Professor Mamlock“.
Thomas steht auf der Bühne. Vor sich sieht er die Prüfungskommission. Die Blicke jedes einzelnen Prüfers fühlt er auf sich gerichtet. Er spürt seine Aufregung, er spürt, wie sie zunimmt an Intensität, wie sie dabei ist ihn aus seinem seelischen Gleichgewicht zu bringen. Er versucht in den Augen der Prüfer zu lesen, wie sie ihm gesonnen sind, ob er ihnen gleichgültig ist, ob sie schon prüfungsmüde sind.
„Nun beginnen Sie schon“, sagt der Leiter der Schauspielschule.
Thomas spürt, wie die Aufregung, die Angst von ihm weichen. Seine Texte beherrscht er. Nicht einen Versprecher handelt er sich ein. Alles klappt wie am Schnürchen. Seine Umgebung nimmt er nicht mehr wahr. Er lebt in seiner Rolle. Er schlüpft in die Gestalt des Arbeiters ...
Er beendet den letzten Satz, hat das Empfinden, aus einem Traum zu erwachen. Langsam findet er in die Wirklichkeit zurück. Unschlüssig bleibt er auf der Bühne stehen, wartet. Die Stimme des Leiters der Schauspielschule ruft ihn in die Realität zurück.
„Kommen Sie bitte nach vorn, junger Mann und nehmen Sie Platz.“
Der Leiter zeigt auf den Stuhl, der mitten vor der Prüfungskommission in Richtung Prüfungskommission steht.
Sitzend vernimmt Thomas das Urteil. Er glaubt seinen Ohren nicht zu trauen: Nach der Eignungsprüfung wurde ihm eine tragfähige, sonore Stimme bescheinigt; diesmal ist von einer belegten Stimme die Rede. Ein ungutes Gefühl beschleicht ihn.
„Junger Mann, wir empfehlen Ihnen, sich in Berlin zu bewerben. Dort sind solche Typen wie Sie gefragt. Bestimmt haben Sie dort Erfolg.“
Thomas versteht die Welt nicht mehr. Er wird abgelehnt, gleichzeitig aber wird ihm geraten, sich in Berlin zu bewerben. Wenn ihn Leipzig nicht nimmt, wieso sollte ihn Berlin dann nehmen? Entweder ich bin begabt oder unbegabt! Thomas gerät ins Grübeln.
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