Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich
aber auch einige von ihnen genötigt gesehen, die sonst ihnen Alles bietenden Malleybüsche zu verlassen und zum Murray hinabzuziehen. Hier kamen sie in das Flußgebiet feindlicher Stämme, und wo sie nicht stark genug waren, sich auf kurze Zeit den Aufenthalt am Murray zu erzwingen, mußten sie Nachts - trotzdem daß dies ihrer Natur bedeutend widerstrebt - heimlich zum Fluß kommen und sich in Baumrindenschalen das notwendigste Wasser, das sie brauchten, holen.
Doch auf die Sitten und Gebräuche dieser Stämme komme ich später ausführlicher zurück, da ich, außer meinen eigenen Erfahrungen, in Adelaide auch noch vortreffliche, ja officielle Duellen fand, die ich benutzen durfte, und aus denen ich mir einen ziemlich guten Überblick feststellen konnte.
Ich näherte mich jetzt mehr und mehr dem Territorium, in dem die Blacks besonders „jolly", wie sie eigentümlicher Weise genannt wurden, sein sollten. Das Wort j o l l y bedeutet eigentlich bloß v e r g n ü g t, m u n t e r; meinen besonderen Nachfragen aber nach war hiermit keineswegs eine harmlose Fröhlichkeit gemeint, sondern jolly sollte hier mehr keck und übermütig bezeichnen, und die schrecklichsten Geschichten erzählte mir nun gar ein sogenannter „bundleman" oder Fußreisender, welcher auf einer der eine kurze Strecke unterhalb liegenden Stationen gearbeitet hatte und mit noch einem Begleiter hier heraufgekommen war. Unterwegs passierten sie einen Stamm der Wilden, und zwei von diesen hatten sich von den Ihrigen abgesondert, kamen mit ihren Speeren und Keulen auf sie los und verlangten „smoke“ (Rauch, für /112/Tabak). Sie versicherten ihnen, daß sie nichts hätten, was sie ihnen geben könnten, aber einer der schwarzen Schufte machte sich jetzt, während der andere ruhig dabei stehen blieb und das Gesicht nur zu einem freundlichen Grinsen verzog, eifrig darüber her, ihnen die Decken von den Schultern zu nehmen und dann auch noch Beiden die Taschen zu visitieren, in denen sie einige Schillinge Silbergeld und Jeder ein kleines Taschenmesser hatten. Sie wurden rein ausgeplündert, und mußten nur noch froh sein, unbeschädigt und mit ihrem Nierenfett an der richtigen Stelle ihren Weg fortsetzen zu können. Kurz vorher hatte derselbe Stamm einem andern Fußreisenden bloß Tabak und Messer fortgenommen, und diese Beiden erkundigten sich jetzt gerade sehr angelegentlich nach einem früheren Kameraden von ihnen, der den Weg auch gekommen sein sollte, hier oben jedoch von Niemandem mehr gesehen war.
Es ist aber jetzt auch wohl nötig, daß ich hier ein paar Worte über die Waffen der Schwarzen sage, die von Manchen vielleicht zu leicht angesehen werden möchten, wenn man hört, daß sie sämtlich nur von Holz sind. Die Stämme wissen aber vortrefflich damit umzugehen, und die Genauigkeit, mit der sie besonders die leichten Speere werfen, ist außerordentlich.
Diese bestehen aus zwei verschiedenen Teilen: der etwa zwei Fuß lange Stiel ist von einer Art festem Rohr, oder meistens von dem sogenannten Grasbaum, einem Gewächs, das am meisten mit unserer schilfigen Plumpkeule (ich weiß wirklich in diesem Augenblick weiter keinen als unsern Kindernamen dafür) Ähnlichkeit hat, und die ebenfalls drei bis vier Fuß lange Spitze besteht gewöhnlich aus dem harten Holz des hiesigen Eisenbaumes. Die Spitzen derselben sind glatt und haarscharf, und sie schleudern die Speere nicht bloß durch den Schwung des Armes, sondern geben ihrem Wurf noch weit mehr Stärke durch ihr sogenanntes Wurfholz, die Midla. Es ist dies ein etwa zwei Fuß langes schmales Stück Holz, an dem obern Ende mit einer Art Widerhaken versehen; in diesen Widerhaken wird das untere Ende des Speeres gelegt, und der Speer so gewissermaßen durch Hebelkraft fortgeschleudert. Sie führen gewöhnlich vier oder fünf /113/ solcher Speere bei sich. Außer diesen haben sie noch die Keule - ein kurzes schweres Stück Holz mit dickem Knopf in den verschiedensten Formen, und den schmalen langen Schild, die Speere und Keulenschläge zu parieren; dann die Wurfkeule, ein schmales gebogenes, sehr dünnes und scharfes Instrument von hartem Holz, mit breitem, rasiermesserartigem Kopf, und das Eigentümlichste von allen, die Womera, wie sie Dieselbe, glaube ich, in Vandiemensland nennen, oder die Bumerang, wie sie am Murray heißt. Diese Bumerang ist schon oft von Engländern beschrieben worden, ich habe mir aber beim Lesen nie einen recht deutlichen Begriff davon machen können, und will hier versuchen, ob ich im Stande bin, sie etwas begreiflicher zu erklären.
Der Bau der Bumerang, so einfach wie nur etwas sein kann, gründet sich auf ein streng mathematisches Princip, das von diesen Blacks gewiß nicht durch Berechnung oder Über- legung, sondern nur durch Zufall gefunden ist. Die Bumerang ist ein etwa zwei bis drittehalb Zoll breites und vielleicht achtzehn bis zwanzig Zoll langes, aber nicht mehr als etwa einen halben Zoll dickes Stück hartes Holz, an beiden Enden nicht spitz, sondern mehr scharf abgerundet, aber fast zu einem Halbmond, wie eine Sichel, und nicht ganz so rund gebogen, mit der innern Seite ebenfalls ziemlich scharf. Von diesen Bumerangs gibt es zwei Arten: die eine ist ein gewöhnliches Wurfgeschoß, das durch die Biegung nur schärferen Nachdruck erhält, an dieser sind die beiden Schenkel der Sichel vollkommen gleich. Die andere aber, bei welcher der eine Schenkel ein klein wenig kürzer und das Instrument selber auch etwas mehr gebogen ist, wird nicht allein ebenso vorwärts geschleudert, sondern kehrt auch, wenn sie nirgends Widerstand getroffen, also den Gegenstand, nach welchem sie geschleudert wurde, verfehlt hat, durch eine eigene Schwingung zu ihrem Werfer, und zwar mit fast noch vermehrter Gewalt zurück. Diese Bumerang wird aber nicht direct nach dem Gegenstand, den sie zu treffen bestimmt ist, geworfen, sondern sie berührt erst, in etwa zwanzig Schritt Entfernung, die Erde, und prallt nun von dieser wie mit neugewonnener Kraft ab, dem bestimmten Ziele zu. Trifft sie hier Mann /114/ oder Tier - und der Werfende weiß ziemlich genau die Höhe zu bestimmen, in welcher das von der Erde sein muß - so schlägt das scharfe harte Holz in der gewaltigen Schwingung eine bösartige Wunde. Diese hölzerne Sichel schneidet selbst durch das dickste Tuch, und ist auch in ihrem unregelmäßigen Flug fast gar nicht zu parieren. Trifft sie aber ihr Ziel nicht, so fliegt sie etwa bis hundertundzwanzig Schritt Entfernung weiter und steigt dabei bis zu zwanzig Fuß Höhe vom Boden empor, beschreibt hier einen kurzen Bogen zur Linken, wobei es ein paar Secunden lang fast aussieht, als ob sie total feststünde, und schwirrt nun plötzlich zischend und sausend wieder durch die Luft heran, fast in gerader Linie über die Stelle hin, und wohl noch zehn, zwölf Schritt weiter zurück, von der aus sie geworfen wurde.
Diese Bumerang ist weiter unten am Murray und in Südaustralien nur sehr wenig gekannt und gar nicht im Gebrauch, während sie jedoch, Doktor Leichhardt's Bericht nach, bis im hohen Norden von Australien vorkommt. Bei den Stämmen in der Torresstraße habe ich sie nicht gesehen, es kann aber deshalb doch fein, daß sie sie eben so gut zu führen wissen, denn auf den Inseln gibt es kein Wild für diese Waffe, und es läßt sich denken, daß sie Alles, was sie nicht eben notwendig für ihren dortigen Aufenthalt brauchten, am festen Land zurücklassen werden.
Am 25. Mai näherte ich mich dem Murray wieder, den ich, dem Eduard folgend, verlassen hatte, und wanderte jetzt am Logan, der nur eine kurze Strecke diesen Rainen führt, und durch den Eduard und den Wakool, beides Überschwemmungsarme des Murray, gebildet wird. Hier schoß ich den ersten schwarzen Schwan, obgleich ich schon mehrere vorher gesehen, aber keinen hatte zum Schuß bekommen können. Ich balgte ihn ab und nahm die Haut mit mir.
Diese schwarzen Schwäne haben ein vortreffliches Gefieder, der Rücken ist ziemlich schwarz und der Bauch mehr in ein dunkles Silbergrau hinüberspielend. Das Wertvolle an ihnen ist aber der schneeweiße, fast anderthalb Zoll starke Daun, der zum Vorschein kommt, wenn die schwarzen Federn ausgezogen werden, und der das zarteste, wunderschönste Pelz-/115/werk für Damen liefert. Die großen Schwungfedern sind weiß, und ein roter Ring liegt ihm um die Augen.
Jagdbares Wild gibt es hier freilich äußerst wenig, und die Kängurus sind vielleicht das Einzige, was auf den Namen Wild Anspruch machen könnte, da man sie nicht allein hetzt, sondern auch auf der Bürsche schießen kann, und darin hat diese Jagd viel Ähnlichkeit mit der des Hirsches. Kängurus bekam ich aber nur sehr wenige zu sehen; sie hielten sich bei der entsetzlichen Dürre des Landes, da sie selber lange ohne Wasser leben können, tief in den Malleybüschen auf, wo ziemlich gutes Futter wachsen soll, und wo sie sich besonders an dem eben jetzt herauskommenden jungen Gras letzten. Kängurujagden sind schon viel zu oft beschrieben und zu einförmig, um darüber noch ein Wort zu verlieren; interessanter sollen aber die Emu- oder Kasuarjagden der Eingeborenen sein, die diesen australischen Strauß gewöhnlich, wenn sie ihn auf den Ebenen entdecken, mit einem ganzen Stamm umzingeln und ein förmliches Kesseltreiben darauf anstellen.
Dieser Emu hat viel Ähnlichkeit mit dem südamerikanischen Avesturz oder Kasuar,