Die erst rückblickend vorhersehbare Geschichte meines Bruders, seiner Mutter und der widerspenstigen Freiheit nach meinem Scheitern. Anatol Anders
nichts ändert. Zeit existiert nicht mehr, überhaupt ist alles weg, nur mehr ich und dieser Siphon. Und der ist noch immer dicht. Jetzt noch die Stange für den Abfluss, keine Experimente mehr, ich nehme die alte. Wie kann sie plötzlich besser sein? Vielleicht habe ich sie verbogen, die Durchführung mit der anderen Stange aufgeweitet oder den Abstand mit der anderen Kugeldichtung verändert, normalerweise hätte ich es wissen wollen, jetzt ist es egal. Endlich wirklich zusammenräumen, dazwischen schließe und öffne ich immer wieder den Ausguss und prüfe die Dichtheit, als könnte ich mich getäuscht haben. Elf Uhr dreißig. Überall Blutflecken, die nur meine sein können.
Unglaublich, ich habe es geschafft.
Geschafft.
Am nächsten Tag fahren wir zum Sanitärhändler und fragen nach Abdeckungen für die Anschlussmuttern. Es gibt keine. Es hatte auch nie jemand danach gefragt. Seit Flexschläuche verwendet werden, sieht das eben so aus. Schließlich sieht man das ja nicht. Wir schauen uns das teuerste Ausstellungsstück an und es stimmt.
Fast drei Jahre sind vergangen, ohne dass ich darüber nachgedacht oder auch nur hingesehen habe und als ich es jetzt doch tue, steht die Krimpung zwar tatsächlich über die Abdeckung hinaus, aber es ist, als hätte es nie anders sein sollen.
Es ist nichts zu finden, was nicht perfekt wäre.
*
War es nicht genug damit, dass Vater selbst Stunden am Computer saß und keine Zeit mehr für sie hatte? Genau jetzt wo sie ihn am dringendsten brauchen würde? Wie konnte er ihr zu Weihnachten bloß einen Laptop schenken! Sie würde sicher keine Mails schreiben oder skypen. Und bevor sie anfangen würde Bilder oder Videos zu bearbeiten, verzichtet sie lieber auf das Fotografieren. Oder gleich ganz auf das Reisen, das vor lauter Technik ohnehin keinen Spaß mehr macht. Wenn ihn das so interessiert, bitte. Aber musste es deshalb ihr gefallen? Konnte er nicht einmal fragen, was sie wollte?
Sie hatte nicht den Pullover an, den wir ihr geschenkt hatten, sondern wieder den alten, den wir damit endlich hatten ersetzen wollen. Vor Andreas´ Unfall hatte sie sich immer umgezogen, wenn wir auf Besuch kamen. Weihnachten in Alltagskleidung wäre undenkbar gewesen.
„Was hättest Du denn gewollt?“ wollte gefragt, aber bestimmt nicht beantwortet werden, weil wir es ohnehin wissen mussten: Dass Andreas sein Bein zurückhätte, dass er wieder fröhlich wäre, dass er wenigstens mit der Prothese zurechtkäme, keine Schmerzen hätte. Bis dahin brauchte sie auch sonst nichts.
Als Vater schließlich vom Computer kam, zwang ihn unsere Anwesenheit es sich anzuhören: Die Prothese war schon wieder zu weit, er hatte Schaumgummi hineingestopft, aber der rieb und er hatte schon geblutet, aber vor Heiligdreikönig käme der Prothetiker nicht zurück. Dass sie schon versucht hatte den bekannten Primararzt zu erreichen, der aber auch auf Urlaub war. Vater wechselte abrupt zum Schispringen, zum Neujahrkonzert, zur geplanten Reise, zu Politik. Alles, nur nicht Andreas.
Mutter nahm am Gespräch nicht mehr teil.
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