Mr.Spencer und die mörderische Witwe. Julie Bloom

Mr.Spencer und die mörderische Witwe - Julie Bloom


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machbar. Immerhin hatte sie dadurch die Aussicht auf ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben als Witwe vor sich.

      Dies sollte nun auch der letzte Ehemann für sie sein. Nach seinem Ableben, und weil er glücklicherweise keine leiblichen Kinder hatte, wäre sie reich genug, um bis ans Ende ihrer Tage in Frieden leben zu können. Das alte, muffige Haus würde sie verkaufen und sich irgendetwas eigenes Hübsches anschaffen, wenn sie dann frei und unabhängig wäre.

      Die Aussicht darauf beflügelte Helena, und sie erfüllte ihre Aufgabe, dem alten Mann seine Brille zu bringen, gleich mit viel mehr Fürsorge und Hingabe.

      Helena wusste, dass sie aufgrund ihrer Geschichte in den gehobenen Kreisen der Gesellschaft bereits als die berechnende und skrupellose Witwe verschrien war. Das war ihr aber herzlich gleichgültig. Sollte doch jeder von denen vor seiner eigenen Türe kehren. Sie war bestimmt nicht die Einzige, die bei der Auswahl eines Ehemannes pragmatisch und praktisch dachte. Also was war dabei? Die alten Männer hatten in ihren letzten Tagen noch eine hübsche, junge Frau an ihrer Seite, die sie zudem auch noch freundlich bediente, und sie bekam im Gegenzug dazu einen großen Haufen Geld. Helena fand daran nichts verkehrt und stand voll und ganz zu ihren Entscheidungen.

      Warum Helena sich nie wieder dauerhaft an einen Mann binden wollte, wusste sie. Ihre Mutter war an einer schweren Krankheit verstorben, als Helena gerade einmal acht Jahre alt gewesen war. Sie und ihre Eltern waren nicht sehr reich gewesen, dennoch hatten sie der guten Gesellschaft Londons angehört. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte ihr Vater zu trinken begonnen und beinahe ihr komplettes Hab und Gut verspielt. Dennoch war es ihnen irgendwie gelungen, zu überleben und durchzukommen. Helenas Vater war dann an seiner eigenen Trinkerei gestorben, als Helena neunzehn Jahre alt gewesen war.

      Für sie hatte es keinen großen Unterschied gemacht, denn sie hatte sich die vergangenen zehn Jahre im Grunde selbst großgezogen. Eine Bedienstete war ihr und ihrem Vater geblieben, die sich zumindest um Helenas körperliches Wohl gesorgt, und ihr mitunter auch mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Es war eine etwas ältere Frau ohne eigene Familie gewesen. Sie hatte Helena stets den Rat gegeben, sich niemals von einem Mann abhängig zu machen. Man würde nur enttäuscht werden, hatte sie ihr ständig eingebläut. Und ihrer eigenen Erfahrung zufolge, hatte Helena dem leider nur zustimmen können.

      Als sie mit neunzehn Jahren, nach dem Tod ihres Vaters, nun alleine dagestanden war, hatte sich Helena einen Plan für ihre Zukunft überlegen müssen.

      In ihrem Elternhaus hatte sie nicht bleiben können, da es sofort nach Vaters Tod, aufgrund dessen enormer Schulden, verpfändet worden war. Helena war also von einem Tag auf den anderen, mit einer kleinen Menge Geld, das ihr Vater Zuhause in einem Beutel versteckt gehalten hatte, alleine dagestanden.

      Gott sei Dank war Helena schon immer sehr einfallsreich gewesen. Sie hatte ihre wenigen Sachen gepackt, den Geldbeutel genommen und sich eine vorübergehende Bleibe gesucht. Für ein paar Wochen hatte sie sich in einer nahe gelegenen Gaststätte ein Zimmer gemietet. Ihr Geld hätte aber nicht mehr sehr lange gereicht, also hatte Helena schnell handeln müssen.

      Eines Abends hatte sie ihr schönstes Kleid angezogen, ihr einziges Ballkleid, und war auf den nächstbesten Ball gegangen. Zum Glück war sie auch ohne Einladung eingelassen worden. Helena hatte vermutet, dass sie diesen Umstand ihrer überaus willkommenen Schönheit zu verdanken hatte.

      Jedenfalls war ihr schnell klar geworden, dass keiner der gut aussehenden, jungen Männer sie ohne jegliche Mitgift heiraten würde. Da hatte Helena einen sehr alten, wackeligen Greis in einer Ecke des Ballsaals entdeckt, ihren ersten Ehemann. Mit ihm war sie gerade einmal drei Monate verheiratet gewesen, bevor er von ihr gegangen war. Immerhin hatte er in den letzten Wochen seines Lebens noch sehr glücklich über Helenas Gesellschaft gewirkt.

      Leider war er aber mit vier Kinder gesegnet gewesen, und somit war Helena fast nichts von seinem Erbe übrig geblieben.

      Daraus hatte sie gelernt, als sie sich wenig später auf die Suche nach Ehemann Nummer zwei gemacht hatte. Viel Zeit war ihr dafür leider nicht geblieben, sie hatte nicht einmal das volle Trauerjahr einhalten können, um nicht plötzlich mittellos dazustehen. Zudem hatte der älteste Sohn ihres ersten Ehemannes auch das Stadthaus, indem sie diese wenigen Monate mit dem uralten Mann gewohnt hatte, für sich beansprucht.

      Somit war Helena gezwungen gewesen, sich schleunigst auf die Suche nach ihrem nächsten Gatten zu machen. Diesmal war es einfacher, weil sie durch die Verbindung mit ihrem ersten Ehemann, weitere Einladungen zu diversen Bällen erhalten hatte.

      Und ungefähr so, war das Ganze noch drei weitere Male passiert. Zwar war keine Ehe so kurz gewesen, wie ihre erste, aber viel länger als drei Jahre hatte es keiner von ihnen gemacht.

      Ihr aktueller Ehemann allerdings, Gatte Nummer vier, erwies sich als äußerst zäh. Helena war nun schon das vierte Jahr mit ihm verheiratet und sehnte sein Ende herbei. Manchmal schämte sie sich regelrecht dafür, solche Gedanken zu hegen. Er war ihr aber mitunter wirklich lästig und hatte ständig irgendwelche Wünsche an seine junge Gattin. Nach wie vor war Helena aber dankbar, dass es zumindest keine körperlichen Forderungen waren, denn das hätte sie nicht geschafft. So sehr sie sein wirklich beachtliches Erbe auch haben wollte.

      In Anbetracht dessen, war sie aber durchaus bereit, noch einige Zeit länger seine Befehle und Wünsche zu ertragen, und hielt sich stets ihr Ziel vor Augen, selbstbestimmt und alleine, in Reichtum zu leben.

      Helena atmete tief ein und aus. Sie schnappte sich die alte Brille vom Regal und schlug den Weg zurück in das Schlafgemach von Robert, ihrem Ehemann, ein.

      4. Kapitel

      Es war bereits vier Uhr nachmittags, als Phil nach einer langen Reise endlich im Stadthaus von Tante Feodora eintraf. Er freute sich sehr auf das Wiedersehen mit seiner lieben, nun auch etwas älter gewordenen Tante. Gleichzeitig plagte ihn sein schlechtes Gewissen, bislang nicht gerade der beste Neffe gewesen zu sein.

      Phil atmete einmal durch, schnappte sich seinen Koffer und schritt auf die weiße Eingangstüre von Tante Feodoras Haus zu. Er betätigte den massiven Türklopfer. Wenig später wurde ihm die Türe von Tante Feodoras Butler geöffnet und Phil trat ein.

      Es war ungewöhnlich ruhig im Haus. Normalerweise wurde er von seiner Tante höchstpersönlich lautstark begrüßt, sobald sie seine Ankunft bemerkt hatte. Doch dieses Mal blieb es ruhig.

      Phil erkundigte sich beim Butler nach dem Verbleib seiner Tante, und dieser teilte ihm mit, dass es der Hausherrin bedauerlicherweise nicht gut ginge und sie sich ausruhen würde.

      Phil bat den Butler, Tante Feodora über seine Ankunft zu informieren, sobald es möglich wäre, und machte sich derweilen auf den Weg zu seinen neuen, vorübergehenden Gemächern. Sobald es sich machen ließe und Phil sich in seiner neuen beruflichen Position eingefunden hätte, würde er sich um eine eigene Behausung für sich kümmern, und seiner Tante nicht länger zur Last fallen.

      Phil schritt die Treppen hinauf in den ersten Stock und begab sich zu Harrys früheren Räumlichkeiten, die nun er für einige Wochen bewohnen würde.

      Er öffnete die Türe und trat in das schlichte, in Erdtönen gehaltene Schlafzimmer ein. Er ließ seinen Koffer zu Boden sinken und atmete tief aus. Nun bemerkte er, wie hungrig und müde er von der Reise war. Phil öffnete eines der Fenster, um frische Luft einzulassen, und ließ sich rücklings auf das einladende Bett fallen. Es war so weich und bequem, dass Phil nach wenigen Minuten versehentlich einnickte.

      Wie lange er geschlafen hatte, wusste Phil nicht. Als er aber aufwachte, dämmerte es bereits und sein Magen knurrte fürchterlich.

      Phil stand auf, streckte sich und machte sich vor dem kleinen Spiegel mit der Waschschüssel etwas frisch. Danach verließ er das Zimmer, um nach unten in den Speisesaal zu gehen. Auf halbem Wege begegnete er Tante Feodora. Sie trug einen Hausmantel und sah müde aus.

      „Phil, mein lieber Junge, da bist du ja“, begrüßte sie ihn herzlich. „Wo warst du denn so lange? Wir hätten dich schon viel früher erwartet.“

      „Es gab leider ein paar Verzögerungen auf der Reise. Aber


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