Wilde Welt. Gerstäcker Friedrich
Gestalt zu deutlich sahen, aber anderthalb Stunden wanderten wir etwa herum, ohne zum Schuß zu kommen, und gaben die Jagd endlich in Verzweiflung auf.
Ich begleitete den Fürsten mit der Fackel bis zu seiner Wohnung, denn die Nacht war stockdunkel, und kehrte dann nach meinem eigenen Zelt zurück, um mich ebenfalls schlafen zu legen.
Die Entfernung zwischen den beiden Häusergruppen betrug etwa vier- bis fünfhundert Schritt - vielleicht etwas mehr - durch die vollkommen flache, nur mit einzelnen niedrigen Büschen bewachsene Ebene, und gleich dicht an den Häusern traf ich wieder einen der kleinen Schakals, der aber ebenfalls nicht Stand hielt und im Nu verschwand. Ich hatte nur für einen Moment seine Lichter blitzen sehen. Ich /108/ kümmerte mich auch weiter nicht um ihn, sondern legte nur frischen Kien auf, um meinen Weg zurück zu finden, und schritt dann rasch den andern Häusern zu. Noch hunderundfünfzig Schritt mochte ich davon entfernt sein, als ich plötzlich wieder die zwei Paar Lichter vor mir sah, die ich schon früher einmal getroffen.
Ich hatte nun heute Abend nur meine Zündnadelflinte mitgenommen und grobe Hasenschrotpatronen darin, weil ich den Fürsten zum Schuß zu bringen hoffte. Die Patronen halten aber tüchtig zusammen, und ich suchte an die jetzt stehenden Hyänen heran zu kommen. Sowie ich aber die Flinte mit der rechten Hand in die Höhe hob, setzten sich die Thiere wieder in Bewegung, und so dicht war ich jetzt an die eine Hyäne herangekommen, daß ich den lichten Schein ihres Körpers erkannte, wie sie, den Kopf mir zugedreht, etwa fünfzig Schritt fortgaloppirte. Dort blieb sie wieder stehen, die beiden großen Lichter leuchteten wie ein Paar glühende Kohlen, der Wind war ebenfalls günstig; ich hielt rechts von ihr ab, als ob ich mit der Fackel an ihr vorübergehen wollte, die Flinte dabei schon vorn in die Gabel des Brettes gelegt, und als ich mich jetzt, selbst für einen Schrotschuß, nah genug wußte, drückte ich ab.
Fast mit dem Schuß verschwanden die Lichter, aber ich sah für einen Moment den glühenden Schein am Boden, und als ich rasch darauf zuging, lag die Hyäne, ein großes ekles Weibchen, mit blutigem, schäumendem Gebiß verendet am Boden. Sie zuckte wenigstens nicht einmal mehr. Die Augen blitzten mich aber noch so tückisch an, daß ich, um ganz sicher zu sein, ihr auch noch den zweiten Schrotlauf gab und sie dann liegen ließ und zu Bett ging. Die zweite Hyäne war nach dem Schuß verschwunden.
Irgend ein anderes erlegtes Thier wäre nun von diesen Bestien schon vor Tagesanbruch vollständig zerrissen und verzehrt gewesen. Ihr eigenes Geschlecht rühren sie aber nicht an, bis es wirklich in Verwesung übergeht und den ihm eigenthümlichen Geruch verloren hat - dann fressen sie es ebenfalls. Es war eine gefleckte Hyäne gewesen, die in dieser Gegend ausschließlich vorzukommen scheint; alle wenigstens, /109/ die unsere Gesellschaft gesehen oder erlegt hatte, gehörten dieser Gattung an. Am nächsten Morgen kamen aber schon die Aasgeier in Schwärmen herbei, und gleich nach Sonnenaufgang, als sie nur die erste Scheu überwunden hatten, fielen sie darüber her, ihr ekles Mahl zu halten.
Ueber die Farbe der verschiedenen Augen der Thiere bei Feuerlicht möchte ich nur noch ein paar Worte erwähnen. Am schärfsten leuchten natürlich und glühen mit rothem Licht die Augen sämmtlicher Raubthiere, vorzüglich der Katzenarten. Die Lichter der Hyäne strahlten ebenfalls groß und roth, aber schienen nicht so concentrirt. Das amerikanische Rothwild hat einen prächtigen rothen Feuerschein, aber ebenso Pferd und Hund, und wo diese frei draußen herumlaufen, muß man sich in Acht nehmen, sie für ein Wild zu halten. In Nordamerika hat schon mancher Farmer Nachts aus Versehen sein eigenes Füllen erschossen, das er für einen Hirsch hielt. Die Augen des Rindviehs dagegen leuchten mit einem sehr matten, grünlichen Licht, das man nur auf geringe Entfernung sieht. Ebenso ist es mit dem Hasen der Fall. Der Alligator hat Augen, die wie rothglühende Kohlen leuchten; Wiesel und Marder wie helle Johanniskäfer. /110/
Der verlorene Ring.
Erstabdruck: Hausblätter, a.a.O.,4. Bd. Seiten 72-80. 1864
Im August des Jahres 1860, wo ich in Ecuador auf das englische Schiff wartete, das von London aus Einwanderer und Ansiedler bringen sollte, mußte ich notgedrungen der Jagd obliegen, wenn ich überhaupt Fleisch wollte zu essen haben, hätte mich nicht schon meine eigene Neigung dazu getrieben. Die Jagd war freilich in jenen furchtbaren Wäldern weit mehr eine Arbeit, als eine Erholung, und es dabei oft ein Kunststück, die Büchse in den ewigen Regen und nassen Büschen trocken und schußfähig zu erhalten.
So war ich auch am 22. August Morgens mit einem Begleiter, dem Alcalden des kleinen Indianerdorfes aber sonst einem intelligenten und wirklich liebenswürdigen Burschen, aufgebrochen, um den Seyno's oder wilden Schweinen den Krieg anzukündigen. Allerdings gab es deren dort genug, aber der Wald war auch so furchtbar dicht, daß es ungemein schwer hielt, geräuschlos und unbemerkt an sie anzukommen, und zwei- oder dreimal mißglückte es vollständig. - Endlich, etwa um zwei Uhr Nachmittags hörten wir wieder das Geräusch der brechenden Thiere, die aber, wie wir bald ausfanden, von uns fortzogen, und denen wir deshalb folgen mußten.
Bis dahin hatten wir uns in einer sogenannten trocha - einem mit Messerhieben angezeigten Pfad, oder doch wenig-/111/stens in dessen unmittelbarer Nähe gehalten. Jetzt half es nichts weiter, wir mußten mitten in den Wald hinein, und während ich, mit der Büchse im Anschlag, unbesorgt auf den Fährten folgte, denn ich führte ja meinen Compaß bei mir und wußte, daß ich die trocha immer wieder finden könne, - knickte der vorsichtigere Eingeborene, der der kleinen Messingkapsel nicht so recht trauen mochte, hier und da einen Zweig ein, um sich an diesen sehr schwachen Merkmalen im Nothfall wieder zurück zu finden.
Etwa eine halbe Stunde mochten wir den Thieren, fast eben so viel nach dem Geruch wie auf der Fährte gefolgt sein, denn sie tragen eine Stinkdrüse auf dem Rücken, die mit dem Winde weithin ihren Duft verbreitet - als wir ihr Brechen wieder in den Büschen hörten, und ich meinen Begleiter nun zurückließ, um allein an sie anzubürschen. Es liegt indessen nicht in meiner Absicht, hier eine Schweinsjagd genauer zu beschreiben, und ich will nur kurz bemerken, daß ich nach einigen Schwierigkeiten eine junge Bache erlegte und nachher auch noch einen ziemlich starken Keiler hätte erlegen können. In jener feuchten und heißen Zone ist es aber fast unmöglich, frisches Fleisch lange gut zu erhalten, außerdem hatten wir an der Bache gerade genug durch diesen Wald zu tragen, und als ich meine Büchse wieder geladen hatte, zerwirkten wir das Stück Schwarzwild, schulterten jeder unseren Theil und wanderten heimwärts.
Allerdings wollte mein Begleiter jetzt seinen eingeknickten Zweigen zurückfolgen; das würde uns aber zu lange aufgehalten haben, denn wir hatten noch drei gute Stunden zu marschiren, und nach Dunkelwerden ist es unmöglich, durch diese Dickichte und Dornen, Sümpfe und Lagunen zu dringen. Ich schlug daher nach meinem Compaß einen geraden Cours ein, der uns bald, sehr zum Erstaunen meines Begleiters, wieder in die trocha führte, und von dort hatten wir ein verhältnismäßig leichteres Gehen mit unserer Last.
Etwa noch eine halbe Stunde Weges von der Seeküste entfernt, wo das kleine Indianerdorf San Lorenzo lag, das meine jetzige Heimath bildete, trafen wir ein Volk pavas - die ecuadorianischen kleinen Truthühner, die nicht größer als /112/ ein amerikanisches Prairiehuhn sind und auch mit diesen einige Ähnlichkeit haben - in den Bäumen sitzen. Der Abend rückte allerdings schon scharf heran, aber ich warf doch meine Last ab und holte noch einen der Burschen herunter. Die übrigen flogen fort. Jetzt wollte ich wieder laden, aber ein jäher Schreck zuckte mir durch die Glieder, denn ich fand mein Lademaß nicht, und an dem Lademaß war mein Trauring befestigt.
Wohl ist das ein wunderlicher Platz, ihn zu tragen als ich mir aber vor Jahren in Tyrol auf der Gemsjagd den Goldfinger der linken Hand zerschossen hatte und den Ring nicht an die rechte Hand bringen konnte, knüpfte ich ihn damals, um ihn nicht zu verlieren, an die grüne Schnur meines Pulvermaßes und hatte ihn daran die langen Jahre behalten und sorgsam bewahrt. Jetzt war das Lademaß fort und mit ihm der Ring, und ich zweifelte keinen Augenblick, daß ich ihn dort verloren haben mußte, wo ich das Seyno geschossen nnd meine Büchse wieder geladen hatte.
Was nun? - An diesem Abend war es allerdings nicht möglich, an einen Rückweg zu denken; wir mußten tüchtig zumarschiren, um nur noch das nahe Dorf vor einbrechender Nacht zu erreichen, da noch eine wohl kurze, aber sehr böse Sumpfstrecke zu passiren blieb, während wir den Platz, wo ich geschossen, gar nicht mehr hätten finden können; aber ich beschloß am nächsten