Die Leiden des Schwarzen Peters. Till Angersbrecht
Gesichter entspannen sich auf der Stelle, auch Dönnewat nickt, und der Apotheker Julius flüstert: Gewiss doch, Musik, die tut allen gut, die hat medizinische Wirkungen. Der ganze Tisch ist sich in diesem Augenblick einig, was doch überaus merkwürdig ist, da die Anwesenden keineswegs ein spirituelles Bedürfnis nach den Wonnen der Kunst beseelt, nein, sie sind sich nur darin einig, die Musik für einen offenkundigen Zweck zu missbrauchen: Die Musik soll sie daran hindern, sich gegenseitig über den langen Tisch mit Frechheiten zu bewerfen!
Saases Aufforderung betrachte ich als einen Befehl, springe unverzüglich hinter die Theke und drücke auf den Knopf des Verstärkers, der nun seinerseits keinen Moment damit zögert, das ganze Odysseus auf Anhieb mit wüstem Geplärr und einfältigem BumBum zu erfüllen.
Ihr habt richtig gehört. Ich sage BumBum und gebrauche das Wort mit voller Absicht, denn um es einmal geradeheraus zu sagen, ist mir diese Art von primitivem Lärm geradezu verhasst, ich kann überhaupt nicht verstehen, dass zivilisierte Menschen dieses gleichmäßige, meine Ohren zutiefst beleidigende Hämmern überhaupt zu ertragen vermögen. Oder, richtiger gesagt, ich habe es erst später verstanden, nachdem ich auf Einladung Tautzigs dessen Fabrik besuchte. Dort habe ich nämlich genau das gleiche Hämmern und Schlagen gehört: Es kommt von den Maschinen, die dort Tag und Nacht, vierundzwanzig Stunden lang in einem fort rattern und bumsen. Womit dann natürlich die ganze schreckliche Eigenart dieses Getöses leicht zu erklären ist: Den armen Leuten, welche dort schuften müssen, dringt das ständige Maschinengehämmer mit der Zeit so in das Neuronengestrüpp ihrer Hirne, dass es daraus nicht mehr zu entfernen ist. Sie sind dann auf das BumBum bis an ihr Lebensende geeicht und wollen auch in ihrer freien Zeit nichts anderes mehr hören.
Also, das ist nun genau die Art von Musik, welche in diesem Augenblick aus den Lautsprechern des Odysseus dröhnt und auf Saases und Tautzigs Gesicht ein zufriedenes Lächeln hervorlockt.
Die armen Teufel, denke ich, die sind leider nichts Besseres gewöhnt. Der Baron allerdings und ebenso Dönnewat und Julius, der Apotheker, sind sehr viel Besseres gewöhnt, das weiß ich, denn oben im Schloss habe ich eine ganz andere Musik kennengelernt, eine Sphärenmusik, so möchte ich sie nennen. Oben im Schloss, da spielt Luna die Laute, und Phebe begleitet sie auf der Flöte. Es kommt mir jedes Mal wie ein Wunder vor: Diese Musik berührt mein Herz so sehr, dass mir manchmal die Tränen kommen.
Nein, es ist nicht, wie ihr vielleicht denkt, wegen der beiden Schönen, obwohl deren Anblick mich natürlich besonders entzückt. Es ist wirklich die Musik von Laute und Flöte, die auch der Apotheker besonders liebt, denn zu Hause in seinem Labor lässt er manchmal das Gerät mit den Schallplatten laufen - dann höre ich die Sphärentöne noch bis hinauf zu meiner Mansarde.
Ich sollte euch bei dieser Gelegenheit vielleicht meine Meinung sagen, dass es „den Goldenberger“ einfach nicht gibt, obwohl das für meinen Bericht und eure Information natürlich viel einfacher wäre. Es gibt einmal die Goldenberger, die bei Tautzig und in anderen Fabriken dem BumBum der Maschinen ausgesetzt sind und deshalb auch diese furchtbare BumBum-Musik lieben - das sind die Primitiven, wie ich sie hier einmal nennen möchte. Aber dann gibt es noch einen zweiten Menschenschlag, ich meine die Zivilisierten, wozu die Bewohner der Schlosses, die beiden Lehrer, die Frau Pastor, aber ebenso Knirzbein und seltsamerweise sogar der Journalist Spinnebeck gehören.
Nun ja, das ist meine bisherige Theorie, ihr könnt davon halten, was ihr wollt, eines ist aber leider ganz unbestreitbar: Hier im Odysseus herrschen andere Töne, da hat die zivilisierte Musik keinen Platz, ich nehme an, sie passt nicht zu Pier, dem flachsblonden Weib, und schon gar nicht zu Tautzig und Bremme, die hier nun einmal den Ton angeben, wonach sich Hilda, meine Chefin, natürlich richtet. Also gibt es an meinem Arbeitsplatz leider nur das donnernde BumBum, das man noch in hundert Metern Entfernung bis zum Ententeich hören kann.
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