Gold!. Gerstäcker Friedrich

Gold! - Gerstäcker Friedrich


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      „Ich spiele nie," sagte Hetson ruhig.

      „Bah, das darf man hier in Californien nicht verreden,“ lachte sein Freund. „Daß Du selber Gold graben willst, kann ich mir nicht gut denken, und dem Glück muß /52/ man eben selber ein Pförtchen öffnen, wenn es uns nicht ganz im Stiche lassen soll. Ich zum Beispiel habe mir Alles, was ich eigentlich besitze, an den Tischen da geholt, und mir einiger Vorsicht denke ich mir solcher Art ein kleines Vermögen zusammenzulegen und dann nach den Staaten als reicher Mann zurückzukehren."

      „Und wenn Du wieder verlierst, was Du gewonnen hast?"

      „Dem Kühnen lächelt das Glück, Freund!" rief der Amerikaner, den Kopf trotzig zurückwerfend, „ja, es giebt sogar Mittel, das Glück zu zwingen, uns zu gehorchen, und hast Du Lust, so lehr' ich Dich vielleicht einmal die Kunst. Jetzt aber wollen wir unsere Zeit hier nicht nutzlos versäumen, sondern einmal einen Gang durch den Saal machen. Ich muß Dir doch Californien erst vorstellen."

      Ohne auch weiter eine Antwort abzuwarten, zog er Hetson's Arm in den seinen und schlenderte mit ihm in einen der Gänge hinein, die zwischen den Tischen hinführten. Einzelne von diesen waren augenblicklich unbesetzt, d. h. es standen keine Fremden daran, denn zwei Spieler saßen an jedem, und zwar einander gegenüber, während zwischen ihnen ein größerer oder kleinerer Haufen Silber-Dollar, Goldstücke und Goldstaub in kleinen Lederbeuteln oder einzelnen „Klumpen" aufgehäuft lag. Die müßigen Spieler mischten dann gewöhnlich ihre Karten, hoben ab und probirten mögliche Erfolge, bis ein Vorbeikommender auf eine der Karten setzte und dann auch gewöhnlich Andere nach sich zog.

      An verschiedenen Tischen standen dagegen die Spieler und Zuschauer so dichtgedrängt, daß man kaum vorüberkommen konnte, und das war dann ein sicheres Zeichen, daß hohe Einsätze das Interesse der Leute erregt hatte. Kopf an Kopf drängte sich über- und nebeneinander, und sehr bedeutende Summen standen dort nicht selten auf dem Spiele.

      An einem der augenblicklich nicht benutzten Tische saßen sich zwei Leute, ebenfalls nur mit Kartenmischen beschäftigt, stumm gegenüber, die vielleicht nur durch ihren Kontrast Hetson's Aufmerksamkeit erregten. Der Eine von ihnen war ein kleiner, rothbäckiger, dicker Mann mit ein paar entsetz/53/lichen Vatermördern, die ihm selbst die Ohren halb bedeckten, und über die er, wenn er den Kopf auf eine oder die andere Seite wandte, nur eben hinwegsehen konnte. Der Andere war das gerade Gegentheil. Lang und knochendürr, zeigte er auch nicht eine Spur von weißer Wäsche, die sonst im amerikanischen Anzug eine Hauptrolle spielt, und der enganschließende braune Rock war so fest zugeknöpft, wie er die schmalen Lippen geschlossen und die kleinen braunen Augen zusammengekniffen hielt. Auch den hohen schwarzen Hut, den er trug und selbst im Saal nicht absetzte, hatte er sich tief in die Stirn gedrückt, und es war ordentlich, als ob der Mann nur so wenig wie irgend möglich von seiner eigenen Person wolle sehen lassen.

      „Ein paar merkwürdige Gestalten," flüsterte Hetson seinem Begleiter zu, indem er auf die Beiden deutete. „Welch' verschiedene Menschen das Schicksal doch oft zusammenführt!"

      „Nicht wahr?" lächelte Siftly; - „komm, wir wollen einmal an ihren Tisch treten; ich habe den Beiden übrigens schon manchen Dollar abgewonnen, und ich glaube fast, es sind eben nicht die durchtriebensten Spieler im Saal - scheinen auch gerade keine besonderen Geschäfte zu machen."

      Ohne weiter die Zustimmung des Freundes abzuwarten, blieb er neben dem Tisch stehen, nahm eine Hand voll Dollar aus seiner Tasche und setzte sie auf die nächste Karte. Ein weiteres Wort wurde dabei nicht gewechselt, die Spieler zogen die Karten ab - und Siftly hatte gewonnen.

      „Versuch' Du es jetzt einmal, Hetson," ermunterte er diesen. „Wer weiß, was Dir in Californien noch für ein Glück blüht, und den ersten Tag am Land sollte man nicht ungenutzt vorübergehen lassen."

      Hetson zögerte. Er hatte bis dahin wirklich noch nie gespielt; das viele Gold aber überall auf den Tischen, das lockende Klingen der Münzen, der rasche Gewinnst des Freundes vielleicht, das Alles reizte ihn, der Aufforderung Folge zu leisten. Er nahm einen halben Adler - ein Fünf-Dollar-Goldstück - aus der Tasche, setzte es und – gewann.

      „Laß es stehen," flüsterte sein Gefährte; „die Sache geht." /54/

      Es wurde wieder abgezogen, aber die Karte verlor diesmal.

      „Ich würde auf das Aß setzen," sagte Siftly.

      „Ich habe zu der Sieben mehr Vertrauen," meinte Hetson und setzte jetzt zehn Dollar auf diese Karte. Wieder und wieder verlor er aber, und fünfzig Dollar waren in wenigen Augenblicken aus seinem Besitz in den der beiden Spieler übergegangen.

      „Das weiß der Henker," flüsterte Siftly mit einem noch kräftigeren Fluch - „ich glaube, die beiden Halunken betrügen doch; aber warte, ich werde ihnen auf die Finger passen. Setz' jetzt fünfzig auf den Reiter - der hat dreimal hintereinander verloren und muß gewinnen."

      „Ich danke," erwiderte aber ruhig der junge Mann - „ich habe Dir jetzt den Willen gethan und für mich selber Lehrgeld genug gezahlt. Den beiden Herren dort gönn' ich auch meine fünfzig Dollar, aber ich habe auch weiter kein Geld für sie und werde nicht mehr spielen."

      „Unsinn," rief aber Siftly, „Du wirst ihnen doch wahrhaftig nicht die fünfzig Dollar lassen, ohne wenigstens einen Versuch zu machen, sie wieder zu bekommen?"

      „Gewiß werd' ich," erwiderte Hetson, indem er sich von dem Tische abdrehte, „denn der Versuch könnte mich mehr als das kosten. Aber was ist das für ein wunderbarer Ton, der auf einmal den Saal erfüllt? Erst noch dieses schauerliche Lärmen mit allen möglichen Blas- und Streich-Instrumenten, und jetzt plötzlich diese himmlische Melodie. Wie kommt diese Musik in solche Spielhölle?"

      „Hm," brummte Siftly, der indessen, ohne daß Hetson es merkte, mit dem magern Spieler einen raschen und verstohlenen Blick gewechselt hatte, indem er verdrießlich mit den Silber-Dollarn in seiner Tasche klimperte; „das ist das spanische Mädchen, das hier alltäglich zwei Stunden spielt - eine Stunde Nachmittags und eine Stunde Abends. Sie heißt, glaub' ich, Manuela; mir könnte ihr Gefiedel aber nicht besonders behagen, und unsere Landsleute machen sich auch nichts d'raus. Die Seňores sind jedoch wie toll dahinter her, und so wie sie ansfängt, wird der Saal immer /55/ gleich bunt von ihren farbigen Zarapen. Siehst Du, wie sie dort schon hereinkommen? - Denen zu Liebe läßt man es sich also schon so kurze Zeit gefallen, denn die Burschen haben meist alle Gold und sind alle leidenschaftliche Spieler."

      Hetson blieb wie gebannt auf seiner Stelle, so mächtig ergriff ihn das Spiel des spanischen Mädchens, das er jetzt oben auf der Tribüne mit einer Violine stehen sah. Die übrigen „Musici" mochten auch wohl fühlen, daß ihre Instrumente nicht würdig waren, dieses seelenvolle Spiel zu begleiten, und lautlos horchten sie den Tönen, die wie aus den Saiten einer Aeolsharfe die Luft durchzitterten. Aber auch nur sie da oben, in unmittelbarer Nähe der Künstlerin, konnten einen Genuß davon haben, denn unten im Saal wogte indessen die Menschenmasse eben so laut und lärmend durcheinander wie vorher. Was kümmerte sie die fremde Melodie. - Und wenn es Engelsharfen gewesen wären, - das Klimpern des Goldes hatte für sie einen besseren Klang.

      „Hetson," sagte da endlich ungeduldig der Amerikaner, „ich glaubte, Du hättest mir etwas sagen wollen. Dem Gefiedele da oben zu lauschen habe ich weder Zeit noch Lust, und wenn Du doch einmal nicht mehr spielen willst, so rück' heraus mit dem, was Du hast, oder ich gehe meiner Wege."

      „Du hast Recht," sagte Hetson rasch, indem er seinen Arm ergriff und ihn dem Eingang zuzog - „ich war ein Thor, mich nur so lange, als ich gethan, diesen fremden Eindrücken hinzugeben. Komm mit mir in's Freie, und Du sollst Alles wissen."

      „Hoho, hast Du schon Geheimnisse, und kaum den Fuß auf unsern Boden gesetzt?" lachte Siftly.

      „Geheimnisse gerade nicht, wenn ich Dich auch bitten werde, mit Niemandem weiter darüber zu sprechen," sagte Hetson, während er mit einiger Mühe der Thür zu drängte und endlich das Freie gewann; „aber ich brauche Deinen Rath, und den wirst Du mir nicht versagen."

      Die beiden Männer hatten jetzt die Plaza wieder betreten und schritten langsam Arm in Arm über den offenen Platz, das ärgste Gedränge der hier


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