Bitter Love - Ash. Alexa Kim
Hämopholaustausch gefordert, aber langsam wird es doch Zeit … ich schaue auf die große Digitaluhr, die an der Wand gegenüber vom Bett hängt. Zeit! Das ist etwas, von dem ich zu wenig habe. Mein Bruder Sid wird misstrauisch, wenn ich zu lange fort bin.
Ash bemerkt meine aufkommende Unruhe und öffnet träge die Augen. „Was ist?“
„Sid … er kommt bald aus dem Tenfathers.“
„Du wirst es ihm nicht ewig verheimlichen können.“
Ash hat recht. Aber Sid würde ausrasten, wenn er wüsste, dass ich auf dem besten Weg bin, mich zu verkaufen … auch wenn es sich für mich nicht so anfühlt. Aber genau das tue ich.
„Sid will nicht, dass ich mit einem Mutanten zusammen bin.“
Ash runzelt die Stirn. „Ich sehe deinen Bruder fast jeden Abend mit Angel im Tenfathers. Warum darf er, was er dir verbietet?“
„Er will nicht, dass ich werde wie er … ein Blutjunkie“, gebe ich kleinlaut zu und spüre, wie Ash wütend wird. „Nicht jeder ist so wie Angel, die nicht genug bekommen kann. Ich werde rücksichtsvoll mit dir umgehen und dich nicht abhängig machen.“
Nicht von deinem Blut, aber von dir … ich bin es schon längst …, füge ich in Gedanken hinzu.
„Trotzdem hat er nicht ganz unrecht. Ich bin nicht gut für dich. Ich sollte dich in Ruhe lassen.“
Ich setze mich im Bett auf und starre ihn an. „Sag das nicht! Ich weiß selbst, was gut für mich ist und was nicht.“
Er lächelt und zieht mich wieder zu sich hinunter. Seine weichen Lippen fahren über mein Gesicht. „Nein … Taya … das kannst du gar nicht wissen. Aber es ist nunmal passiert. Ich bin nicht moralisch genug, um dich aufzugeben.“
Gottseidank! „Wann sehen wir uns wieder?“ Leider haben wir in den nächsten zwei Wochen unterschiedliche Schichten bei Magnatec. Es ist ohnehin besser, unser Verhältnis am Arbeitsplatz noch geheim zu halten.
Ash seufzt und steht langsam vom Bett auf. Ich starre seine langen muskulösen Beine an, den knackigen Hintern, den breiten Rücken. Mein Gott, was für ein Mann! Und er muss noch nicht einmal viel dafür tun. Die mutierten Gene erledigen alles von selbst. Eigentlich bringt so eine Mutation nur Vorteile – ein langes Leben, Kraft, Widerstandsfähigkeit, perfekte Anpassung an die Umweltbedingungen. Doch sie haben trotzdem eine Schwäche – ihr Organismus kann den Botenstoff Hämophol nicht mehr selbst produzieren. Den brauchen sie von uns … den schwachen unvollkommenen Menschen. Außerdem sind Mutanten steril. Aber das ist das geringste Problem, wenn ich Ash ansehe. Und mein Hämophol … nun das werde ich mit ihm teilen. Dafür ist der Vertrag ja da.
Ohne Eile schlüpft Ash in seine Thermowaxhosen. „Ich kann noch nicht sagen, wann wir uns sehen,Taya. Ich muss die nächsten Tage ins Tenfathers.“
„Ich könnte dich doch da abholen … nicht reinkommen … einfach nur auf dich warten.“
Ash dreht sich zu mir um, und sein Gesicht ist plötzlich ernst. „Nein … das will ich nicht ...“
„Ich weiß, aber ...“
„Wir haben darüber gesprochen. Im Tenfathers gibt es nur Abschaum. Das ist kein Ort, an dem ich etwas wissen will, was mir gehört.“
Mein Herz macht einen Sprung. Er hat es gesagt … was ihm gehört! Wird er endlich den Vertrag machen … mir sein Zeichen in die Hand ätzen?
Doch er macht keine Anstalten. Stattdessen hält er mir eine Predigt, wie schon zuvor im Lighthouse.
„Das Tenfathers gehört Seth. Und Seth ist ein Schwein ohne Moral! Du siehst es bei deinem Bruder. Es hat im Tenfathers angefangen.“
Ich schlucke meine Tränen herunter, weil ich weiß, dass Ash recht hat. Die Bars und gesamten Rotlichtviertel Daytowns werden von diesem Seth kontrolliert. Und Seth hat auch seine Hände in der Energiegewinnung. Deshalb muss Ash springen, wenn Seth ruft; aber er tut es voller Widerwillen. Wegen Seth treffen wir uns auch immer im Lighthouse, wo wenig los ist. Ash hält seine privaten Angelegenheiten lieber geheim.
Ich steige aus dem Bett und beginne mich ebenfalls anzuziehen. Die dicken Sachen stören auf einmal, nachdem es gerade so schön war mit Ash. Aber draußen sind es fast Minus 20 Grad Celsius. Seit der globalen Katastrophe vor über hundert Jahren ist es kalt und dunkel, weil die Erde aus der Umlaufbahn geworfen wurde. Gäbe es nicht Magnatec und das Magnetfeld über Daytown, das die Klimatechnik kontrolliert, wären wir längst alle tot – wir Menschen wegen der unerträglichen Kälte und die Mutanten, weil sie ohne unser Hämophol nicht überleben können. Sie haben versucht, es künstlich herzustellen, waren bisher aber nicht erfolgreich. Das ist unser Glück, denn die meisten der Mutanten sind nicht so nett wie Ash.
„Ich lasse dich mit dem Energycar nach Hause fahren“, schlägt Ash vor. Das Energycar ist noch so ein Luxus, der nur einigen wichtigen Mutanten zur Verfügung steht. Eigentlich ist es ein Elektroauto, das auf Abruf bereitsteht, wenn jemand einen Chauffeur braucht.
„Das würde zu viel Aufmerksamkeit erwecken.“
Ash mahlt mit den Kiefern, sagt aber nichts. Es gefällt ihm nicht, dass ich alleine gehe … und es gefällt ihm nicht, dass ich bei Sid ein Geheimnis aus uns mache. Ich sehe ihn prüfend von der Seite an. Hat er mir deshalb bisher sein Zeichen verweigert? Weil ich ihn aus Teilen meines Lebens fernhalte? Aber er macht es ja nicht anders.
Irgendwann wird er mein Hämophol brauchen. Ich weiß nicht, woher er es bisher bekommen hat, doch wer keinen eigenen Spender hat, kommt nicht so leicht an den lebensnotwendigen Botenstoff … außer er wildert. Aber ich glaube nicht, dass Ash das tut. Auf Menschenjagd steht die Todesstrafe.
„Morgen Abend im Lighthouse“, sagt er schließlich und kommt zu mir. Ich sehe aus wie eine dicke Stoffpuppe in meinen alten Sachen. Aber wenn ich mit Thermowax-Klamotten nach Hause komme, riecht Sid sofort Lunte.
„Sei vorsichtig … sind eine Menge üble Gestalten unterwegs, wo du wohnst.“
Er drückt mich an sich, und ich genieße seine Nähe ein letztes Mal durch den dicken Stoff meiner Jacke. Ich liebe dich … mehr als mein Leben … will ich sagen, doch im letzten Moment hält mein Verstand mich zurück. Liebe ist etwas für Privilegierte, nicht für Gescheiterte wie mich. Ash mag mich … dessen bin ich mir sicher … aber ich habe mich ihm verkauft.
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