Buntes Treiben. Gerstäcker Friedrich

Buntes Treiben - Gerstäcker Friedrich


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aber den Ausdruck irgendwie zu verändern.

      „Und wenn ich Ihnen nun sage wirklich?"

      Da konnte sich aber Bellermeier nicht länger halten und platzte dermaßen heraus, daß es ihm die Stirnadern zu zersprengen drohte. Als er nur einigermaßen wieder zu sich kam, wollte er auch wissen, wie der Samiel ausgesehen und ob er recht nach Schwefel gestunken hätte, aber Andreas fühlte sich über diesen Hohn tief gekränkt und schnitt jedes weitere Forschen damit gründlich ab, daß er seinen Hut nahm und das Haus verließ.

      Von da an kamen die Beiden nicht mehr so oft zusammen, denn Bellermeier ließ seinen Spott nicht, und der Schulmeister fühlte sich nicht in der Stimmung darauf einzugehen, bis plötzlich nach vier Wochen ein Rescript einlief, das Andreas Pech's Versetzung nach der Hauptstadt an das Gymnasium enthielt.

      Der Pastor wünschte ihm von Herzen Glück dazu, der Chaussee-Einnehmer aber sah ordentlich traurig aus, als er es ihm mittheilte.

      „Schulmeister," sagte er, indem er ihm ernst in's Auge sah, „Sie sind bis jetzt immer, ein paar verrückte Ansichten ausgenommen, ein braver, freisinniger Mann gewesen, und ich habe Sie deshalb lieb gehabt, soll das jetzt anders werden?" /35/ „Aber, lieber Chaussee-Einnehmer," sagte der Schulmeister verlegen, „das ist doch in meiner neuen Stellung nicht bedingt."

      „Nein," sagte Bellermeier, „allerdings nicht, aber ich kenne Beispiele -"

      „Und wir bleiben Freunde, nicht wahr?"

      „So lange Sie ein ehrlicher Kerl sind, von ganzem Herzen," rief der Chaussee-Einnehmer, in die dargebotene Hand einschlagend.

      Am nächsten Tage fuhr Andreas Pech auf einem Leiterwagen mit seiner Familie zu Thal, und das nämliche Fuhrwerk war dazu bestimmt, das nächste schulmeisterliche Schlachtopfer nach Holzhäusel von unten herauf zu befördern, denn die Kinder durften nicht ohne Unterricht bleiben. Aber Andreas Pech schien seinen Namen von jetzt ab mit Unrecht zu führen, denn eine neue Sonne ging ihm auf.

      Schon seine erste Stellung in *** war eine günstige und besserte seine Umstände bedeutend - aber er blieb nicht einmal lange darin, sondern avancirte. Im zweiten Jahre war er, der Liebling des Generalsuperintendenten - Director an einer größeren Bürgerschule - ja noch ein Jahr später bekam er - jetzt mit einem nicht unbedeutenden Gehalt, den „Unausweichlichen" und den Titel Schulrath.

      In der Stadt gingen allerdings Gerüchte über seine sehr verschiedenartige Thätigkeit, aber der Herr Schulrath Pech hörte entweder nichts davon, oder wollte nichts davon hören - zählte er doch den angesehensten Leuten der Stadt zu und konnte sich leicht über Klatschereien hinwegsetzen. Er war Vorstand des Gustav-Adolf-Vereins geworden - ebenso Vorsitzender in einem zwar kleinen, aber sehr gewählten politischen Verein, selbst der Minister hatte ihn schon zur Tafel gezogen, und man sprach sogar davon, daß er die Leitung eines bedeutenden Blattes übernehmen solle. Kurz und gut, aus dem armen Dorfschulmeisterlein war ein Mann geworden, dessen Behäbigkeit auch begann, sich in seiner körperlichen Anlage zu zeigen. Er sah ordentlich gravitätisch aus, wenn er in seinem etwas langen schwarzen Rock, mit dem bunten Band im Knopfloch, und mit glatt rasirtem Kinn wohlwollend nach rechts und links grüßend, durch die Straßen schritt. /36/ So kam er auch heute gerade aus einer Sitzung, die etwas hitziger Natur gewesen und lange gedauert hatte; er mußte aber mit dem Erfolg zufrieden sein, denn er lächelte still und selbstvergnügt vor sich hin, ohne daß sein Blick aber dabei verfehlt hätte, die ihm Begegnenden zu mustern. Da fiel ihm plötzlich ein bekanntes Gesicht auf, das ihn veranlaßte, mitten auf dem Wege stehen zu bleiben.

      Im ersten Augenblick wußte er nicht gleich, wo er es hinthun sollte, wie es uns ja oft so geht, wenn wir einer, sonst wirklich befreundeten Gestalt nach langer Zeit und in einem ganz andern Ort und in fremdartiger, nicht gewohnter Umgebung begegnen. Aber das dauerte nicht lange, Andreas Pech hatte ein zu vortreffliches Gedächtniß, und im nächsten Augenblick erkannte er schon in der kleinen, magern und nur dürftig gekleideten Figur seinen alten Freund und Gesellschafter.

      „Bellermeier!" rief er erstaunt aus und streckte ihm die Hand entgegen - „Herr Chaussee-Einnehmer!"

      Es war wirklich der seit kurzer Zeit hierher versetzte Bellermeier, von dem er natürlich nichts gehört, dieser aber dagegen desto mehr von ihm, wenn er die ganz verwandelte Persönlichkeit des früheren Dorfschulmeisters auch nicht gleich selber erkannte. Er mochte wohl dabei ein dem entsprechendes Gesicht gemacht haben, denn Andreas rief freundlich aus:

      „Kennen Sie denn Ihren alten Andreas Pech nicht mehr?" Da sah ihn Bellermeier, ohne die dargebotene Rechte zu nehmen, von oben bis unten groß an, steckte dann seine beiden Hände vorsichtig in die Taschen, sagte einfach und ruhig: „Hol' Sie der Deubel!" und ließ den verblüfften Schulrath mitten auf der Straße stehen.

      /37/

      Der Friedensrichter.

      1.

      In der deutschen Ansiedelung.

      Es war im Jahre 50 oder 51, daß der Staat Illinois in Nordamerika anfing, sich mehr und mehr zu besiedeln. Die Entdeckung des Goldes in Californien hatte diesem Theil der westlichen Staaten einen ganz besondern Aufschwung verliehen. Eisenbahnen durchzogen ihn schon nach verschiedenen Richtungen - Zweigbahnen wurden projectirt, und vorzüglich viele Deutsche siedelten sich in dem südlichen Theil von Illinois an, der durch dichte Waldstreifen mehr gegen die kalten, von den Seen herunterstreichenden Winde geschützt war, als der nördliche.

      Ein District besonders, nicht übermäßig weit vom Ohiostrom und ziemlich gleich von den westlichen wie östlichen Grenzstaaten entfernt, hatte eine vollkommen deutsche Bevölkerung bekommen, und zwar so, daß wirklich nicht ein einziges englisches Wort dort gesprochen wurde. Die Leute brauchten die fremde Sprache auch nicht, denn mit Amerikanern kamen sie nur selten in Berührung, und wer von diesen etwas von ihnen haben oder kaufen wollte, ei, der mochte auch zusehen, wie er sich verständlich machte.

      Die Häuser lagen allerdings - wie es Gebrauch in allen überseeischen Ländern ist, zerstreut auf dem verschiedenen Grundeigenthum jedes Einzelnen, und man brauchte oft viele hundert Schritt von einem zum andern. Etwa im Centralpunkt der ganzen Colonie hatte man aber doch eine Kirche gebaut, unfern /38/ von der sich noch eine Schmiede wie einige Bauern festsetzten, deren Grundeigenthum gerade daran stieß.

      Selbstverständlich durfte aber auch ein Wirthshaus nicht fehlen, denn viele Leute hatten einen weiten Weg zur Kirche, und dann ging ein ziemlicher Verkehr dort vorüber, der täglich wenigstens einen kleinen Nutzen abwarf.

      Dies eine Wirthshaus, das von einer noch rüstigen und überaus thätigen Wittwe - einer Frau Roßberg gehalten wurde, hätte nun ganz vortreffliche Geschäfte gemacht, denn die Lage war ausgezeichnet - wenn es ihr eben verstattet gewesen wäre, dieselbe auch allein und unbehelligt auszunutzen.

      Leider aber wollte ein Anderer den Nutzen theilen, und kaum war das Ganze so weit geordnet, daß sie aus ihrem „Hotel zum goldenen Löwen" - wie sie das Haus nannte, eine hübsche Rente zu ziehen anfing, als ein Rheinbaier, der ebenfalls erst seit Kurzem herübergekommen und daheim ein ähnliches Geschäft betrieben hatte, ihr gerade gegenüber eine andere Loghütte aufsetzte und sein Haus, als ob er es ihr zum Possen gethan, gleichfalls mit einem Schild und goldenen Löwen verzierte, aber die Unterschrift darunter setzte: „Zum goldenen Affen." - Beide Thiere sahen auch in der Ausführung, während sie sich untereinander täuschend glichen, wirklich eben so viel einem Affen wie einem Löwen ähnlich, und die Colonisten hatten natürlich ihren Spaß daran.

      Madame Roßberg freilich war außer sich über eine solche Nachahmung. - Das Wirthshaus dort zu halten, durfte sie dem Deutschen nicht verwehren. Und wenn sich noch sechs Andere zu dem nämlichen Zweck da niedergelassen hätten, so mußte es ruhig ertragen werden; aber das gleiche Schild war ein Mißbrauch mit ihrem Eigenthum, den sie nicht zu dulden brauchte. Sic rief sämmtliche Nachbarn zu Schiedsrichtern auf, um zu bestimmen, in wie weit ein Anderer berechtigt sei, ihr Schild, wenn auch mit einer andern Unterschrift, über seine Thür zu nageln, und dadurch die weit herkommenden Gäste, die nur das gelbe Thier sahen und gewiß nicht auf die Worte darunter achteten, irre zu führen und ihr abspenstig zu machen. Aber eine Entscheidung war darüber schwer.

      Die


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