Die Regulatoren in Arkansas. Gerstäcker Friedrich

Die Regulatoren in Arkansas - Gerstäcker Friedrich


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weit sie es treiben könnte, ohne umzuschlagen.

       Smith, ein ruhiger, friedlicher Mann und selbst Methodist, war zu sehr mit alledem, was Mrs. Roberts eben gesagt hatte, einverstanden, um etwas dagegen einzuwenden, und folgte schweigend den übrigen vor die Tür. Dort hatten sich die meisten teils auf Stühlen, teils auf Baumstämmen und Trögen niedergelassen und sprachen von dem, was ihnen allen am nächsten lag, von den immer mehr und mehr um sich greifenden Pferdediebstählen.

       "Die Schufte müssen hier im County einen Hehler haben, sonst begreif' ich nicht, wie es möglich ist, daß sie uns immer irreführen", sagte Mullins.

       "Ja, und wohin sie die gestohlenen Pferde schaffen, bleibt mir auch ein Rätsel", rief Roberts. "Ein Gaul ist doch kein Vogel, der über die Erde geht, ohne Spuren zu hinterlassen."

       "Nur Geduld!" beteuerte Heathcott. "Nur Geduld, es hat jedes sein Ziel, und wir erwischen die Burschen einmal, wenn sie sich's am wenigsten versehen. Aber dann will ich verdammt sein, wenn ich einem von den Hunden das Leben schenke. Lumpig ist's, daß sie im vorigen Jahre die Todesstrafe auf Pferdediebstahl hier in Arkansas abgeschafft haben - das hieß dem Volke mit klaren Worten sagen: Jetzt helft euch selber - wir wollen's nicht mehr."

       "Ich weiß nicht, hart bleibt's immer, eines Pferdes wegen ein Menschenleben zu nehmen", warf Brown ein.

       "Hart? Zum Teufel auch!" rief Heathcott, sein großes Messer neben sich in die Rinde des Stammes stoßend, auf dem er saß. "Wer mir mein Pferd stiehlt, stiehlt einen Teil meiner selbst. - Ich habe jetzt drei verkauft und trage das Geld davon bei mir - es ist sozusagen mein ganzes Vermögen, mit dem ich mich anzubauen gedenke - Wer mir die Pferde gestohlen, hätte mir damit auch zugleich meinen ganzen künftigen Lebensplan zerstört, und das ist schlimmer, als wenn er mich über den Haufen geschossen. Nein, Tod den Schuften! - Laßt sie nur sehen, daß es uns ernst ist, und wir werden sie, das heißt die, die wir nicht gehangen haben, bald aus Arkansas los sein."

       "Euch scheint an einem Menschenleben wenig zu liegen", warf Brown ein.

       "Sehr wenig", antwortete Heathcott, sein Spiel mit dem Messer wiederholend.

       "Ihr taxiert dann das Eurige auch nicht besonders hoch?" lachte Harper. "Eh? Sonst würdet Ihr's nicht mit dem jedes Lumpen in die Waagschale legen."

      "Hoch genug, um den neun Zoll kalten Stahles schmecken zu lassen, von dem ich glauben müßte, daß er mir gefährlich werden könnte", rief Heathcott, sich wild im Kreise umsehend. "Dies ist ein freies Land, und jeder hat seine Ansichten, ich will aber verdammt sein, wenn ich die meinigen nicht oben behalte - so viel ist sicher. Aha, da ist auch der Mr. Rowson wieder", fuhr er höhnisch fort, als er die ehrwürdige Gestalt des Mannes, mit dem Hut auf dem Kopfe und dem Gebetbuch unter dem Arme, in der Tür bemerkte. "Auch einer von den Schleichern, die mit dem Schafsfell prahlen und den Fuchs nur zuweilen durchschauen lassen."

      Rowson wandte sich an den Negerknaben, der eben zum Hause kam, und bat ihn, sein Pferd zu holen. Heathcott aber, durch die Nichtachtung des Predigers, der sich stellte, als ob er die Worte gar nicht gehört hätte, erbost, sprang auf und rief drohend: "Nun, Meister Höllentreter, ich dächte, ich wäre einer Antwort wert, wenn ich auch ein Sünder bin."

      Ehe aber Rowson nur ein Wort erwidern konnte, sprang Brown auf, faßte Heathcott an der Brust und schleuderte ihn mit so gewaltigem Griff zurück auf seinen Platz, daß er über den Stamm hinweg und sich im Fallen blutig schlug. Alle anderen sprangen erschreckt empor, mit ihnen aber auch der Kentuckier. Das Messer ergreifend, das neben ihm hinuntergefallen war, setzte er mit einem Sprunge über den umgestürzten Baum hinweg und wollte sich eben auf seinen Angreifer werfen, als dieser ihm, ohne einen Zollbreit von seiner Stelle zu weichen, ein gespanntes Terzerol entgegenhielt. Heathcott, der keine Waffen bei ihm vermutet hatte, fuhr zurück und wollte seine Büchse ergreifen. Die übrigen Männer fielen ihm aber in den Arm und riefen einstimmig, daß sie keinen Mord hier dulden wollten.

      "Zurück mit euch!" schrie Heathcott. "Zurück! Laßt mich an den Buben - das fordert Blut. - Sein Herzblut muß ich haben - verdamm euch - die Augen aus seinem Kopfe."

      "Laßt ihn los", sagte Brown jetzt, das Terzerol einsteckend und ein ebensolches Messer, wie es Heathcott führte, unter der Weste hervorziehend. "Laßt ihn los, und wir können dann gleich sehen, wer der beste Mann ist."

      "Um Gottes willen, Mr. Harper, dulden Sie das Schreckliche nicht", bat Marion, die mit totenbleichem Antlitz aus dem Hause flog und die Hand des alten Mannes zitternd ergriff. "Der böse Heathcott bringt ihn um."

       "Seien Sie ruhig, liebes Kind", beschwichtigte Harper die Flehende, "und gehen Sie vor allen Dingen ins Haus zurück. - Dies ist jetzt kein Platz für ein junges Mädchen - hat die Kugel erst einmal das Rohr verlassen, so weiß niemand, wohin sie geht."

       "Er wird ihn töten", klagte das Mädchen.

       "Wen? Ihren Bräutigam? Nein. - Er hat ja den Streit mit meinem Neffen."

       Marion barg das Antlitz schluchzend in ihrem Tuche und ließ sich willenlos von Rowson, der zu ihr getreten war, ins Haus geleiten.

       "Zurück! sag ich", schrie Heathcott in höchster Aufregung. "Gebt mir meine Büchse - ich muß den Hund über den Haufen schießen."

       "Laßt ihn los", rief nun auch Brown in schnell auflodernder Kampflust. - "Laßt ihn frei - er hat Messer genug an sich herumstecken, einen ehrlichen Kampf zu wagen - weg da, Männer von Arkansas! Wollt ihr einen gleichen Streit hindern?"

       "Gut!" sagte Mullins. "Ihr mögt es ausfechten, aber die Büchse bekommt er nicht. - Wir wollen keinen Mord dulden - ein Kampf ist etwas anderes."

       Heathcott sah sich im nächsten Augenblicke frei, und die Männer bildeten einen Kreis um die beiden. Der eben noch so wilde Kentuckier schien jedoch durch den kalten, furchtlosen Blick seines Gegners gewaltig abgekühlt, und wenn er auch krampfhaft das Messer mit der Hand umschloß und dem ihn fest Erwartenden wütende Blicke zuschleuderte, so blieb er doch wie festgebannt auf seiner Stelle stehen und griff nicht an. Eine peinliche Stille trat ein, die Männer umstanden die Feinde und wagten kaum zu atmen, während Marion in der Tür des Hauses mit leichenblassen Wangen und stieren Augen hinüberstarrte nach dem Kreise und in krampfhafter Aufregung, die Hände fest auf die Brust gefaltet, zitternd und bangend den Erfolg des Gräßlichen erwartete.

       Heathcott befand sich in einer peinlichen Lage, er fürchtete augenscheinlich den Stahl des Feindes, aber mehr fast noch den Spott oder das höhnische Lächeln der Kameraden, das er glaubte erwarten zu müssen, wenn er den dargebotenen Kampf nicht annähme; da schlugen sich die Freunde ins Mittel und zwischen die Männer tretend, trennten sie die Streitenden.

       "Kommt, Heathcott", sagte Heinze, "ihr habt alle beide unrecht, und es ist eine Sünde und Schande, daß sich zwei ordentliche Kerle zerfleischen sollten, wo es noch Lumpengesindel genug im Walde gibt, an dem sie ihre Wut auslassen könnten. Kommt - es wird Zeit, daß wir aufbrechen, und es ist auch nicht recht, den Sonntag der Leute hier zu stören, die uns freundlich aufgenommen haben."

       "Das ist alles, was mich bis jetzt abgehalten hat, jenen Gelbschnabel zu züchtigen", knirschte Heathcott. "Aber warte, Bursche – ich finde dich, und Gnade dir Gott, wenn du mir einmal vors Rohr kommst."

      "Heathcott - Heathcott", warnte Mullins, "das sind böse, gefährliche Reden, sehr gefährliche Worte."

      "Laßt ihn", lachte Brown verächtlich, das Messer in die Scheide zurückstoßend. "Laßt ihn prahlen; es ist der einzige Genuß, den er vom Leben hat."

      "Komm, Bill", sagte Harper, den Widerstrebenden ins Haus ziehend, "komm, Bill - laß die Burschen erst fort - du hast jetzt deiner Ehre genügt, und es freut mich, daß sich meiner Schwester Sohn so brav benommen hat. Das tut's aber nun auch - denk an die Frauen, Marion ist vorhin erst ohnmächtig geworden." , "Marion ohnmächtig?" fragte Brown schnell, indem er dem Hause zusprang. "Ja so", sagte er aber dann langsamer, indem er wieder stehenblieb. "Ihr Bräutigam ist ja bei ihr, daran dacht' ich nicht. Sie wird sich wohl wieder erholen."

      Die Regulatoren hatten indessen den Platz verlassen, und auch Rowson schickte sich an heimzureiten.


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