Schattenkönig. Azura Schattensang

Schattenkönig - Azura Schattensang


Скачать книгу
ich gebetet, dass ich dich eines Tages gesund wiedersehen würde.“

      Aurelia rutschte näher an ihn heran und bettete ihren Kopf an seine Schulter. Constantin hob den Arm und legte ihn um ihre Taille.

      „Deine Gebete wurden scheinbar erhört“, sagte sie.

      „Ja. Auch wenn zunächst alles danach aussah, als hätten wir dich in den Fluten des Magaerus für immer verloren.“

      Nur mit Mühe gelang es Aurelia, die aufkeimenden Erinnerungen an die Begebenheiten nach ihren Sturz in den Fluss zu verdrängen. Dies war etwas, das sie für immer vergessen wollte. „Was ist eigentlich geschehen, nach dem ich euch am Orden verlassen habe?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln.

      Constantin stöhnte. „Meister Albion entwickelte sich zu einem wahren Sklaventreiber. Er hat mein Training verdreifacht. Ich fürchtete schon, dass ich nie wieder schlafen würde. Alle Versuche meinerseits den Grund für diese Entwicklung herauszufinden, hat er gnadenlos ignoriert.“

      „Was das betrifft, hat er nicht nur dich im Dunkeln gelassen“, sagte Aurelia düster.

      Constantin warf ihr einen kurzen Blick zu. „Na ja, irgendwann traf ein Brief von dieser blonden Zauberin ein. Meister Albion wurde ganz hektisch. Ich sage dir, in all der Zeit habe ich ihn noch nie so aufgebracht erlebt. Er hat Anweisungen gebrüllt und ehe ich mich versah, war ich mit ihm auch schon nach Hamern unterwegs.“ Er seufzte. „Dort trafen wir dann auf Sharon und die anderen. Den Rest kennst du ja.“

      „Mehr oder weniger“, murrte Aurelia.

      „Wie war es bei dir? Was ist geschehen, nach dem du die Flucht ergriffen hast?“

      Aurelia zögerte einen Moment und überlegte. Dann erzählte sie Constantin in groben Zügen von ihren Erlebnissen. Schweigend hörte er zu und musterte sie eingehend. „Wie kam es dazu, dass sich Kyle zu deinem selbsternannten Leibwächter erklärt hat?“

      Sie wich seinem Blick aus. Wie sollte sie diese Frage beantworten?

      „Er hatte den Verdacht, dass ich Amelias Tochter bin und wollte die Dinge ins Reine bringen.“ Das war zwar nicht die volle Wahrheit, aber auch nicht gelogen.

      Constantin sah sich suchend um. „Wo steckt er eigentlich?“

      „Wer?“ Aurelia sah ihn fragend an, obwohl sie wusste, wen er meinte.

      „Na, dein Wachhund. Sonst hat er dich keine Sekunde aus den Augen gelassen.“

      „Er ist nicht mein Wachhund“, schnappte sie bissig. „Ist eigentlich etwas zwischen euch vorgefallen? Als ihr euch letztens begegnet seid, wirkte es, als wolltet ihr euch gegenseitig an die Gurgel gehen.“

      „Ich... ähm.“ Constantin wirkte plötzlich sehr stark an einer Blume interessiert. „Wir hatten eine kleine Auseinandersetzung. Nichts weiter“, wich er aus. Skeptisch hob Aurelia eine Augenbraue, beließ es aber dabei. „Wo wir gerade beim Thema sind. Wo wart ihr zwei eigentlich?“ Nun sah Constantin sie forschend an.

      „Ich brauchte frische Luft“, war alles was sie dazu sagte und verschränkte die Arme vor der Brust.

      Constantin runzelte die Brauen. „Ist etwas passiert?“, wollte er wissen.

      „Nein. Nichts. Warum?“

      Er sah sie immer noch stirnrunzelnd an, dann schüttelte er den Kopf. „Ach nichts. Vergiss es.“

      Sie hörten Schritte hinter sich den Kiesweg hinab kommen und drehten sich zu dem Besucher um. Aurelias Herz verkrampfte sich, als sie Kyle erblickte. Seine kurzen, braunen Haare wirkten frisch gekämmt und über seinem dunkelblauen Hemd trug er einen schwarzen Wappenrock mit dem Symbol des Königshauses. Um die Hüfte hatte er den Schwertgurt geschlungen. Das Heft glitzerte im Sonnenlicht.

      Er kam um die Bank herum, blieb vor ihnen stehen und machte eine zackige Verbeugung. „Ich darf Euch mitteilen, dass Meister Albion und Norwin Euch zu sprechen wünschen. Sie wollen sich mit Euch und den anderen an der Bibliothek treffen.“

      Aurelia und Constantin sahen sich erstaunt an. Noch immer hatte sie sich nicht daran gewöhnt, dass sie von ihm mit 'Euer Majestät' angeredet wurde. Es fühlte sich irgendwie falsch an. Constantin erhob sich und reichte ihr die Hand. Mit einem Lächeln ergriff sie sie und ließ sich von ihm aufhelfen. Sie hakte sich bei ihm unter und er führte sie an Kyle vorbei in Richtung des Innenhofes.

      Als Constantin an Kyle vorbei ging, trafen sich ihre Augen für einen Moment und Aurelia hätte schwören können, dass unsichtbare Blitze zwischen ihnen umherflogen. Doch keiner von beiden sagte ein Wort und Kyle folgte ihnen schweigend in einigem Abstand.

      Als sie die Bibliothek erreichten, warteten Meister Albion und die anderen bereits auf sie. Meister Albion und Norwin trugen beide lange, aufwendig verzierte Tuniken. Auf Norwins Brust prangte der goldene Löwe der Algrims, wohingegen Meister Albion das Zeichen des Ordens – ein weißer Stern über einem sich kreuzenden Stab und Schwert - trug.

      Sharon war in ein weißes Hemd und einen schwarzen Rock gekleidet. Über dem Hemd trug sie eine schwarze Weste, auf die mit silbernen Fäden magische Runen gestickt waren. In ihren Händen hielt sie ihren geschmeidigen Holzstab mit dem durchsichtigen Kristall an der Spitze. Orias und Levin trugen jeweils Wämser aus feinem Stoff in den Farben der arthenholmschen Flagge.

      „Ihr habt uns rufen lassen?“ sagte Aurelia, während sie heimlich Sharons langes, blondes Haar bewunderte. Sie hatte es zu einem Zopf geflochten, welcher über ihrer Schulter hing.

      „Levin hat uns von der geheimen Kammer unterhalb der Bibliothek erzählt. Wir wollten sie uns einmal genauer ansehen“, antwortete Norwin. „Vielleicht können wir dort etwas über die mysteriöse Gestalt und die verschwundenen Frauen herausfinden.“

      „Wir hielten es für wichtig, dass die zukünftige Königin uns dabei begleitet. Immerhin tappen wir in dieser Angelegenheit noch vollkommen im Dunkeln“, fügte Meister Albion an. „Niemand im Schloss will davon gewusst haben.“

      Aurelia warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Sie hegte keinen wirklichen Groll gegen ihren Meister, dafür verdankte sie ihm zu viel. Dennoch hatte sie ihm nicht verziehen, dass er sie über ihre Herkunft im Unklaren gelassen hatte.

      Sharon entfuhr ein verächtliches Schnauben und erntete dafür einen bösen Blick von Orias. Bevor noch jemand etwas sagen konnte, trat Kyle vor und öffnete die Tür. „Vielleicht sollten wir langsam hineingehen“, sagte er und verschwand im Inneren.

      Wortlos folgten sie ihm hinein. Als Aurelia den Raum betrat, blieb sie stehen und sah sich staunend um. „So viele Bücher!“ hauchte sie.

      Kyle blieb neben ihr stehen und gluckste amüsiert. „Ihr wart vorher noch nie hier?“

      „Nein“, sagte sie über sich selbst schockiert.

      „Nun, das ist die königliche Bibliothek. Sie steht Euch Tag und Nacht zur Verfügung. Niemand sonst hat in der Regel zutritt.“

      Sie hörte ihm nur mit einem halben Ohr zu, denn sie war schon dabei mit den Fingern über die Buchrücken zu fahren und die Titel zu entziffern. Es würde Jahre dauern, bis sie alles gelesen hatte! Den Kopf in den Nacken gelegt, betrachtete sie die deckenhohen Regale und den wuchtigen Kronleuchter über sich. „Einfach unglaublich...“

      „Ich hätte mir denken können, dass Euch die Bibliothek faszinieren würde“, schmunzelte Kyle.

      Aurelia sah ihn einen Moment lang an. „Schäme dich dafür, dass du sie mir nicht schon früher gezeigt hast“, sagte sie mit einem Lachen.

      „Verzeiht, dass ich euren Plausch störe, aber wir haben im Augenblick wichtigeres zu tun.“ Constantin trat zwischen die beiden, fasste Aurelia an den Schultern und schob sie zu der Wand, vor der die anderen bereits Stellung bezogen hatten.

      Sharon zeichnete Runen der Kenntlichmachung und des Öffnens auf den Stein und geräuschlos verschwand die Wand. Erstaunt pfiff Norwin durch die Zähne.

      „Und ich dachte, ich


Скачать книгу