Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin. M.E. Lee Jonas
sie sogar schöne Träume. Dann ist sie in Marton bei Pippa und Zoé. Die meisten sind aber einfach nur schrecklich. Da ist sie wieder auf der Deponie oder in der Arena. Und dann gibt es noch die ganz Grausamen, in denen sie in der Küche hinter der Kochinsel kauert, Rosinante ruft, diese in ein Zepter verwandelt und den Vergessenszauber NICHT ausspricht. Linus hört auf zu fluchen und kommt ihr lächelnd entgegen. Alles ist gut.
Dann wacht sie auf und schreit. So wie jetzt auch.
Broaf packt J.J. am Arm und schüttelt sie kräftig.
»Jezabel, wach auf! Du hast schlecht geträumt! Außerdem musst du endlich etwas essen! Du kannst nicht nur in diesem Bett liegen und Trübsal blasen!«
Der Diener ist äußerst aufgebracht und reißt ihr grob die Bettdecke weg.
J.J. öffnet langsam die Augen. Als sie jedoch realisiert, dass sie noch in Havelock ist und immer noch keine Lösung gefunden hat, schmeißt sie sich das Kopfkissen wieder über das Gesicht. Das macht den Diener richtig wütend. Fluchend zerrt er es zur Seite und schnaubt.
»Ich denke, es reicht jetzt! Das geht nun seit fünf Wochen so. Ich habe dir also sehr lange Zeit gelassen, um zu dir zu kommen. Die ich übrigens nicht hatte, sondern damit verbracht habe, Ausreden über deinen Verbleib zu erfinden. Aber jetzt reicht es mir! Jezabel, du musst dich fangen! Ich bin es wirklich leid, mir täglich neue Lügen für Mrs. Rogan, Pippa, Vettel und den Hexenrat ausdenken zu müssen. Entweder du stellst mir jetzt sofort deinen Plan vor, oder ich werde handeln! So geht es auf jeden Fall nicht weiter!!!«
Broaf redet sich entschlossen in Rage und starrt zornig auf das Kissen, das sich J.J. mittlerweile auf die Ohren drückt.
Das bringt den Diener vollends aus der Fassung. Er packt das Kissen und schmeißt es fluchend in die Ecke. Dann stellt er sich mit verschränkten Armen vor das Mädchen und schnaubt, da er eine ungewohnt negative Energie in sich aufsteigen bemerkt. Aber J.J. bleibt provokant. Sie nimmt nun ihre Bettdecke und zieht sich diese bis über die Haarspitzen.
»Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?«, schreit sie ihn wütend an.
Da verliert der Diener zum allerersten Mal seine Haltung. Er stemmt kampfbereit die Hände in die Hüfte und stampft wütend mit den Füßen auf, sodass für einen kurzen Moment der Boden vibriert.
Vielleicht ist es diese ungewohnte Situation, vielleicht eine lustige Erinnerung. Ohne es zu wollen, muss J.J. nun kichern. Denn Broaf hat sich eigentlich immer im Griff und sie kann sich nicht daran erinnern, dass er auch nur ein einziges Mal ausfällig oder richtig wütend geworden wäre. Die Art, wie er jetzt mit ihr redet und wie er sich verhält, erinnert sie einfach zu sehr an ihre Großmutter.
Den Diener scheint das allerdings nicht zu amüsieren. Er dreht sich wütend weg und geht entschlossen zur Tür.
»Zehn Minuten! Ich gebe dir exakt zehn Minuten! Wenn du dann nicht unten in der Küche bist, werde ich handeln!«
Kapitel 2
Ein Notruf nach Rosaryon
J.J. starrt an die Decke und denkt nach. Als sie im Flur erneut das verzweifelte Fluchen des wütenden Dieners hört, schiebt sie ihre Bettdecke zur Seite und setzt sich langsam auf.
Ihr ganzer Körper schmerzt, da sie sich in den letzten vier Wochen kaum bewegt hat. Aber immer wenn sie loslaufen wollte, stockte ihr Körper und verkrampfte sich. So als wüsste er nicht, wohin er gehen soll. Dieses Haus ist vollgepackt mit erdrückenden Erinnerungen, denen das Mädchen aus dem Weg gehen wollte. Also hat sie sich in ihrem Bett verkrochen und ist irgendwann einfach liegen geblieben.
J.J. sieht an sich herab und schüttelt den Kopf. Was sie sieht, gefällt ihr ganz und gar nicht. Ihr Körper ist ausgezehrt und ungepflegt. Der graue Jogginganzug, den sie seit Wochen trägt, klebt regelrecht an ihrer Haut.
Langsam steht sie auf und schlurft ins Badezimmer. Vor dem Spiegel bleibt sie stehen und betrachtet sich argwöhnisch.
»Wie siehst du nur aus? Linus hätte sich bestimmt nicht so gehen lassen«, raunt sie sich ermahnend zu und schnappt gereizt nach ihrer Zahnbürste.
Es kostet sie viel Überwindung, sich diesen normalen, alltäglichen Dingen hinzugeben. Sie wäscht sich mehrmals die Hände und betrachtet sie abfällig. Aber die Schuldgefühle wollen einfach nicht vergehen.
Anschließend nimmt sie eine ausgiebige Dusche und versucht sich einigermaßen ansehnlich herzurichten. Aber auch das will ihr nicht gelingen. Ihre Haare sind inzwischen viel zu lang und hängen ungepflegt herab.
Genervt schlurft sie in ihr Ankleidezimmer. Nach langer Suche entscheidet sie sich für eine schwarze Jeans und einen grauen Rollkragenpullover. Mehr Farbe gibt die Situation nicht her.
»Grau ist gut.«
Auf Zehenspitzen schleicht sie auf den Flur und horcht. Im Haus ist es ungewohnt ruhig.
J.J. starrt eine Zeit lang auf die Schlafzimmertür ihrer Großmutter und geht langsam darauf zu. Nur zögerlich betritt sie das verwaiste Zimmer. Das Mädchen vermisst ihre Großmutter so sehr, dass es ihr einen Moment lang die Kehle zuschnürt. Darunter mischt sich ein Hauch von Wut und Unverständnis.
Auch wenn es zeitlebens der größte Wunsch ihrer Großmutter war, gemeinsam mit ihrer großen Liebe in Rosaryon zu leben, kann das Mädchen deren endgültigen Entschluss, einfach alles zurückzulassen, nicht verstehen.
»Großmutter gehört nicht nach Rosaryon. Sie gehört hierher! Hier in dieses Haus!«, schnaubt sie gereizt.
Das Zimmer sieht aus, als würde Oma Vettel jeden Moment hereingeschneit kommen und herumzetern. J.J. schließt die Augen und versucht ihren Duft zu erhaschen. Sie setzt sich auf das große Bett und vergräbt ihr Gesicht in den Händen.
»Broaf hat recht! Ich brauche dich. Aber wenn ich dich jetzt anrufe, kommst du Hals über Kopf hierhergestürmt und machst irgendwelchen Unsinn. Du hast nur noch ein paar Monate Probezeit im weisen Phad. Das darf ich nicht kaputt machen!«, flüstert sie dem leicht überdimensionierten Porträt zu, das auf dem Nachtschränkchen steht. Sie streicht sanft über das Foto und geht hinüber zur Frisierkommode. Erleichtert stellt sie fest, dass die silberne Haarbürste noch da ist. Ganz vorsichtig nimmt sie diese in die Hand und streicht versonnen über den kostbaren Stiel.
»J.J.-Cut. Ich möchte den J.J.-Cut haben«, sagt sie laut und fährt sich fest durchs Haar.
Es dauert vielleicht drei Minuten, bis sie die Haarbürste zufrieden zur Seite legt und die breite Strähne sorgfältig über das rechte Auge zieht.
»Es stimmt also, was Großmutter sagte. Sobald ich eine von ihnen bin, hält der Zauber auch bei mir. Die Frisur sitzt perfekt«, spricht sie verächtlich und schiebt sich samt Hocker von der Kommode weg. Dann verlässt sie eilig das Zimmer. Dicht ans Geländer gedrängt, pirscht sie die Treppen hinunter. Außer dem unheimlichen Windgejammer, das das Haus permanent von sich gibt, kann sie nichts hören.
»Das ist gespenstisch.«
Broaf steht in der Küche und füttert Afrim mit Holz. Der Feuerdämon windet sich schmatzend über die großen Holzscheite und stöhnt zufrieden.
Auch das hat sich verändert. Als J.J. ihn das erste Mal sah, hat er ihr furchtbare Angst eingeflößt und sein Gestank war ekelerregend. Nun kann sie dieses extreme Gefühl neu definieren:
Afrim macht ihr keine Angst. Er erinnert sie nur an etwas, das tief in ihr ruht. Wie eine Art unerfüllte Sehnsucht.
»Vielleicht war ich in einem früheren Leben ja selbst ein solches Geschöpf. Wer weiß das schon? Nachdem, was ich erlebt habe, kann ich nichts mehr ausschließen.«
Als das Mädchen die Küche betritt, krümmt sich der Feuerdämon und stöhnt erbärmlich auf. Der Diener stutzt und dreht sich um. Als er J.J. in der Tür stehen sieht, huscht ein erleichtertes Lächeln über sein Gesicht. Behutsam legt er das Holz zur Seite und geht auf sie zu.
»Gut siehst du aus! Es tut mir leid,