Abschiedsbrief an die Liebe. Patrick Sandro Nonn
die sich manifestierten und auf der nächsten Schule noch deutlicher in Erscheinung treten sollten.
Die Suche nach Ersatz kann mühsam sein. Wenn man jung ist, weiß man nicht genau, wonach man sucht und ahnt nicht, dass die Suche vielleicht das falsche Ziel hat. Ersatz ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Ersatz ist Wunschdenken und Hirngespinst. Die Suche nach Ersatz resultiert aus der Unfähigkeit loszulassen. Ich habe mich davor gefürchtet, dich loszulassen. Um dich drehten sich neunzig Prozent der in mir wach gebliebenen Erinnerungen an meine Vergangenheit. Ein Mensch ohne Vergangenheit ist ein Mensch ohne Zukunft. Ich weiß nicht woher der Satz kommt, aber ich weiß, es ist so. Das in der Vergangenheit Erlebte macht uns überhaupt erst lernfähig. Lernfähigkeit ist für mich die menschlichste aller Eigenschaften. Aufhören zu lernen, bedeutet Selbstaufgabe. Mich selbst aufgeben kann ich nicht, denn ich habe womöglich eine Aufgabe in dieser Welt. Sie mag global gesehen nichtig, unbedeutend und klein sein, aber sie will erfüllt sein. Bis das mein Schöpfer sagt: „Es reicht.“ Wer bin ich kleines Licht, in diesen Prozess einzugreifen? Aufgeben? Nein! Ich habe schon an der Schwelle gestanden. Bin nie gesprungen. Wer verletzt wurde weiß, dass er überleben kann. Möglichkeiten sich das Überleben schmackhaft zu machen gibt es viele. Man muss sie nur sehen und als Chance beim Schopfe packen. Bevor ich nicht jede einzelne erwogen und ausprobiert habe und darüber hinaus, ist für mich noch lange nicht Schluss. Wenn das heißt kämpfen, dann nehme ich diesen Kampf auf – sofern nötig auch gegen mich und meinen inneren Schweinehund. Andere mögen an ihrem Liebeskummer zerbrechen. Mich hat er irgendwie stärker gemacht. Eine gute Freundin hat mich gelehrt, damit klarzukommen. Sie heißt Einsamkeit und ist viel mehr, als dieses augenscheinlich niederschmetternde Wort. Ich dachte emotionale Ödnis und Wüste seien schlimm. Man geht in die Wüste, um sich selbst zu finden. Durch sie habe ich erfahren, dass ich die schönste Wüste und Einöde in mir habe. Mein Herz ist eine endlos weite, steinige Landschaft. Deshalb brauche ich nicht durstig zu sein und nicht zu verdursten. Ich trinke den spärlichen Regen, der in der Wüste fällt. In der Einsamkeit meiner eigenen Wüste kann ich uneingeschränkt ganz ich selbst sein. Ohne jemandem gefallen zu müssen. Keine Wüste auf unserer Erde ist schöner als meine Einsamkeit.
Nur ist Einsamkeit nichts anderes als ein schwacher Ersatz für Liebe, Zärtlichkeit und Partnerschaft. Kaum mehr wirklich eins zu eins austauschbar. Bei Licht betrachtet nicht ehrlicher, nicht verlogener als Wut und Hass. Wie bringt man diese Naturgewalten in Einklang? Wie lässt man sie harmonisch, wie in einem Orchester, zusammenspielen?
Keine Ahnung. Leider weiß ich es nicht. Sicher ist, sie alle haben ihre Existenzberechtigung. Aber in dem ganzen Gefühlstrubel gibt es schließlich und endlich auch noch mich. Und ich will meinen Frieden haben. Egal wie er aussieht und selbst wenn das bedeutet, dass ich meine ganz große Chance verpasst habe. Schweigt, ihr lieben, bösen Emotionen. Haltet die Klappe!
Ich würde euch gerne gegen neue Gefährten eintauschen. Es wird Zeit, die Räuberhöhle nach dem Winterschlaf zu durchlüften und für frischen Wind zu sorgen. Ich bin sowieso allzeit für jede Art von Veränderung bereit. Etwas Neues braucht der Mensch. Das Jahr 1995, alt und grau geworden, verging so sang und klanglos, wie es kam. Ich musste mich neu orientieren und meine Wahl fiel auf die Höhere Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung in Bad Neuenahr. Ein kleines Stück den Rhein hinunter und dann das schöne Ahrtal hinauf. Bei allen Schulen, die ich besucht habe, schwang ich wie ein Pendel, rheinauf, rheinab um meinen Heimatort, den Platz wo ich hingehöre. Warum nicht da weitermachen, wo man aufgehört hat? Schule anstatt Ausbildung in Ermangelung einer Idee, welcher Beruf mir gefallen könnte. Ersatz eben.
Warum sucht man nach Ersatz? Das fragst du dich jetzt sicherlich. Vielleicht hast du auch schon mal nach einer anderen Möglichkeit gesucht. Anstatt Kaffee trinkt man Tee, gibt’s keinen Rotwein, dann vielleicht einen weißen. Ersatz kann die Abwechslung und die Würze sein, die man sucht, um neuen Schwung in den Alltag zu bringen. Oder aber die Suche nach Ersatz ist der Versuch, eine große Leere, einen schwerwiegenden Verlust auszugleichen, damit die Waage wieder im Gleichgewicht ist. Obwohl die Wut großes Gewicht unter den Emotionen hat, den Verlust der großen Liebe, die einem nur einmal im Leben begegnet, kann sie nicht ersetzen. Stabilität und Ausgewogenheit sind mit die wichtigsten Faktoren im Leben. Ohne schwarz kein weiß, ohne Tag keine Nacht. Jedes Element hat seinen Gegenpol. Es müssen beide spürbar vorhanden sein, um Sicherheit gewährleisten zu können.
Was hast du bei denen gesucht, die dich nicht verehrten, wie es dir gebührte? Womit hast du dich abspeisen lassen? Tee anstatt Kaffee? Du hast doch so oft gemerkt, dass etwas fehlte. Ich weiß ja leider woran das liegt. Mir ist klar, du willst das nicht hören. Ich selbst hab ja schon kaum ein Selbstbewusstsein. Warum siehst du dich selbst ausschließlich durch rußgeschwärztes Glas? Du bist doch… (Du weißt schon, was ich sagen will.)
Ich habe die Idee im Hinterkopf, bei jeder Frau, die mir gut gefällt: Was ist, wenn sie doch nur wieder Ersatz ist?
Eigentlich bräuchte ich gar nicht mehr zu suchen. Noch öfter als bisher, muss ich gar nicht feststellen, wie uninteressant ich als Partner bin. Für lange, tiefschürfende Gespräche über Gott und die Welt durchaus verwendbar. Zu mehr jedoch wohl kaum. In diesem Universum scheine ich lauter Pech mit den Frauen zu haben. Ein Hoch auf alle Paralleluniversen, die es gibt. Die können es nur besser antreffen. Ein bisschen ironisch ist, dass wir vom Schicksal auf die gleiche Art geschlagen worden sind, bei dem was wir lieben. Ist das nicht verrückt? Optimistischer Schwarzseher, der ich bin, vermute ich, es gibt hinter all den verzerrenden Spiegeln, die uns die Sicht geradeaus versperren, einen Weg, auf dem wir beide wieder zusammenfinden. Leider ist er mir in den dreizehn Jahren, die ich dich jetzt kenne, noch nicht begegnet. Ich suche ja auch ganz alleine danach. Ersatz. Die einzige Möglichkeit, einen Funken vom Glück zu erhaschen. Ein winziger Schimmer, halb verdüsterter Hoffnung, kaum der Rede wert. Der kleinste Stern des Universums. Der Rest, der bleibt, wenn man das große Glück schon verspielt hat.
Für mich persönlich habe ich festgestellt, Ersatz ist nicht das Richtige für mich. Ersatz füllt nichts aus. Ich mag keinen Tee. Habe letztens eine Kanne Erdbeertee getrunken, weil nichts anderes mehr da war. Vor allem kein Cappuccino. Ein relativ billiger Tausch, natürlich. Aber für mich muss es schon Kaffee sein. Das heißt nicht, dass der Tee nicht geschmeckt hat. Im Gegenteil, er war sogar recht gut. Ich weiß nur leider, oder Gott sei Dank, je nach Standpunkt, viel zu genau, was ich will. Ich will in die Tiefe bohren, wo andere nur an der Oberfläche kratzen. Mag ja sein, dass deren Fingernägel brechen. Ich will die klare Wahrheit, wo geflunkert