Die Midgard-Saga - Niflheim. Alexandra Bauer

Die Midgard-Saga - Niflheim - Alexandra Bauer


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schrieb sie in Tirays Namen und damit war sie aus dem Spiel verschwunden.

      „Also, in zehn Minuten im Fantasia. Entweder du bist da, oder nicht“, klang es fröhlich aus Theas Boxen und mit einem Blubb war Juli aus dem Messenger verschwunden. Thea betrachtete noch eine Weile den Worldchat, doch Dein_Tod schrieb nichts mehr und so schloss auch sie das Spielfenster und fuhr den Computer herunter. Ein Eis nach einer Schlacht wie dieser war genau das Richtige. Sie schnappte ihren Fahrradschlüssel, hüpfte die Treppe vom obersten Stock hinab und lief geradewegs ihrer Mutter in die Arme.

      „Wohin so eilig?“, fragte diese interessiert.

      „Ins Fantasia“, antwortete Thea, schon die Türklinke in der Hand.

      Frau Helmken, eine Frau mit langen blonden Haaren und Augen wie blaue Ozeane, lächelte. „Eine fantastische Idee. Bringst du mir und deinem kleinen Bruder etwas mit, wenn du fertig bist?“

      „Och Mama!“, stöhnte Thea genervt. Aber ihre Mutter hatte bereits das Portemonnaie in der Hand und reichte Thea einen Schein.

      „Sei nicht so. Du darfst dir auch einen extra großen Becher auf meine Kosten gönnen“, lächelte sie.

      Thea grinste breit und nahm das Geld an. „Na wenn das so ist!“, erwiderte sie. Schon war sie in der Tür verschwunden, die sich gleich wieder hinter ihr öffnete.

      „Vergiss das Wiederkommen nicht!“, rief ihr ihre Mutter nach.

      „Ja, ja“, entgegnete Thea, sprang aufs Rad und fuhr los.

      Die Straßen, denen Thea zur Eisdiele folgte, waren gesäumt von spielenden Kindern und geschäftigen Menschen. Herr Gabel aus dem gegenüberliegenden Haus strich seinen Gartenzaun, gleich daneben polierte Frank, ein Junge aus der Oberstufe, sein Auto. In den Vorgärten der Häuser brummten Rasenmäher, Familien räumten taschenweise ihre Samstagseinkäufe aus ihren Autos und sportlich gekleidete Frauen und Männer joggten auf den Gehsteigen in Richtung des nahe gelegenen Parks. Eine Gruppe von Jungen vollführte mit ihren Skateboards waghalsige Sprünge über bereitgestellte Hindernisse, die sie rasch von der Straße räumten, sobald sich ein Auto näherte. Erst im Ortskern, mit den alten Fachwerkhäusern und seinen geschlossenen Hoftoren, wurde es ruhiger. Auf den gepflasterten Wegen der verkehrsberuhigten Zone wirkte die Zeit oft wie stehen geblieben. Ein Bäcker, mit einem historischen Gildenzeichen über seinem Ladengeschäft, hatte seine Türen bereits verschlossen und genoss sicher den wohl verdienten Feierabend – ebenso der Metzger nebenan. Auch die Apotheke mit ihren großen Fenstern, in denen allerlei Medizin feilgeboten wurde, war bereits geschlossen. Dafür hatte das örtliche Restaurant mit seinem angeschlossenen Biergarten geöffnet und bildete einen jähen Kontrast zum Idyll. Die Stimmen der Besucher drangen bis über die Straße zu Thea hinüber. Fahrräder, mit auf den Lenkertaschen platzierten Freizeitkarten, reihten sich dicht aneinander, ebenso ein paar Motorräder. Der kleine Parkplatz neben der Gaststätte war bereits hoffnungslos überfüllt und einige freche Fahrer hatten ihr Auto dicht an der Hofeinfahrt im Parkverbot abgestellt. An einem Samstagnachmittag schien die halbe Welt in diesen Teil der Altstadt einzufallen.

      Thea stieg von ihrem Fahrrad ab und lenkte es, noch immer auf dem Pedal stehend, in das autofreie Gässchen, das zur Eisdiele führte. Auch hier glich das Bild dem der Biergartenanlage – längst passte ihr Fahrrad nicht mehr in eine der aufgestellten Halteplätze. Kinder spielten am Brunnen vor der Eisdiele und auf dem Spielplatz, während sich ihre Eltern noch bei einem kühlen Getränk an den Gartentischen aufhielten. Am Straßenverkauf wartete eine geduldige Menschenschlange auf ihre Bedienung, nur einige wenige kehrten bereits mit gefüllten Waffeln zurück und schleckten an Pistazieneis und anderen Sorten.

      Thea parkte ihr Rad an einer freien Laterne und schloss es sorgfältig ab. Mit schnellen Schritten erklomm sie die hölzernen Stufen der Terrasse, während sie nach einem unbesetzten Tisch Ausschau hielt. Als ihr Blick den ihrer Freundin traf, geriet sie ins Staunen. Thea hätte wetten können, dass sie vor Juli an der Eisdiele ankommen würde, schließlich wohnte sie beinahe um die Ecke und Thea war zügig gefahren, doch hier saß Juli bereits an einem der oberen Tische, vor sich stehend eine große Portion Eis, auf der sich Sahne und jede Menge Obst türmte.

      „Ich wusste, dass du dich nicht lange bitten lassen würdest“, begrüßte Juli sie.

      Misstrauisch sah sich Thea um. Kaum ein Platz in der Eisdiele war unbesetzt. Familien, Paare, Cliquen, sie alle badeten sich in den frühsommerlichen Sonnenstrahlen, lachten und unterhielten sich, während sie mit den Löffeln in ihren Eisbechern gruben oder an ihren Getränken nippten.

      „Heute ist der Tag der Unmöglichkeiten. Wir haben Dein_Tod geschlagen und ich bin vor dir in der Eisdiele und habe bereits meinen Becher!“, triumphierte Juli.

      „Wie hast du das angestellt?“, fragte Thea verschwörerisch und setzte sich auf den freien Platz ihr gegenüber.

      „Du hast wohl noch nicht davon gehört, dass ich eine echte Hexe bin!“, lachte Juli und strich eine Strähne ihres blonden Haares von ihrer Brille, die ihrem akkurat zur Seite gekämmten Pony entkommen war.

      „Ha, ha“, erwiderte Thea, während sie die Karte studierte.

      Juli steckte den Löffel in den Mund und gab einen genüsslichen Laut von sich, worauf Thea missmutig nach der Bedienung sah.

      „Die lässt sich Zeit“, knurrte sie. „Wie hast du das gemacht? Jetzt sag schon!“

      Juli nahm ein Stück Erdbeere zwischen die Finger und verschlang es provozierend. „Magie, pure Magie.“

      Abermals suchte Thea nach der Bedienung. Ihr Blick begegnete dem eines jungen Mannes. Wirres, fuchsrotes Haar umgab sein Gesicht. Ein Bart rund um Kinn und Wangen leuchtete in der gleichen Farbe. Ertappt sah Thea weg, suchte aber ein weiteres Mal nach dem Fremden, um sich zu überzeugen, dass er ebenfalls den Blick abgewandt hatte. Das Gegenteil war der Fall und Thea schnappte sich die Karte und hielt sie studierend vor ihr Gesicht.

      „Wenn du sie nicht hinlegst, kommt nie jemand vorbei“, belehrte Juli sie.

      „Ach ne!“, schnarrte Thea.

      „Bestellst du heute keinen Nussbecher?“

      „Was? Doch.“

      „Na dann nimm endlich das Ding runter“, lachte Juli.

      Thea äugte über die Karte. Langsam nahm sie sie aus dem Gesicht. „Der starrt die ganze Zeit zu mir rüber“, murrte sie.

      Juli folgte ihrem Blick. „Wer?“ Sie hob sich leicht aus ihrem Stuhl und überschaute die Menge. „Ich sehe niemanden. Aber vielleicht ist es Dein_Tod, der dich mit seinen Augen durchbohren will!“, raunte sie verschwörerisch und lehnte sich verstohlen über den Tisch.

      „Du hast einen Knall“, lachte Thea.

      Endlich näherte sich die Bedienung. Statt den Bestellzettel mit sich zu führen, brachte sie jedoch einen großen Becher Eis und Sahne mit sich, gespickt mit Haselnüssen und Mandelsplittern, den sie vor Thea abstellte.

      Staunend sah Thea zu ihr auf und erntete dafür schallendes Gelächter von Juli.

      „Glaub mir, ich bin eine Hexe“, scherzte sie ein weiteres Mal.

      Thea verschränkte die Arme. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie Juli an.

      Ihre Freundin legte den Kopf schief. „Ich habe angerufen, bevor ich losgefahren bin und einen Tisch und mein Eis bestellt“, löste sie das Rätsel auf. „Meine Mutter musste noch einkaufen fahren. Sie hat mich rasch mit dem Auto abgesetzt. Als ich hier war, habe ich dein Eis bestellt. War doch klar, dass du einen Nussbecher nimmst!“

      Langsam tauchte Thea ihren Löffel in die Sahne. „Du bist schrecklich!“

      „Danke, ebenso“, grinste Juli.

      Sie aßen ihr Eis und ließen es sich nicht nehmen, im Anschluss noch einen Milchshake zu trinken. Sie sprachen über die Schule und das Spiel, über ihren gelungenen Kampf gegen Dein_Tod und schließlich bestellte Thea zwei


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