DER MULTIVERSALE KRIEG. Martin Cordemann

DER MULTIVERSALE KRIEG - Martin Cordemann


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wir so, wie wir das im Fernsehen gelernt haben.“

      „Sie meinen, wir schießen?“

      „Sie haben die falschen Sendungen geguckt, Nongmin, ich meine auf eine höfliche, diplomatische Art, nicht so wie in einem Western.“ Sie posierte vor der Kamera des Hauptbildschirms, versuchte so harmlos wie möglich zu wirken, und sprach: „Ich grüße Sie. Ich bin Captain Aretha Washington vom Erdraumschiff Tschaikowski. Wir würden gerne mit Ihnen Kontakt aufnehmen.“ Fast hätte sie noch vergessen: „Wir reisen in friedlicher Absicht.“

      Ja, es hatte viele Seminare und Diskussionsrunden zum ersten Kontakt, sollte er denn wirklich mal stattfinden, gegeben, und natürlich hatten Heere von Raumschiffkapitänen, Diplomaten, Soldaten, Anwälten und Funktionären der Fußballweltmeisterschaft in langen und kostspieligen Debatten eine klare Wortwahl für einen solchen Fall gefunden, erstellt und notariell beglaubigen lassen, was, neben vielen Dingen, dazu geführt hatte, dass man den Satz „Wir kommen in Frieden“ ein wenig abgewandelt hatte, da er auf diese Weise eventuell zu sehr die Intention in den Vordergrund stellen würde, dass man explizit zu diesen Fremden gekommen war, was diese wiederum als Kriegsgrund oder zumindest als Rechtfertigung für einen Strafstoß auffassen konnten. Leider gab es eine ganz, ganz wesentliche Sache, die all diese Leute nicht wussten.

      „Und das wäre?“

      „Dass die Wortwahl relativ egal ist, wenn das Gegenüber über keinerlei Worte verfügt!“

      2-15

      „Wie meinen Sie das?“

      „Nun, wie sich, nach längerer Zeit, herausstellte, benutzte das Volk, das Captain Washington kennenlernen wollte – und das kann man in beiden Richtungen verstehen – keine Wörter, sondern verständigte sich auf eine andere Art und Weise. Das machte dann natürlich selbst das rudimentäre Übersetzungsprogramm, das jemand entwickelt hatte, ziemlich nutzlos.“

      „Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.“

      Als hätte ich etwas anderes erwartet.

      „Nun, beginnen wir mit Sprache an sich. Da fängt es eigentlich schon an, schwierig zu werden.“

      „Inwiefern?“

      „Weil es teilweise viel zu wenig Einheitlichkeit gibt, um damit zu arbeiten. Einfaches Beispiel: Alphabet. Das ist eine nette Sache, aber in Sachen Einheitlichkeit scheitern wir da schon auf der kleinsten Stufe.“

      Un-ver-ständ-nis!

      Zugegeben, es war kein leichtes Thema, nicht sowas lockeres wie Antigravitationsantrieb, Kursberechnung im dreidimensionalen Raum oder E-Mailadresse des Marsungeheuers.

      „Nehmen wir einfach mal zwei Sprachen, die viele Parallelen aufweisen und durch die Globalisierung seinerzeit auch ein bisschen ineinander übergegangen sind: Deutsch und Englisch. Und nun nehmen wir erwähntes Alphabet. Das sollte eigentlich dazu da sein, Einheitlichkeit zu schaffen, zum Beispiel dadurch, dass man sich bei einem Buchstaben darauf verlassen kann, dass er so klingt wie er heißt und das am besten sogar in jeder Sprache.

      Pustekuchen!

      Im Deutschen klingt das 'i' wie ein ihh, wie bei ihn oder ihr, oder kürzer, wie bei Kind oder Wind.

      Im Englischen spricht sich der Buchstabe aber 'ei' aus, zumindest, und da stoßen wir auf das erste Problem, oft aber nicht immer. Und das sogar bei ähnlich geschriebenen Wörtern. Der Wind klingt im Englischen wie im Deutschen, ist man aber gütig, also 'kind', klingt das nicht wie das deutsche Kind sondern wie Abels Bruder Kain, nur mir d am Ende: 'keind'. Ein unterschiedlicher Buchstabe, ziemlich unterschiedliche Aussprache – und nur ein Beispiel von vielen.

      Das Ganze könnte man mit allen Vokalen durchexerzieren und wenn wir dann mit den zusammengesetzten anfangen, wie 'au' oder 'ei', dann würde sich dieser Exkurs über Stunden hinziehen.

      Der Punkt ist: Sprache ist nicht einfach, selbst, wenn sie sich relativ ähnlich ist. Selbst gleich geschriebene Wörter können da komplett unterschiedliche Bedeutungen haben.

      Beispiel: 'Die List'

      Könnte auf Deutsch und Englisch ein Filmtitel sein, würde aber etwas völlig anderes ausdrücken. Da hätten wir also entweder sowas wie 'Die Finte' oder 'Der Trick' und auf der anderen Seite etwa die 'Sterbeliste' oder 'Todesliste'.

      Sie sehen, gar nichtmal so einfach. Haben Sie keinerlei Anhaltspunkt, in welcher Sprache dieser Titel ist, wissen Sie nicht, ob Sie besser mit Ihren Kindern oder Ihrer Frau in den Film gehen sollen.

      Und jetzt kommen wir zurück zu Captain Washingtons Erstkontakt...

      Was wissen Sie über die Sprache von Marienkäfern?“

      Offene Münder... keine Antwort.

      „Das sind so kleine Insekten, roter Rücken mit Pünktchen drauf, ganz putzig die kleinen Dinger. Na, irgendeine Idee?“

      „Haben die denn eine Sprache?“

      „Gute Frage.“ Ich zuckte die Schultern. „Möglich. Wale haben eine, und Vögel vermutlich auch. Und doch ist es niemandem bislang wirklich gelungen, die zu entschlüsseln.“

      „Und die Sprache der Außerirdischen...?“

      „Das... war schwierig. Was uns zu einem weiteren Axiom der Weltraumforschung bringt.“

      „Einem Axiom?“

      „Gut, um ehrlich zu sein, ich bin nicht ganz sicher, ob der Begriff hier überhaupt zutreffend ist. Oder war er eigentlich heißt. Aber es gibt Forscher, die sagen, dass man als Wesen, das durch den Weltraum fliegt, nur Kontakt zu anderen Wesen sucht, die einem ein wenig ähneln, also Menschen würden menschenähnliche Wesen ansprechen, andere aber eher nicht, schon wahrscheinlich deshalb, weil man die vielleicht gar nicht als solche wahrnimmt, zum Beispiel intelligente Gase oder schlaue Mikroben, falls es sowas gibt. Unter anderen Umständen wäre es in diesem Fall auch vielleicht genau auf soetwas hinausgelaufen... aber es waren eben genau diese Umstände.“

      Jetzt wusste ich mit Sicherheit, dass ich sie verloren hatte.

      „Noch nichtmal ein 'Häh?' oder 'Was?'?“ fragte ich.

      Man offerierte mir weder noch.

      „Sehen Sie, wenn diese außerirdische Wesen eine Stippvisite zur Erde gemacht und uns dort gesehen hätten...“

      „Bei der WM zum Beispiel?“

      „...ja, warum nicht? Dann hätten sie vielleicht keinen Kontakt zu uns aufgenommen, weil wir ihnen möglicherweise einfach zu fremd erschienen wären... oder sie uns nicht für intelligent gehalten hätten.“

      „Ist das eine Anspielung auf die Fußballweltmeisterschaft?“

      „Warum nicht? Aaaaber die Situation in diesem Fall war ja nun eine andere. Was sie gesehen hatten, waren nicht mit Haut überzogene aufrecht gehende Zweibeiner, sondern ein Objekt aus Metall, das ihrem eigenen Objekt aus Metall, mit dem sie zwischen den Sternen herumreisten, nicht ganz unähnlich war. Sie hatten keine Ahnung, was sich in diesem Metallzylinder befand und wahrscheinlich, wenn sie noch kein anderes fremdes Volk kennengelernt hatten, oder wenn sie so arrogant waren wie die Menschen, nahmen sie an, dass diese fremden Wesen ihnen selbst wahrscheinlich recht ähnlich sein und sich, mit etwas Glück, auch recht ähnlich verständigen würden.“

      Dramatische Pause.

      „Nichts davon war der Fall!“

      2-16

      Stille Wasser sind ja bekanntlich tief – aber die stillen Blicke meiner Gesprächspartner waren eher leer.

      Prinzipiell ließen sie mir die Wahl zwischen mich aufregen und seufzen.

      Wofür ich mich entschieden hatte, war, ihnen auf die Nerven zu gehen.

      Ich hatte Erfolg, soviel war


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