Aufwachstory. Anatol Flug
gegen einen Gegenstand. Er musste aus Blech, Aluminium oder einem ähnlichen Material sein und machte einen fürchterlichen Lärm, als er gegen etwas Metallenes krachte und dann zu Boden fiel.
Meine Unruhe stieg, ich begann, mit meiner linken Hand auch im Raum zu tasten und traf auf ein Stück gespannten Stoff, das nur ein Lampenschirm sein konnte. Es gehörte zu einer Stehlampe. Ich beruhigte mich langsam etwas, tastete nach dem Kabel, fand den Schalter daran und knipste das Licht an.
Der Raum war viel größer als ich es nach Christophs Beschreibung seines Kabinetts erwartet hätte. Es waren wohl an die zwanzig Quadratmeter. Der Raum war dominiert von einem in seiner Mitte stehenden Krankenbett auf Rädern, in dem Marias Sohn lag, an der Seitenwand daneben sein Rollstuhl.
Ich weiß nicht, ob der Junge darauf vorbereitet worden war, dass ich diese Nacht auch in seinem Zimmer schlafen würde, bzw. ob er überhaupt so weit Verständnismöglichkeiten hatte, dass man ihm das mitteilen konnte. Jedenfalls stellte er sich offensichtlich weiter schlafend. Es war völlig unmöglich, dass er den Lärm zuvor nicht gehört hatte, aber er lag weiter in seinem Bett mit geschlossenen Augen und atmete leise und regelmäßig.
Mir schien es am besten, die Unterbrechung der Nachtruhe möglichst kurz zu halten und mich hinzulegen und das Licht wieder abzuschalten. Der einzige freie Schlafplatz war ein Jugendbett, das in eine Ausnehmung in der der Tür gegenüber liegenden Wand eingebaut war. Ich zog mich bis auf Boxer Short und T-Shirt aus, schaltete das Licht aus und legte mich ins Bett.
Es war schon mit freiem Auge leicht zu erkennen gewesen: Das Bett war viel zu kurz für mich. Wenn ich die Knie rechtwinklig abbog, war gerade noch etwas Spielraum zum Fußende des Bettes, aber es war unmöglich, die Beine auszustrecken, und da das Bett ja nicht frei stand, sondern in diese Mauerausnehmung eingelassen war, konnte ich die Füße auch nicht über den Bettrand hängen lassen. Ich legte mich in Embryonalstellung, was anfangs ganz angenehm war, aber nach einiger Zeit unbequem wurde. Ok., ich durfte nicht zu schnell aufgeben, brauchte nur mal einzuschlafen. Ich drehte mich zur Wand und legte mich wieder seitlich hin, die Beine angezogen.
Ich war entschlossen, einzuschlafen, und blieb eine ganze Weile mit geschlossenen Augen so liegen. Nach einiger Zeit begann es plötzlich im Krankenbett etwas lebendiger zu werden. Der Junge nahm wohl an, dass ich jetzt eingeschlafen war. Mir war zuerst nicht klar, welche Geräusche das waren, nach kurzer Zeit war aber offensichtlich, dass er onanierte. Dabei hatte ich ihn wohl gestört und er sich dann schlafend gestellt. Mir war die Situation höchst unangenehm. Ich wollte nicht hier liegen und mir das anhören, andererseits war für mich überhaupt nicht klar, was es dem ohnehin schon schwer behinderten Jungen an Scham und psychischem Leid antun konnte, wenn ich jetzt aufstand und auf die eine oder andere Art die Situation thematisierte.
Ich versuchte es erst mal mit einem Kompromiss, drehte mich laut im Bett und hustete, um zumindest die Möglichkeit anzudeuten, dass ich wach sein könnte. – Entweder verstand er es nicht, oder es war ihm doch einfach egal. Er machte jedenfalls weiter, eher heftiger, und stieß dabei einige seltsame Laute aus. Ich drehte mich mit dem Gesicht zum Bett und hatte beschlossen, jetzt einzugreifen. Da öffnete sich die Tür; Maria, die wohl schon die seltsamen Laute gehört hatte, trat ein und schaltete eine kleine Lampe an, die offensichtlich dazu diente, nachts nach dem Jungen sehen zu können, ohne ihn zu wecken. Sie strahlte ein fahles blaues Licht ab, das gerade genügte, um im Raum halbwegs sehen zu können, das der Szene aber auch etwas Gespenstisches verlieh.
Im Gegensatz zu ihrem Auftreten im Gasthaus war Maria jetzt mehr als züchtig gekleidet. Kein halb durchsichtiges T-Shirt, kein Rock mit weit weit nach oben reichendem Schlitz. Christoph hatte am Abend erzählt, dass es unter den Stammgästen einige gab, die Marias legendärer erotischer Ausstrahlung völlig erlegen waren. Die meisten versuchten, sich das nicht anmerken zu lassen, aber einige vor allem ältere Stammgäste besprachen das auch sehr gern miteinander und erzählten flüsternd, welche Blicke sie erhascht hatten. Mitunter trafen sich diese Stammgäste sogar in einem anderen Gasthaus, um ohne immer darauf bedacht sein zu müssen, dass Maria nicht gerade in der Nähe war, darüber sprechen zu können.
Ein Gast war sogar einmal so weit gegangen, das Gerücht, dass Maria unter ihrem Rock kein Höschen trage, näher zu erforschen. Er war an diesem Abend ordentlich betrunken und es war schon spät. Es gibt in Landgasthäusern immer einen Knackpunkt, das ist, wenn der letzte weibliche Gast das Lokal verlassen hat. Je länger dieser Zeitpunkt überschritten und je mehr Alkohol im Spiel ist, desto stärker wird die stillschweigende Übereinkunft, dass man nun ja gewisse Normen außer Acht und etwas mehr dem Natürlichen seinen Lauf lassen könne.
An dem Abend war dieser Zeitpunkt schon lange überschritten und die gerade noch fünf Gäste hatten ausgiebig miteinander gezecht und waren schon seit einiger Zeit mit recht zweideutigen Themen beschäftigt. Maria hatte gerade die nun endgültig letzte Runde Getränke ausgeschenkt; der besagte Gast stand seitlich neben ihr an die Theke gelehnt, und als Maria losging, um den einen noch verbliebenen Tisch abzuräumen, hielt er wie zufällig kurz ihren Rock fest und dieser glitt langsam an ihren Beinen entlang zu Boden.
Die Wirtin hatte auch in diesem Augenblick nicht wirklich Sorge, dass sie die Kontrolle über ihre Stammgäste verlieren könnte. Sie hielt es aber trotzdem für das Beste, hinter die Theke und aus dem Raum zu verschwinden, bevor sich die Situation vielleicht doch noch etwas eigenartig zu entwickeln begann. Einer der anderen Gäste behauptete seither, dass an diesem Abend nicht nur die Höschentheorie bestätigt wurde, sondern erzählte auch wundersame Dinge über ihre Schamrasur. Da sein Zustand aber allgemein bekannt wurde, nachdem er später offensichtlich beim Pinkeln eingeschlafen war und am Sonntagmorgen skandalöser Weise mit offenem Hosenstall neben der Statue des Dorfheiligen im Gras liegend gefunden wurde, beschäftigten sich nicht mal seine Saufkumpanen weiter mit diesem Gerede.
Maria hatte bald ihre Fassung wieder zurückgewonnen und kam im selben Rock – den ihr Mann aus dem Schankraum geholt und in die Küche gebracht hatte – zurück. Maria sprach den Vorfall in keiner Weise an; sie ließ aber dem Gast, der inzwischen gegangen war, von seinen Freunden ausrichten, dass sein Besuch im Gasthaus nicht mehr erwünscht sei, und er hatte es seither auch nicht mehr gewagt, das Gasthaus wieder zu betreten.
Was Maria jetzt in der Nacht trug, konnte nur der Schlafrock ihres Mannes sein, den sie wahrscheinlich schnell übergeworfen hatte, als sie die seltsamen Laute des Jungen hörte. Die Größe des Rocks passte relativ gut und es war auch nicht unwahrscheinlich, dass beide Ehepartner*innen dieselbe Konfektionsgröße hatten. Aber Schnitt, Grobheit des Stoffes, Musterung und die Kombination dunkler Farben sprachen eindeutig für einen Männerschlafrock.
Der Junge hatte zu onanieren aufgehört, als er seine Mutter in den Raum kommen sah. Er stellt sich aber keineswegs schlafend und – anders als in der Szene, die ich am Nachmittag in der Küche beobachtet hatte – sah seine Mutter herausfordernd und ein wenig trotzig an. Diese bewegte sich in den Raum hinein und ging um das Bett herum. Vom Weg vorbei am Kopfende des Krankenbettes, kurz bevor sie zwischen die beiden Betten kam und mir den Rücken zudrehte, warf sie mir einen Blick zu, der nicht feindselig mir gegenüber war, in dem sich aber ihre Unzufriedenheit und Frustration angesichts der gesamten Situation ausdrückte.
Vielleicht war es eine spontane Idee ihres Mannes gewesen, mich hier einzuquartieren. Nun mit dem Wissen, dass es sich ja nicht um ein leerstehendes altes Kinderzimmer handelte, sondern ich hier gleichsam in die sensibelsten Bereiche ihrer Intimsphäre eindrang, kam mir diese Vermietung auch ziemlich seltsam vor. Der Preis war lächerlich gering gewesen; ich hätte für diesen Betrag im Gasthaus nicht einmal eine ordentliche Mahlzeit bekommen. Man konnte gar nicht so hoch verschuldet sein, dass eine solche Aktion Sinn machte, in der für die Wirtsfamilie praktisch alle Möglichkeiten, sich zu erholen, gestört wurden.
Maria stand nun zwischen meinem und dem Krankenbett und hatte mir nun vollständig den Rücken zugekehrt. Sie beugte sich zum Jungen hinab, und ich war nicht sicher, glaubte aber, noch einige massierende Bewegungen ihrer Hand gesehen zu haben, bevor sie ihm die Decke hochzog. Nach dem Zudecken öffnete sie die Blockierungen an den Rädern des Krankenbettes, entnahm im Vorbeigehen noch etwas aus einer Schublade, das ich nicht erkennen konnte, spreizte die Tür auf und fuhr dann mit dem Krankenbett, in dem ihr Sohn lag, aus dem Zimmer.
Jetzt