BEYOND – Eine andere Wirklichkeit. Tabea Thomson

BEYOND – Eine andere Wirklichkeit - Tabea Thomson


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ich ausgehe, schießen wir zum Anwesenheitsalibi ein Bild. Danach heften wir den Depotschein für die Abholung an den Pappmaschee Planeten. Im Trockendock fertigen wir ein Gruppenbild an, es beweist, wir sind vollständig mit Mann und Maus in der Festung angekommen.«

      Mit den Gedanken auf der Zunge wandte er sich kampfentschlossen den Kartenwerken zu. Die Unmengen ließen ihn stöhnen. »Wir liefern pünktlich!«, donnerte es genervt über seine Lippen.

      ~

      Delune war der erfolglosen Suche müde. Wutentbrannt fläzte er sich mit Hummeln unterm Hintern auf den Sessel am Schreibtisch. Er wühlte aufgebracht in den Haaren herum, die Stirn legte sich in Falten und der grimmige Blick wanderte über die vor ihm liegenden PAD‘s, an dem links von ihm liegenden mit der zweiten Eigner Order hielt er an.

       ~

       ... Für den Auftrag erhalten sie Unterstützung von Captain Lennard Minn, er besitzt die notwendigen Berechtigungsziffern.

      ~

      Damit verlangte der Boss, dass er seinen Chefsessel den rothaarigen Tölpel Minn überlassen muss. Und das, obwohl sie sich seit ihrer ersten Begegnung nicht ausstehen können. Delune's Mimik kochte vor Wut. Missmutig schob er das PAD beiseite.

      »Wieso hat nur Minn den Berechtigungscode für diese dringenden Aufträge?« Unweigerlich schipperten seine Gedanken an den Tag zurück, als er den Arbeitsvertrag als Captain der Visitor unterzeichnete. Das war am 14. Februar 2261. Um 20 Uhr 15 setzte Delune die Füße auf den Landungssteg vom Zubringer Shuttle, er war vom Selbstzweifel und von einer Flasche hochprozentigen Whisky durchdrängt. Seine entgeisterten Augen fixierten eine neben dem Zubringer stehende Bautafel. In fetten Buchstaben stand dort:

      Hier entsteht das große Notfall Hangar Deck.

      Was bereits fertiggestellt war, verbarg sich hinter undurchsichtigen Staubwolken und Baulärm.

      »Na Super!«, zischte er vergnatzt.

      In seinem Dusel hatte er an Bord des Zubringer Shuttles den falschen Ausgang genommen. Wodurch er nun anstatt im Ankunftsbereich der realen Abteilungen im zukünftigen Notfall Hangar Deck 9 stand.

      Mit vielen hatte er gerechnet, bloß nicht mit einer Großbaustelle auf einem unfertigen gigantischen Handelsraumschiff, auf irgendeinen lebensfeindlichen Planeten. Und alles um ihn herum bestand anscheinend nur aus undurchsichtigem staubigem Lärm. Zwei Schritte später wollte er eigentlich sofort umkehren, allein die enorme monatliche Heuer war der Grund; warum er es nicht tat, und stattdessen hier im Halbdunkeln über die Baustelle stolperte. Mit sich und seinem Rausch beschäftigt nahm er alles wie hinter einem dicht gewirkten Vorhang wahr. –

      ~

      Zur selben Zeit begab sich der korpulente und 1,85 m große Heiler Lennard Minn im Schutz vom dichten Staub zum Crewlift. Er hatte wiedermal die Tücken der U P C Technik zu spüren bekommen. Daraufhin hatte er sich nach Dienstschluss, im 3-Personen-Shuttle seines Freundes Sorel Gwen, mit einer hochprozentigen Flasche Whisky verabredet. Die Literflasche war, wie schon etliche Male zuvor, sehr spendabel. Die Zeit glitt aus den Händen. … Eine dreiviertel Flasche später ging das Wecksignal seiner antiken Armbanduhr los.

      »O–ha!, so–o spät scho–on. Das gibt Ärger. Mein liebes Eheweibchen ist bereits im Quartier«, zwitscherte er der Flasche zu.

      Seinem Eheweib Cara hatte er erzählt: »Zusammen mit den Sicherheitsleuten muss ich auf den Baustellen an einem Kontrollgang teilnehmen, hinterher gibt es einen Umtrunk.«

      So gesehen hatte er nicht allzu viel geflunkert. Wenngleich er ziemlich angetüdelt daherkam, aber er befand sich auch inmitten einer der zahlreichen Baustellen.

      Unzählige Hindernisse machten es den torkelnden Füßen nicht gerade leicht. Nach einem Stolperer sprach er zu sich: »Großer!«, er tätschelte sich ermahnend auf die Schulter, »damit unser Stelldichein nicht auffliegt, musst du dich ohne Verletzung zum Crewlift durchschlagen.« –

      ~

      Delune's aufgescheuchter, ständig nach Gefahren suchender Blick war konstant nach oben gerichtet.

      Der vom herantorkelnden Minn gleichsam. Seine Füße stolperten über was, synchron rutschten sie in einer schmierigen Flüssigkeit aus. Im rasanten Tempo verloren sie die Orientierung und donnerten an den, mit sich selbst diskutierenden und entgeistert dreinblickenden Delune. Minn kam zum Stehen, aber Delune das Fliegengewicht sprengte es seitlich weg. Er drohte, wenn er sich nicht an was festhalten konnte, mit Schmagus über diverses Baumaterial zu segeln. Instinktiv suchte er halt am kräftig gebauten von Wind und Wetter geprägten Prachtgatten Minn. Doch der war wegen seiner hochprozentigen Bekanntschaft alles andere als standfest. Wie zwei aufgeplatzte Zementsäcke stürzten sie zu Boden. –

      Minn schüttelte den Staub aus seiner schulterlangen kupferroten Lockenmähne, die Blessuren strafte er mit Verachtung.

      Hingegen Delune jammerte kläglich. Er hatte einige, erst noch in den nächsten Stunden vollständig erblühende, mittelgroße Prellungen an den strammen Oberschenkeln und den Gesäßbacken.

      »Sie Hungerrippe sind ja schlimmer wie eine alte, eingerostete Jungfer in der Hochzeitsnacht«, zwitscherte Minn vergnügt.

      Delune fand es nicht witzig. … Ein Satzhieb provozierte den nächsten … Nicht einmal die Sicherheitsleute vermochten die Wortgefechte zu stoppen! In den Kehlen zog erst Ruhe ein, als der eine in den vorderen Arrestzellen Trakt Quartier bezog und der andere in den dahinterliegenden.

      *

      Und jetzt am 24. November 2262 sollen die zwei Vokalraufbolde gemeinsam ein dringendes Frachtproblem lösen?! –

      ›Das wird nie was?‹, spekuliert die Notbesatzung, sie stehen mit den Swa im Wettfieber. Ihre Wetteinsätze sind purer Luxus: vier zusammenhängende dienstfreie Tage. –

      Welche Zocker momentan die besseren Chancen haben, könnten sie vom beobachtenden Team (zwei Offiziere und vier Geistheiler) im Sicherheitskontrollraum erfahren, aber sie hüllen sich in Schweigen. Es bleibt spannend und die Gerüchteküche ist am Kochen. –

      * *

      Die Stimmung im Sicherheitskontrollraum war angespannt, alle Augen fokussierten das von den winzigen I P S – fliegende Bildsensoren übertragene. Jede Geste, jedes Wort oder emotionale Regung von Captain Delune und Captain Minn, werteten die Geistheiler aus. Parallel dazu bezogen sie Augenzeugenberichte mit ein: ›… Ihre Wortgefechte bringt die Luft zum Kochen. Kanalratte oder aufgeplatzter Dudelsack sind die harmlosesten der liebkosenden Begriffe.‹

      Die Augenzeugen vermuten hinter der Wortschlacht mehr als nur eine unglückliche Verkettung von Ereignissen. Sie sehen darin vielmehr: Machtkämpfe zweier unreifer Teenager vom gleichen Schlag. Andere sehen darin einen Ausbruchsversuch aus dem langweiligen Bordalltag im beruhigten Bereich.

      Aber alle waren sich einig: Fakt ist, so kann es mit den Streithähnen nicht weitergehen. –

      ~

      Die Geistheiler sahen es auch so. Zusammen mit dem Sicherheitsteam feilten sie im Vorfeld an einer Abhilfe. Jetzt war es soweit: Delune hatte den ersten großen Handelsauftrag erhalten. Der Haken an der Sache ist: ohne Captain Minn's Hilfe kann Delune nichts Ausliefern. Aber noch sträubt sich Delune …

      * *

      Um 7 Uhr 8 flog die Tür vom Bereitschaftsraum auf und Delune stürmte in die angrenzende Teeküche, seine Wut bekam der Wasserkocher ab, es rumpelte und schepperte gewaltig.

      Der nach Arun aussehende erhob sich vom Sessel und schlenderte zur Teeküche. Am Eingang blieb er stehen, Vorsichtshalber klopfte er am Türrahmen.

      Delune warf dem Ersten einen finsteren Blick zu.

      »Reicht das Wasser noch für einen zweiten Aufguss?« Arun trat zum Captain heran.

      »Ja«, knurrte es. Eine Tasse wanderte zu Arun.

      »Kann ich Ihren Teebeutel haben?« –


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