Todesangst in der Nordeifel. Jean-Louis Glineur
wohlhabenden Bürgern, gefiel mir. Wolfram hatte seine Frau aus dem Auto angerufen, und Marianne kam zögernd auf uns zu. Sie wankte leicht wie jemand, der ein Bier zuviel getrunken hat. Ich war sicher, es waren die Beruhigungsmittel.
Wolfram umarmte und küsste sein Frau zärtlich. Der kleine Max sei bei ihrer jüngsten Schwester Marlene, sagte er, und dass er uns beide jetzt alleine lassen würde.
Ich hatte mich ein paar Schritte im Hintergrund gehalten. Marianne kam auf mich zu und gab mir die Hand. Sie lächelte plötzlich, und ich sah ein Strahlen in ihren Augen. „Lass dich umarmen, lieber Alwin. So viele Jahre sind vergangen, und du hast immer noch keinen vernünftigen Haarschnitt.“
Wir spazierten nach Bad Honnef und setzten uns auf die Terrasse vom Café Nottebrock. Wir bestellten Milchkaffee und lächelten einander an. Ich saß wie auf heißen Kohlen und vergaß für Augenblicke den Grund meines Besuches. Ich fühlte mich wieder wie mit siebzehn. Verliebt und nervös. Wir sprachen über belanglose Dinge und über die Dinge, die ich in den letzten Jahren getrieben hatte. Sie wusste von meinem Job, denn Anne und ich inserierten regelmäßig in den kostenlosen Wochenblättern der Nordeifel.
„Ich habe nichts gegen die Polizei und sie haben mich nach dem Überfall gut behandelt“, begann Marianne das Thema, das ihr Leben vor vier Wochen veränderte. „Aber ich habe Wolfram zugestimmt, dich zu engagieren, weil du als Privatdetektiv auch vielleicht Wege gehen kannst, wo der Polizei die Hände gebunden sind.“
„Welsch hat damals das Protokoll aufgenommen, wie ich weiß. Er hat zwar das Auftreten von einem Nilpferd, aber er ist eine Superbulle.“
„Ja, Herr Welsch war sehr behutsam und hat eine weibliche Kollegin hinzugezogen, die extra aus Euskirchen kam. Er hat drei Töchter und ist vielleicht auch deshalb nicht durch seinen Job abgestumpft.“
Ich nahm die Berichte und das Phantombild des Mannes aus meiner Jackentasche.
„Ich habe eine Menge Informationen, aber vielleicht entdecken wir noch etwas, dass den Polizeibeamten nicht aufgefallen ist. Ich habe aus den Akten verstanden, dass du den Mann weder gesehen oder gehört hast. Du hast ihn erst entdeckt, nachdem er dir diesen Stein an den Kopf geworfen hat. Richtig?“
„Ja, so war das. Mir war erst schwindlig und ich fühlte das Blut an den Händen. Es lief mir in die Augen. Die Platzwunde musste genäht werden.“ Marianne zeigte auf eine Narbe an der Stirn. Sie war sauber genäht worden und würde gut verheilen.
„Trotzdem interessieren mich noch einige Umstände. Du sagst, dass er zu Fuß war. Um diese Uhrzeit trifft man höchstens Jogger und noch keine Wanderer. Kannst du dich an ein Auto oder an ein Motorrad erinnern? Der Typ wird weder aus Hammer oder Dedenborn sein, denn dann hätte man ihn längst gefasst.“
Marianne schloss die Augen und konzentrierte sich. Ihre Mundwinkel zuckten leicht. Ich störte sie nicht und ließ sie nachdenken. Sie redete bedächtig, die Augen immer noch geschlossen.
„Wenn du aus Richtung Dedenborn nach Hammer fährst, gibt es rechts so eine Art Jugendcamp oder so etwas ähnliches. Ein paar hundert Meter weiter ist ein Parkplatz und eine kleine Brücke, die über ein Bächlein führt. Gegenüber der Straße ist so etwas wie eine andere Parkmöglichkeit. Das kann man von meiner Laufstrecke einsehen. Und da stand ein weißes Auto, ziemlich verrostet, irgendeine kantige Karre. Der Wagen ist mir auch schon vorher aufgefallen, weil morgens eigentlich nie jemand da parkt.“
Ich griff in meine andere Jackentasche und legte ein Foto von einem Lada Niva auf den Tisch. Das Internet macht alles möglich.
„Ja, so ein Auto könnte es gewesen sein. Aber nicht rot wie auf dem Bild, sondern eben weiß mit großen Rostflecken.“
Das musste Kommissar Welsch sofort erfahren. Ich nahm mein Handy und rief ihn an. Danach rief ich Wolfram an, der es sich in der Eisdiele in der Fußgängerzone gemütlich gemacht hatte. Er spazierte los und war 10 Minuten später bei uns. Wir gingen zur Klinik zurück, und ich verabschiedete mich von Marianne. Ich versprach, sie in den nächsten Tagen zu besuchen und ging zum Jaguar, um Wolfram und meine alte und neue große Liebe ein paar Minuten alleine zu lassen. Ich ließ mir nichts anmerken, als Wolfram in schweren Schritten auf den Parkplatz kam. Er warf mir die Autoschlüssel zu.
„Fahr’ du, bitte. Ich glaube, ich würde jetzt einen Unfall bauen. Sorry, ich bin vollkommen aufgewühlt.“
Ich auch, dachte ich, ich auch. Marianne wühlte mich auf.
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