Bitter Love - Ash Teil 2. Alexa Kim
„Es sieht Seth ähnlich, dass er solche Nachrichten einfach verdrängt. Seth wollte schon immer nur seine eigenen Wahrheiten sehen.“
Ich habe das Gefühl, dass Ashs Blick düsterer wird, sobald auch nur die Rede von Seth ist. Noch immer weiß ich nicht, was die beiden für ein Problem miteinander haben. Dass sie sich hassen, habe ich mit eigenen Augen sehen können, als sie in Seths Loft fast aufeinander losgegangen sind – aber woher kommt dieser Hass? Ich dachte zuerst, es sei wegen Luana, mit der Ash vor Seth einen Blutvertrag hatte. Doch das ist es nicht. Aber er will einfach nicht über den wahren Grund mit mir sprechen.
„Ich brauche die Formel von Magnatec“, stellt Ash noch einmal klar.
„Und dann?“ Saron ist nicht überzeugt.
„Unsere einzige Chance sind die Rebellen.“
Saron schüttelt den Kopf, während Leyla an meine Seite rutscht und meine Hand nimmt. In solchen Fällen ist es gut, eine Freundin zu haben, und ich habe das Gefühl, dass Leyla und ich Freundinnen werden könnten.
„Falls Seth etwas von den Rebellen übrig lässt, meinst du wohl“, bemerkt Saron verächtlich.
Ash überhört Sarons Worte. „Ich weiß, dass die Rebellen sich im Südviertel von Daytown einen Lebensraum geschaffen haben … obwohl die Bedingungen schlecht sind und Magnatec das Viertel nicht mit Energie versorgt. Doch sie haben eigene Energie- und Heizeinheiten. Vielleicht haben sie noch andere Dinge, von denen Magnatec nichts weiß. Sie sind unsere einzige Chance. Seth kontrolliert Magnatec und seine Wissenschaftler. Es wäre zu riskant, an Magnatec selbst heranzutreten.“
„Das ist doch Wahnsinn“, ruft Saron laut.
„Vielleicht aber auch nicht“, mischt sich überraschend Leyla ein.
„Leyla …“, ermahnt Saron sie erneut, doch Leyla wäre nicht Leyla, wenn sie sich den Mund verbieten lassen würde. „Der einzige Wahnsinnige ist Seth. Ihm ist seine Macht wichtiger als das Überleben von Daytown. Sogar wichtiger, als das eigene Überleben! Ich für meinen Teil glaube Ash. Und ich finde es richtig, sich endlich gegen Seth aufzulehnen. Warum haben wir alle Angst vor Seth, wenn die Rebellen es nicht haben?“
Saron verschränkt die Arme vor der Brust. Leyla weiß ganz genau, wo sie ihn zu packen bekommt – bei seinem Stolz. „Ich habe keine Angst ...“
„Doch … natürlich hast du das … wir alle haben das seit Jahren ...“, fällt Ash ihm ins Wort. „Aber damit muss Schluss sein. Wir können Seth nicht mehr tun und machen lassen, was er will.“
„Ich kann deine Gründe verstehen ...“, beginnt Saron. Ash sieht ihn scharf an. „Diese Gründe spielen dabei keine Rolle.“
Saron wirft mir einen schnellen Blick zu. Er hat verstanden. Ash will nicht, dass er vor mir weiterspricht. Wieder entsteht eine kurze Pause, dann gibt Saron endlich nach. „Also gut … ich helfe dir, die Daten von Magnatec zu holen, dann sehen wir weiter. Aber wir müssen uns beeilen, bevor Seth zurück ist. Danach ist es unmöglich.“
Wir alle sehen zu, wie Saron zu einem gemauerten Kamin geht – ich habe gehört, dass Leute früher in solchen Öfen Holz verbrannt haben – weil es schön aussah und das Feuer gemütlich knisterte. Es ist für mich unvorstellbar, wie man Holz einfach verbrennen kann, weil es hübsch aussieht! Der Kamin sieht entsprechend unbenutzt aus. Saron greift einmal in den Schlot hinein, und ich höre ein klickendes Geräusch. Scheinbar hat er dort etwas befestigt. Kurze Zeit später staune ich mit offenem Mund. Er zieht eine beachtliche Anzahl von Waffen hervor – Strahlengranaten, Elektroschockstäbe, aber auch altmodische Schusswaffen.
Leyla stößt mich in die Seite, während Ash zu Saron geht und sich die Waffen ansieht. „Im Grunde genommen weiß er schon lange, dass es so nicht weitergehen kann. Er hat die ganzen Waffen nach und nach gesammelt und versteckt.“
„Das hat Ash auch getan … nur war sein Versteck nicht besonders gut.“
„Was glaubst du, warum wir hier wohnen und nicht in einem der modernen Apartments? Hier interessiert sich niemand für uns.“
Sie zwinkert mir zu, und ich muss zugeben, dass Saron weitsichtiger war als Ash. Es ist auf jeden Fall beruhigend zu wissen, dass er uns helfen wird.
„Wann gehen wir los?“, frage ich, als Ash und Saron die Waffen endlich sortiert haben.
Beide sehen mich an, als hätte ich einen Scherz gemacht.
„Wir?“ Ash schüttelt den Kopf. „Saron und ich gehen … ihr bleibt hier!“
Leyla schüttelt den Kopf. „Kommt gar nicht infrage. Wenn euch etwas passiert, sind wir dran. Dann lieber gleich mit euch erschossen werden. Entweder es funktioniert, und wir kommen alle da raus, oder keiner von uns!“
Saron versucht auf Leyla einzureden, sie zu beschwichtigen, doch sie lässt sich nicht umstimmen.
„Wenn du es nicht schaffst, habe ich ohnehin keine zehn Jahre mehr, oder?“, wage ich mich genauso mutig wie Leyla, Ash Widerstand zu leisten. „Ich gehe auf jeden Fall mit!“
Ash sieht mich an, als wolle er mich auffressen. Ich muss schlucken. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich gerade zu weit gegangen bin. Wenigstens sagt er nichts mehr, sondern sieht Saron an, der den Kampf gegen Leyla soeben verloren hat. „Eigentlich haben sie recht, Ash. Wenn wir auffliegen, ist es besser für die beiden, nicht allein zurückzubleiben.“
Ash lässt mich nicht aus den Augen, während er zähneknirschend nachgibt. „Also gut …“
Ich bin froh, als Saron die Spannung auflöst. „In fünf Stunden haben sie Wachablösung. Magnatec läuft gerade ein Notprogramm. Zwei von uns überwachen die Forschungsabteilung – das ist alles. Die anderen sind Menschen. Die werden nicht aufmucksen.“
„Gut … Seth ist ein Idiot, der glaubt, ihm würde nichts und niemand ans Bein pinkeln“, stellt Leyla zufrieden fest. „Dann können wir auch noch ein paar Stunden schlafen. Ich denke, Schlaf können wir alle gebrauchen.“
Leyla hat uns ins Gästezimmer einquartiert. Es ist warm und gemütlich, wie der Rest des Hauses. Es gibt ein Fenster mit Thermoverglasung und einer Jalousie. An der Wand steht ein Metallbett mit schnörkeligen Verzierungen und Kugeln an den Enden. Vor dem Fenster hängen Vorhänge, und auf dem Boden liegen wie schon im Wohnzimmer fadenscheinige Teppiche. Ein altmodisches Bad ist direkt neben unserem Zimmer. Gedankenverloren streiche ich über die im warmen Ocker gestrichenen Wände. Sogar der Metalltisch scheint selbst zusammengeschraubt … aus allen möglichen Dingen. Alles wirkt etwas wurmstichig, doch das macht mir nichts aus. Man kann sehen, dass Saron und Leyla sich Mühe gegeben haben, ihr zu Hause gemütlich einzurichten. Ich schätze, dass Saron die Lager der ganzen Stadt nach alten Möbeln und Dingen abgesucht hat, die man vor der Katastrophe in den Häusern hatte. Mir gefällt es auf jeden Fall. Es ist viel besser als der Wohnblock, in dem ich und Sid gewohnt haben, denn es ist ein echtes zu Hause.
„Dann macht es euch gemütlich“, verabschiedet sich Leyla mit einem Augenzwinkern.
Ich habe ein mulmiges Gefühl, als sie die Tür hinter uns schließt. Jetzt bin ich mit Ash allein – und ich spüre, dass Ash noch immer angesäuert ist.
„Hör zu ...“, fange ich an zu sprechen, doch Ash hebt die Hand. „Lass gut sein, Taya.“
Seine Worte versetzen mir einen Stich ins Herz. Haben wir jetzt schon unseren ersten Streit? Langsam gehe ich zu ihm und berühre seinen Arm. „Ich will doch nur … verstehst du denn nicht? Ich will doch nur meinen Teil beitragen … dir helfen … nicht nutzlos sein.“
Als er sich zu mir umdreht, fühle ich mich auf einen Schlag furchtbar klein und naiv. Wo nimmt Leyla nur ihr Selbstvertrauen her? Auf jeden Fall hat sie Saron viel besser im Griff als ich Ash. „Du kannst mir nicht helfen … nicht dabei. Du bist ein Mensch … zerbrechlich ...“
„Ich bin keine Puppe.“
„Bist du nicht?“ Ehe ich weiß, wie mir geschieht, umfasst Ash mich mit einem Arm und hebt mich hoch.