Wehe, wenn Santa kommt!. Jay Baldwyn
her. Dann entdeckten die Mädchen hinter einem der Schlossfenster Marys Gesicht. Die kleine Figur hämmerte mit den Fäusten gegen die Scheiben. Dabei liefen ihr dicke Tränen über die Wangen. Priscilla trat dem Santa wütend mit aller Kraft vors Schienbein, wonach er wütend aufheulte.
»Gib uns sofort unsere Mommy wieder, du oller doofer Weihnachtsmann«, schrie sie. »Du bist ja wirklich nicht Onkel Dan. Der kann nämlich nicht zaubern und würde so etwas Schlimmes nie machen.«
»Genau«, pflichtete ihr Charity bei. »Deshalb pack deine Sachen zusammen und mach, dass du wegkommst.«
»So, ihr wollt mich und meine Geschenke nicht. Na gut.«
Santa machte einen gewaltigen Sprung und landete mit beiden Beinen auf dem Schloss, das nach und nach zusammenbrach. Bevor er es endgültig platt trat, huschte ein verängstigtes grauweißes Meerschweinchen aus den Trümmern, dem niemand Beachtung schenkte.
Die Kinder schlugen und traten auf Santa ein.
»Du hast unsere Mama totgemacht«, schrie Priscilla, und Charity sagte:
»Sie geben uns jetzt sofort unsere Mutter wieder, sonst rufen wir die Polizei.«
Santa starrte die Geschwister nur unbeweglich an, bis seine Augen rot zu glühen anfingen. Als die Mädchen vor Schreck wie gelähmt stehen blieben, holte er zwei leere Säcke hervor und steckte in jeden eines der Kinder. Dann band er die Säcke mit einem Strick oben fest zusammen.
Ed kämpfte im Bad noch immer mit der Penispumpe. Wie er es auch versuchte, er konnte das Gerät nicht abbekommen. Als er draußen seine Töchter schreien und toben hörte, knüllte er ein Badetuch zusammen und drapierte es über seinen Unterleib. Dann riss er die Badezimmertür auf.
Der falsche Weihnachtsmann hatte sich gerade den ersten Sack über die Schulter geworfen, in dem es heftig zappelte.
»Was ist hier los?«, brüllte Ed. »Ist da etwa eines meiner Mädchen drin?«
»Ja, genau wie in dem anderen auch. Verabschiede dich schon mal von ihnen!«
Ed stürzte sich auf Santa. Dabei war ihm egal, dass er gerade einen gewaltigen Ständer hatte. Die Kinder konnten ihn so ja nicht sehen.
»Du lässt sofort meine Kinder aus den Säcken! Und wo ist meine Frau? Was hast du mit ihr gemacht?«
»Die wirst du erst im Jenseits wiedersehen. Dort, wohin ich dich jetzt schicke.«
Santa zog ein Fleischermesser aus seiner Jacke und rammte es Ed in die Brust. Der brach sofort zusammen und blieb auf dem Boden liegen. Der falsche Weihnachtsmann stieg achtlos über ihn hinweg und ergriff die beiden Säcke.
Draußen vor dem Haus überlegte er einen Moment, ob er die Säcke in seinen Wagen laden sollte. Doch was konnte er schon mit zwei unerzogenen Mädchen anfangen? Er stellte einen der Säcke auf dem Rasen ab, holte mit dem anderen Schwung und schlug ihn mit voller Wucht gegen einen dicken Baum. Dann nahm er den anderen und verfuhr mit ihm ebenso. Als er sich davontrollte, zappelte nichts mehr in den Säcken. Keiner der Nachbarn hatte etwas von dem schaurigen Geschehen mitbekommen.
2. Kapitel
Ein Jahr vorher
Der bullige Krankenpfleger betrat grinsend das Krankenzimmer, um gleich darauf die Nase zu rümpfen.
»Mann, hier stinkt es ja wie in einer Kloake. Hast du wieder ins Bett gemacht, du Sau?«
»Was bleibt mir denn anderes übrig? Ich bin die ganze Zeit an Händen und Füßen angebunden. Nicht mal an der Nase kratzen kann ich mich, geschweige denn auf die Toilette gehen.«
»Ach, du Armer. Sind alle böse zu dir? Das hättest du dir vorher überlegen sollen, als du völlig ausgetickt bist und deine Möbel aus dem Fenster geworfen oder gleich zu Kleinholz verarbeitet hast.«
»Das soll ich getan haben? Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern.«
»Weil ihr kranken Spinner nur die Erinnerung zulasst, die euch gefällt. Alles andere blendet ihr aus. Was meinst du, was der Oberarzt sagen wird, wenn er hört, dass du wieder alles eingesaut hast? Da werden wohl ein paar Elektroschocks extra herausspringen.«
»Nein, bitte nicht! Hinterher fühle ich mich immer so kraftlos, und das tagelang.«
»Genau das ist der Sinn der Übung. Damit du nicht auf dumme Gedanken kommst. Die Fenster haben zwar alle Gitter, und die Türen sind fest verschlossen, aber es gibt immer wieder welche, die versuchen abzuhauen. So, ich mache dich jetzt los, um frische Laken aufzuziehen. Aber Gnade dir Gott, wenn du versuchst, irgendwelche linken Dinger zu machen. Dann schlage ich dich windelweich. Ist das klar?«
Der Patient nickte nur. Unrasiert mit seinem wirren Blick und den eingefallenen Wangen sah er aus wie ein alter Mann. Dabei war er erst Ende dreißig.
»Kann ich mich dann endlich duschen und mir meine verklebten Haare waschen?«, fragte er.
»Lust auf Wasser hast du? Das kannst du haben.«
Der Pfleger löste die Hand- und Fußfesseln, die aus schmutzig weißen Binden bestanden, und band die Hände mit frischen Verbänden zusammen. Dann warf er dem hilflosen Mann einen Bademantel über die Schultern und führte ihn in einen großen, weiß gekachelten Raum. Dort stieß er ihn auf einen Holzschemel und ließ Wasser in die Wanne laufen. Als diese halb voll war, zog er dem Mann, den hier alle nur Bob nannten, das feuchte Nachthemd aus und gab ihm einen Hieb auf den nackten Hintern. Das war das Zeichen, in die Wanne zu steigen.
Als Bob mit dem linken Bein zuerst ins Wasser stieg, zuckte er erschreckt zurück.
»Das ist ja eiskalt …«
»Was hast du denn gedacht? Dass ich dir eine Wohlfühltemperatur herstelle? Wenn du lange genug weichst, geht der Dreck auch ab.«
»Bis dahin hole ich mir doch den Tod …«
»Meinst du etwa, das kratzt hier irgendjemand? Wieder ein unbequemer Insasse weniger. Nur schade, dass immer wieder neue kommen, weil die Welt voll von euch kranken Arschlöchern ist. Steig jetzt endlich ein, oder ich drücke dir gleich deinen vierkantigen Schädel unter Wasser.«
Bob begann, in dem kalten Wasser sofort am ganzen Leib zu zittern. Zufrieden grinsend, ging Pfleger Morris aus dem Raum und schloss die Tür ab.
»Bis später!«, feixte er. »Und hol dir keinen Eiszapfen.«
Als Morris draußen war, wartete Bob noch ein paar Minuten ab, aber dann rappelte er sich auf und griff mit seinen zusammengebundenen Händen nach dem Heißwasserhahn. Mit einiger Anstrengung gelang es ihm, den Griff herumzudrehen. Als das heiße Wasser herausströmte und sich mit dem kalten vermischte, bis es wenigstens lauwarm wurde, drehte Bob den Hahn wieder zurück. Bis Morris zurückkommen würde, würde das Wasser zwar wieder kalt sein, doch bis dahin konnte sich Bob wenigstens etwas aufwärmen.
Auf der Suche nach neuen Opfern fand der mörderische Santa Claus ein Haus, in dem kein Licht brannte. Entweder waren die Bewohner unterwegs oder schliefen schon. Beides sollte ihm recht sein. Als er durch den Schornstein im Kamin landete, sahen ihn zwei Kinderaugen groß an.
»Hallo, wer bist du denn?«, fragte er und klopfte sich die Asche von seinem Anzug.
»Als Santa Claus solltest du meinen Namen eigentlich kennen«, sagte das etwa neunjährige Mädchen. »Mom wird übrigens begeistert sein, dass du ihren Teppich verdreckst.«
»Nicht so vorlaut, Janice. Oder willst du, dass ich böse werde?«
»Sie wissen also doch meinen Vornamen. Aber deshalb sind Sie noch lange nicht der echte Santa Claus. Den gibt es nämlich gar nicht. Wahrscheinlich hat sie eine dieser unsäglichen Agenturen geschickt.«
»Wenn du nicht an Santa glaubst, was machst du dann hier mitten in der Nacht?«
»Ich wollte mal sehen,