Sie wollen doch betrogen werden!. Michael Aulfinger

Sie wollen doch betrogen werden! - Michael Aulfinger


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Jenny nicht nur über das fehlende Kostgeld, sondern auch über andere fehlende Gegenstände. Sie merkten allmählich, daß vereinzelte Gegenstände auf mysteriöse Weise abhanden kamen. Einzelne CDs waren nicht mehr auffindbar. Auch ein älteres Telefon, welches eigentlich in einer Schublade liegen müßte, war unauffindbar. Bald reifte der Verdacht, daß Harry für das merkwürdige Verschwinden verantwortlich sein könnte. Damit waren seine Tage in Bayern gezählt.

      Bis März ließ Harry bei Thomas nichts von sich hören. Diesem kam es auch gar nicht so ungelegen. Denn es war schon anstrengend mit Harry. Nie war man vor einer negativen Erfahrung und Überraschung vor ihm sicher. Als Thomas sich langsam sicher glaubte, daß Harry sich in Bayern eingelebt hätte, und er vor weiteren schlechten Erlebnissen sicher sei und verschont bliebe, meldete sich dieser wieder. Es habe Ärger gegeben, und sie hätten sich nicht mehr verstanden. Er verschwieg, daß seine bayerischen Freunde ihn hinausgeworfen hatten, weil er sich an ihrem Eigentum vergriffen hatte. So mietete er sich erst mal ein Zimmer in Ratzeburg.

      Thomas freute sich über Harrys offenbare Veränderung, denn er schien seriöser geworden zu sein. Sein Lebenswandel besserte sich, und es hatte den Anschein, als ob er endlich Erwachsen geworden war, denn er fand wieder Arbeit als Altenpfleger in einem großen Altersheim.

      Da er auch nun dort regelmäßig und pünktlich zur Arbeit erschien, war eine offensichtliche Besserung seiner Einstellung eingetreten. Aber im Sommer ging es doch wieder los, und er wurde rückfällig. Professor Senning von der Klink vermißte plötzlich sein Handy - ein Nokia 3310. Was hat der Professor auch sein Handy so offen rumliegen zu lassen. Selber schuld, sagte sich Harry. Das nennt man Verleitung zum Diebstahl.

      Da Harry kein weiteres Handy benötigte verschenkte er es weiter. Spendabel war er ja.

      So wie seine Diebstahlphase nach einer Pause im Sommer wieder hervorgetreten war, so setzte auch gleichzeitig seine Bestellphase wieder ein. Er hatte sich eine künstlerische Besinnungspause gegönnt, denn nun sprudelten regelrecht die Ideen aus ihm heraus.

      Bei der Firma Conley’s in Hamburg-Wedel bestellte er Bekleidung im Wert von 1000,- Euro. Da er sich bei der Bestellung wenig Gedanken über die Größen gemacht hatte, war ihm einiges viel zu groß, anderes wiederum zu klein. So hatte er die unpassenden nagelneuen und recht teuren Bekleidungsstücke einfach weggeworfen. Was sollte er denn auch damit. Die Bekleidung sollte ihm ja auch nicht passen, es war ja nicht für ihn. Es war ein Sport geworden, um herauszufinden wie weit er gehen konnte. Schließlich wollen sie ja betrogen werden.

      Seine Bestellungen gab er neuerdings nicht mehr unter seinem richtigen Namen auf, sondern er legte sich das Pseudonym Manuel Koslowski zu. In variantenreicher Abwechslung perfektionierte er das System, indem er den Namen manchmal nur durch einen oder mehrere Buchstaben abänderte, oder einfach andere Vornamen mit Koslowski verband. Extra für den Paketdienst hatte er zu seinem Namen noch die jeweilige aktuelle Koslowski-Version an die Türklingel auf einem Papierschnipsel hinzugefügt. Scherzhaft nannte er es Briefkastenfirma. So konnte er auch bei Firmen, die ihn sonst nicht mehr beliefern würden, wieder frech drauf los bestellen.

      Kapitel 7

      „Möchtest Du auch ein Bier?“ Harry reichte Carola ein Bier, und sah Thomas fragend an.

      „Nein danke, ich muß noch heut Abend fahren. Du weißt doch genau, daß ich vor dem fahren nie Alkohol trinke.“

      „Nein, natürlich nicht. Aber während des Fahrens.“ Harry schlug sich wegen seines Scherzens mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. Er lachte als einziger, sein Gegenüber verzog schmollend den Mund.

      „Also, sind wir uns einig. Nehmen wir die Wohnung in der Großen Kreuzstraße. Die Miete teilen wir durch drei.“

      Alle nickten. Sie hatten sich eine 4-Zimmer Wohnung für 500,- Euro gemietet. Sie war im ersten Stock eines Altbaues in der Ratzeburger Altstadt.

      „Aber nicht, daß bei mir die ganze Putzarbeit hängen bleibt.“ Carola wollte diesen für sie wichtigen Punkt geklärt haben. Ihre Augen funkelten bei diesem Punkt.

      „Keine Panik,“ Harry hob beschwichtigend die Hand, „wir teilen uns die Arbeit“. Er versuchte sie zu beruhigen, obwohl er sich dabei gleichzeitig dachte, daß sie ja Student sei, oft zu Hause und somit viel Zeit zum putzen hat. Diese Einsicht ließ ihn entspannt in die Zukunft sehen, da er sich sagte, daß es sich schon einpendeln werde, wenn sie erst mal zusammen wohnen werden.

      „Ihr wißt aber auch, daß ich oft beruflich nicht zu Hause bin. Dann kann ich natürlich nicht mithelfen, aber wenn ich wieder da bin putze ich gern.“ Thomas wollte nicht den Eindruck im Raum stehen lassen, daß er sich drücken wolle.

      „Das kriegen wir schon hin.“ Harrys Optimismus machte allen Mut, und sie gingen von einer langen Zeit des Bestehens der Wohngemeinschaft aus.

      Carola hatten sie auf einer Party kennen gelernt, und sich gleich gut verstanden. Ihre Körperfülle war recht beeindruckend, wozu noch ihre geringe Körpergröße kam. Ihre rundlichen Wangen ragten als herausragendes Element im Gesicht hervor. Aber sie war ein lieber Mensch, auf dem man sich verlassen konnte. Da sie studierte erging es ihr genau wie den anderen zwei. Sie litt an akutem Geldmangel. Deshalb sah jeder einen Vorteil für sich in einer Wohngemeinschaft.

      Zuerst lief auch alles gut zusammen. Da Thomas sich viel auf Touren in Europa befand, war er wenig zuhause, so daß die anderen schalten und walten konnten wie sie wollten. Dazu kam, daß Thomas Ende Juli Carolas Freundin Jule kennen lernte, in die er sich gleich verliebte. Es dauerte auch nicht lange und Thomas wohnte fast ausschließlich bei Jule. Ende September fand auch schon die Verlobung statt. So bekam Thomas nicht mehr viel mit, was sich in seiner eigentlichen Wohnung abspielte.

      Da Carola studierte, hatte sie von Anfang an Schwierigkeiten ihren monatlichen Teil zur Miete beizusteuern, aber die ersten Monate ging es noch. Harry war es auch ganz recht, daß er weniger unter der Aufsicht von Thomas stand, so konnte er mehr seine Phantasie spielen lassen. Die Verwirklichung dieser manifestierte sich in neuen Bestellungen, die immer größere Dimensionen annahmen.

      So bestellte er beim Telekomshop unter dem Namen Manuel Koslowski drei Faxgeräte der besseren Kategorie. Zusätzlich mußten es auch noch drei aktuelle Handys sein. Insgesamt belief sich die Bestellung auf 1.400,- Euro. Da Harry wieder dringend Bargeld benötigte, erinnerte er sich an Oliver, den er gleich kontaktierte. So kam er wenigstens zu der Hälfte des Wertes, und Oliver konnte sie bestimmt mit Gewinn weiter verschachern.

      Carola studierte fleißig weiter, und Thomas war in seiner knappen Freizeit nicht mehr von Jule zu trennen. So konnte Harry ungestört wieder weiter bestellen. Getreu dem Motto Frechheit siegt, erinnerte er sich wieder der Firma Conleys. Diesmal zog er die Sache größer auf, indem er gleichzeitig unter drei verschiedenen Namen bestellte. Einer davon war der bekannte Namen Koslowski, aber mit einem anderen Vornamen und einer anderen Adresse versehen. Wenn Bankverbindungen verlangt wurden gab er immer seine alte Kontonummer an. Sein Konto wurde nämlich von der Kreissparkasse wegen zu großer Anhäufung von Rücklastschriften gekündigt. Ankommende Rechnungen hat er nie bezahlt, ergo sie gleich dem Altpapierüberantwortet.

      In der Wohnung stapelten sich die Kataloge. Von Quelle, Otto über Neckermann, bis zu rein spezifischen Katalogen wie Konrad Elektronik oder von Baumärkten war alles zu finden. Da er die bezogenen Waren selber nicht benötigte und auch nicht mehr unterbringen konnte, suchte und fand er neue Abnehmer seiner Hehlerware. So erschlossen sich ihm neue Bekanntschaften und Abnehmer jenseits der Legalität.

      Die Videotheken im Kreis zitterten schon bei der Nennung seines Namens. So kam es, daß er bald keine Filme mehr in allen Videotheken ausleihen konnte. Er hatte sich zum Beispiel eine Play Station mit Spielen ausgeliehen, und ganz vergessen sie zurück zu geben.

      Doch immer ging bei ihm auch nicht alles glatt. Harry hatte einmal hervorragende Winterreifen bestellt, die bald geliefert werden sollten. Da er nicht zu Hause war, nahm sein Nachbar die Reifen entgegen und unterschrieb die Lieferung. Da er wenig Platz hatte, wurden die Winterreifen im Flur angeliefert, wo sie lagern sollten, bis Harry wieder anwesend wäre. In letzter


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