Menosgada. Werner Karl

Menosgada - Werner Karl


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zweite Germane nahm den Tod seines Kameraden äußerlich regungslos hin und verschoss seinen dritten Pfeil, traf aber nicht, weil er sich bewegen musste, um dem erfolgreichen Jäger auszuweichen, der sich einen Stein gegriffen hatte und sich anschickte, ihm damit den Schädel einzuschlagen. Also ließ er den Bogen fallen und zog seine Axt. Gerade noch rechtzeitig. Mit einem fürchterlichen Schlag von unten trennte er Stein, Hand und Arm vom Rumpf des Jägers.

      Die beiden unverletzten Kelten wichen endlich auseinander und nahmen den Germanen in die Zange. Die Schmerzensschreie des Amputierten und des anderen Verwundeten schienen sie aufzustacheln und ließ sie ihre Speerspitzen wie Schlangenköpfe nach vorne zucken. Der Germane konnte nicht alle Stöße abwehren und fing sich eine Wunde nach der anderen ein. Mit jedem Treffer steigerte er sich aber in eine Wut, die das aus ihm schießende Blut aufzuwiegen schien. Schlussendlich sah er aber seine Niederlage kommen.

      Mit dem Ruf »Odin!« auf den Lippen hackte er wie ein Wahnsinniger um sich und konnte einem der Gegner die Brust aufschlitzen; nicht tief, aber schmerzhaft. Dann verließen ihn seine Kräfte und er starb mit zwei Speeren in der Brust.

      Schwer atmend torkelte der einzige Kelte ohne Wunden auf den Mann mit dem abgeschlagenen Arm zu. Er kam gerade noch zurecht, um zu sehen, dass der die Augen schloss und der Blutstrom von heftigen Schüben in ein Rinnsal überging und langsam versiegte.

      Die beiden anderen mit Pfeil im Bein und aufgeschnittener Brust hatten sich auf den Boden gesetzt und begannen damit, sich um ihre Wunden zu kümmern.

      »Götter!«, begann der, der noch stand und misstrauisch den Wald beobachtete. »Was war das denn? Sechs erfahrene Jäger können sich nicht gegen zwei Germanen behaupten?«

      »Fünf«, verbesserte der Mann mit dem Pfeil, zog diesen mit unterdrücktem Stöhnen heraus und warf ihn mit Verachtung von sich. »Du kannst Perdedur nicht voll mitzählen. Ein Stein gegen eine Axt? Lächerlich.«

      »Wir haben uns behauptet«, warf der mit der Brustverletzung ein. »Wir drei leben noch …«

      »Was bist du denn für ein Hohlkopf?«, protestierte der Unverletzte und drückte ein Stück Stoff auf die Wunde seines Freundes. »Sind drei tote Krieger und ein toter Junge ein Beweis dafür, dass wir uns behauptet hätten? Wenn sie in gleicher Zahl gekommen wären, würden wir jetzt alle den Wald mit unserem Blut tränken.«

      »Wir waren nur schwach bewaffnet …«, wagte der erste noch mal einen Einwand.

      Aber was tun wir, wenn sie in ganzen Scharen kommen?, dachte der Unverletzte und half seinen Freunden auf die Beine. Was, wenn die Götter unsere Opfer nicht annehmen und uns im Stich lassen?

      Kapitel V: Ein neuer Traum

      »Sie träumt schon wieder.« Briannas Worte waren ebenso verzweifelt wie hoffnungslos. Alaric und sie wussten einfach nicht, wie sie ihrer Tochter helfen konnten.

       Wenn selbst der Druide keinen Rat weiß, wie sollen dann wir die Dämonen aus ihren Albträumen vertreiben? Das letzte Opfer hat wohl den Regen vertreiben können, die Träume Kylas aber nicht.

      Frustriert tauchte sie das Tuch erneut in die Schale, wrang es aus und tupfte damit ihrer Tochter die schweißbedeckte Stirn. Drudwyn lag still neben dem Kind und verfolgte die Versuche seiner Herrin, ihrer Tochter Linderung zu verschaffen. Als Brianna die Hand sinken ließ, leckte der junge Hund darüber und sah sie mit großen Augen an.

      »Auch wenn Drudwyn dein Hund, dein Jagdhund ist, so scheint er doch mehr an unserer Tochter zu hängen, als an dir«, sagte sie voller Zustimmung und streichelte dem Tier den Kopf.

      »Mag sein«, antwortete Alaric und betrachtete nachdenklich Frau, Kind und Hund. Mit einem zufriedenen Ausdruck sah er zu Thorgert hinüber, der den Schlaf hielt, den alle anderen im Haus schon lange vermissten. »Wenigstens unser Sohn ist mit gesundem Schlaf gesegnet.«

      »Und Feidlim konnte dir keinen Trank, keine Medizin für unser Kind geben?«, bohrte Brianna zum vielleicht zehnten Mal nach und sah zu ihrem Mann hinüber, der wie ein finsterer Rächer dasaß, dem das Ziel für seine Rache abhanden gekommen war.

      »Nein. Er meinte, dass Kyla wohl Worte aufgeschnappt haben könnte, die ihr Angst machen …«

      »Na was denn sonst?«, fiel sie ihm aufgebracht ins Wort und zügelte ihre Stimme sofort wieder, weil sie die Kinder nicht wecken wollte, auch wenn sie es im Falle Kylas wohl nur zu gerne getan hätte. Aber irgendwann musste die Kleine ja mal schlafen. »Und du konntest es auch nicht verhindern, dass sie von den beiden Germanen erfuhr, die beinahe einen ganzen Trupp Jäger massakriert hätten. Vier Tote! Darunter ein Junge, der gerade mal in der Lage war, einen Speer zu werfen …«

      »… und nicht traf«, ergänzte Alaric und hätte sich gleich darauf auf die Zunge beißen können. »Entschuldige, das war nicht gerecht. Der Junge hatte keine Erfahrung.«

      »Wir alle haben nur wenig Erfahrung mit Germanen«, korrigierte sie ihren Mann und tupfte erneut Kyla die Stirn. Das Mädchen bewegte sich nun unruhig. Ob dies aber seinem Traum oder dem Streit seiner Eltern zuzurechnen war, entzog sich beiden. Trotzdem dämpften sie ihre Stimmen.

      »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll, Frau! Alle Stämme um uns herum werden sich eher die Bäuche vor Lachen halten, als uns zur Seite zu stehen. Dabei sind sie dumm genug, nicht zu erkennen, dass eine Gefahr, die uns trifft, auch bald danach sie selbst treffen könnte.«

      »Nun, nicht alle sind uns feindlich gesinnt. Die Boier haben uns noch nie überfallen, einmal sogar eine Herde Rinder verkauft. Und die Tougener ...«

      »Sind selbst Versprengte und verhalten sich deshalb ruhig.«

      »Aber ihr Name bedeutet Streitaxtleute … und das ist eine Bezeichnung, die es wert wäre, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Meinst du nicht?«

      »… und sich von ihnen mit besagten Äxten den Schädel einschlagen zu lassen?«, schloss Alaric.

      »Nein!«, rief plötzlich Kyla im Schlaf, und Mutter und Vater beugten sich über sie. Alaric wollte nach den zuckenden Armen seiner Tochter greifen, als Drudwyn den Kopf hob und leise knurrte. Verblüfft zog der Fürst die Hände zurück.

      »Das geht aber nun zu weit«, sagte er. Dann erhob er sich, ging zur Tür und öffnete diese. Frische Luft flutete herein und für einen Augenblick lag Kyla wieder still. Drudwyn rührte sich nicht von der Stelle.

      »Drudwyn, raus!«, befahl der Fürst und blickte dem Hund in die Augen. Der saß nur mit erhobenem Kopf dicht neben dem Bett und machte keine Anstalten, dem Befehl Folge zu leisten. Mann und Hund fochten ein stummes Duell aus und gerade wollte Alaric nach einem Seil greifen, um es dem Tier um den Hals zu legen und es draußen anzubinden, als seine Tochter die Augen aufriss.

      »Nein!«, rief sie wieder und warf sich dem Hund an den Hals. Dabei weinte sie und drückte sich so fest an das Tier, dass Brianna befürchtete, es könnte an der Umarmung ersticken.

      Alaric schloss wortlos die Tür, setzte sich an den Tisch und nahm einen Schluck Bier. Das Getränk war noch leidlich kühl, besänftigte aber seinen Ärger nicht.

      Seine Frau senkte die Hand mit dem Tuch und legte es zur Seite. Sie ließ ihrer Tochter Zeit, Trost bei Drudwyn zu finden. Schließlich löste sich Kyla von ihm.

      »Ich war wieder in diesem unheimlichen Wald.«

      »Und haben dich abermals diese Krieger gejagt?« Alaric trank den Rest aus dem Krug und hörte den beiden zu.

      »Nein. Da war niemand … anfangs.«

      Brianna und auch Alaric verzichteten auf drängende Worte. Ihre Tochter schien dieses Mal gefasster zu sein, denn weder ein Zittern noch ängstliche Augen kündeten von den Schrecken des Traums. Brianna hatte eher den Eindruck, dass ihre Tochter einen erstaunten, ja beinahe faszinierten Ausdruck vermittelte. Bevor sie fragen konnte, fuhr Kyla fort. Dabei klang ihre Stimme von Wort zu Wort neugieriger.

      »Da kam ein kleiner Hund zwischen den Bäumen


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