Die Wunder des rechten Denkens. Orison Swett Marden

Die Wunder des rechten Denkens - Orison Swett Marden


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Sehnsucht, ein bloßer Wunsch ohne ernstliches Streben – das verschwindet allerdings ohne jede Wirkung.

      Die Sehnsucht muss sich zum Entschluss verfestigen, dann ist sie wirksam und arbeitet an ihrer eigenen Verwirklichung. Heiße Sehnsucht und kraftvolle Entschlossenheit vereint geben schaffende Kraft.

      Wir vermehren oder vermindern unsere Leistungsfähigkeit beständig je nach der Art der Gedanken, Gefühle und Ideale, die uns erfüllen. Wenn wir das Ideal der Vollkommenheit beständig festhalten könnten, wenn wir immer überzeugt wären, dass auch wir vollkommen werden sollen und können, gleichwie Gott vollkommen ist, dann würde sogar jede Krankheit durch die heilende Kraft dieses Ideals gehoben.

      Denke und sage nur solche Dinge, von denen du wünschen kannst, dass sie wirklich wahr werden. Wer sich immerfort herabsetzt, wer immer sagt, er sei müde oder verbraucht, er habe kein Glück und das Schicksal meine es nicht gut mit ihm, er sei arm und werde es bleiben, er komme trotz aller Anstrengung nicht voran – der ahnt nicht, wie er diese düsteren Bilder, statt sie aus seinem Geist zu verjagen, vielmehr immer tiefer auf die Tafel seines Bewusstseins einätzt und dadurch immer mehr dazu beiträgt, dass sie in seinem Leben Wirklichkeit werden.

      Du darfst niemals bejahen und zugeben, du seiest krank oder schwach – außer wenn du es wirklich sein willst, denn nur daran zu denken bringt schon die Gefahr, es zu werden. Wir sind das Werk unserer Gedanken. Die Gewohnheit, uns täglich vorzustellen, dass wir nicht bloß eine göttliche Sendung in dieser Welt, sondern auch die Fähigkeit und die Möglichkeit haben, sie auszurichten, gibt uns wunderbares Selbstvertrauen, beständige Ermutigung und erhebende Kraft.

      Wenn du in irgendeiner bestimmten Richtung vollkommener werden willst, so stelle dir die betreffende Eigenschaft so lebhaft und so lange als möglich vor und denke dir ein ganz bestimmtes Ideal. Halte dies beständig im Geist fest, bis du spürst, wie du ihm näher kommst und es sich allmählich verwirklicht. So wird schließlich der schwache und unvollkommene Mensch, den Fehler, Sünden und Laster aus dir gemacht haben, verschwinden und an seine Stelle der ideale Mensch treten, dein anderes, besseres, göttliches Selbst.

      Unsere Ideale sind die stärksten Charakterbildner und haben den größten Einfluss auf die Gestaltung unseres Lebens. Deshalb müssen alle deine Gedanken die Richtung nach aufwärts, nach der Vollkommenheit haben. Fasse den Entschluss, dass du weder im Denken noch im Tun etwas mit Minderwertigkeit zu tun haben willst, dass alles, was du tust, den Stempel der Trefflichkeit tragen soll. Dieses Aufwärtsstreben deines Geistes nach höheren Idealen hebt dein ganzes Leben auf eine höhere Stufe.

      Das menschliche Leben ist so eingerichtet, dass es in vielem auf der Hoffnung ruht, auf dem Glauben, der vorauseilend erschaut, was das leibliche Auge nicht sehen kann. Der Glaube ist das innere Wesen der Dinge, die wir hoffen: das wirkliche Wesen, nicht bloß eine Einbildung. Der Glaube, dass wir etwas erreichen werden, besitzt eine unwiderstehliche schaffende Kraft.

      Der ganze Strom deiner Gedanken muss in der Richtung auf das Ziel deines Lebens fließen. Lebe in der festen Überzeugung, dass du beständig fortschreitest, zunimmst und höher steigst, und durchdringe jede Faser deines Wesens mit dieser Zuversicht.

      Viele Menschen glauben, es sei gefährlich, seiner Einbildungskraft und seinen Träumen sich hinzugeben und man werde dadurch ungeschickt zum tätigen Leben. Aber diese Anlagen sind ebenso wertvoll wie andere und uns zu einem göttlichen Ziel gegeben, damit wir Wirklichkeiten erblicken können, die uns sonst unsichtbar bleiben: sie gewähren uns die Möglichkeit, in der Welt der Ideale zu leben, auch wenn wir inmitten einer widerwärtigen Wirklichkeit arbeiten müssen. Unsere Fähigkeit, zu träumen, erlaubt uns, einen Blick in die herrliche Wirklichkeit zu werfen, die uns erwartet; sie ist der Beweis dafür, was uns alles möglich ist.

      Das Bauen von Luftschlössern sollte nicht als müßiger und wertloser Zeitvertreib verurteilt werden. Wir bauen unsere Schlösser zuerst in Gedanken und gestalten sie mit unserer Einbildungskraft aus; erst dann legen wir die Grundmauern für sie und bauen sie in der Wirklichkeit.

      Nicht jeder Traum ist ein Luftschloss. Jedes wirkliche Schloss, jedes Haus, jedes Heim war zuerst ein Luftschloss. Das rechte Träumen ist schöpferisch, es ist der erste Schritt zur Verwirklichung unserer Sehnsucht. Ein Haus kann nicht wirklich werden ohne die Pläne des Baumeisters, es muss zuerst im Geist geschaffen werden, aber der Baumeister sieht hinter dem Plan schon das wirkliche Haus in all seiner Vollkommenheit und Schönheit.

      Die Bilder unserer Träume sind die Pläne unseres Lebensbaus. Aber sie bleiben bloße Pläne, wenn wir nicht die kraftvolle Entschlossenheit haben, sie auszuführen.

      Alle die Menschen, die Großes geleistet haben, waren Träumer, und was sie ausführten, stand in ganz genauem Verhältnis zu der Lebhaftigkeit, Deutlichkeit und Beständigkeit, mit der sie ihre Ideale vor sich stehen sahen, an ihre Träume glaubten und nach deren Verwirklichung strebten.

      Gib deine Träume nicht auf, weil sie noch nicht erfüllt sind und du ihre Erfüllung noch nicht kommen siehst. Halte das fest, was du siehst, und lebe so, dass dein Streben wach bleibt. Lies solche Bücher, die dich strebsam erhalten, gehe mit Menschen um, die das schon vollbracht haben, wonach du erst strebst, und suche das Geheimnis zu ergründen, wie es ihnen gelungen ist.

      Das Ideal im Geist so lebendig und so scharf als möglich sehen und festhalten, das ist der Weg dazu, die Wirklichkeit allmählich nach deinem Ideal umzugestalten und deine Träume wahr zu machen.

      Ehe du zu Bett gehst, verschaffe dir noch ein paar ruhige Augenblicke und bleibe allein, sitze still, denke nach und hänge deinen Träumen nach, so viel als dein Herz begehrt. Fürchte dich nicht, zu träumen, denn diese Fähigkeit wurde dir nicht gegeben, um deiner zu spotten, sondern hinter ihr steht die Wirklichkeit. Es ist eine göttliche Gabe, die dich das Paradies von weitem erblicken lässt und dazu bestimmt ist, dich vor Entmutigung bei Fehlschlägen und Enttäuschungen zu bewahren.

      Ich denke freilich nicht an ausschweifende Träume, sondern an die rechte, heilige Sehnsucht, die uns dazu verliehen ist, um unser Leben vor Niedrigkeit zu bewahren und uns über die widerwärtige Wirklichkeit in die Welt der Ideale zu erheben. Hinter dieser heiligen Sehnsucht steht eine göttliche Wirklichkeit. Sie bezieht sich aber allerdings nicht auf Dinge, die uns bloß angenehm, aber nicht nötig sind, die zu Asche werden, wenn wir sie genießen, sondern auf die Verwirklichung dessen, was in unseren höchsten Augenblicken vor unserer Seele stand.

      „So lang einer nur das Ideal eines Lumpensammlers hat, wird er auch ein Lumpensammler bleiben.“

      Diese Haltung unseres Geistes, diese Sehnsucht unseres Herzens ist ein beständiges Gebet, und die Natur erhört es. Denn in dieser beständigen Sammlung unseres Geistes auf einen Punkt liegt eine unwiderstehliche schaffende Kraft. Unsere Fähigkeiten werden dadurch fortwährend frisch erhalten und gestärkt. Unsere Gedanken gleichen Wurzeln, die wir in den Boden der allgemeinen Energie einsenken und die alles anziehen und aufsaugen, was zur Erfüllung unserer Sehnsucht dient.

      Wenn wir den Trieb und die Sehnsucht haben nach einem Leben, in dem wir all unsere gottgegebenen Kräfte frei entfalten dürfen, wenn wir fühlen, wie sinnlos es ist, dass so viele abgerufen werden, ehe sie Zeit hatten zu reisen – so ist dies alles ein Beweis, dass es eine Wirklichkeit gibt für die Erfüllung unserer Sehnsucht, die alle unsere Gedanken übersteigt.

      Der Trieb zur Vollkommenheit, der in uns gelegt ist, kann uns nicht täuschen, sondern ist ein Beweis, dass wir auch vollkommen werden können.

      Der Wandervogel hat den Trieb, nach Süden zu ziehen, nur weil es einen wirklichen Süden gibt. Schön und trostvoll sagt uns Hebbel, was wir hoffen dürfen:

      „Sag an, o lieber Vogel mein,

      sag an, wohin die Reise dein?“

      Weiß nicht, wohin

      mich treibt der Sinn,

      drum muss der Pfad wohl richtig sein!

      „Sag an, o liebster Vogel, mir,

      sag, was verspricht die Hoffnung dir?“

      Ach, linde Luft

      und süßen Duft

      und


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