triste. Katrin Sell
Detonationen in der Herzgegend sind zu spüren, die nicht
zerstören wollen, sondern Ereignisse bringen und Wellenschlag.
Zu lang wurde auf leere Tassen gestarrt und Papiere bewegt.
Nur Papier gesehen und Zeitungsablagen, was ausreichen sollte,
um ein Verweilen zu erreichen, in den überschaubaren Räumen
und Sälen mit ihren reservierten Plätzen.
Nicht mehr diese endlosen Kellergewölbe,
nicht dieses unaufhörliche Wasser, das nur Ängste bringt
über zu viel Masse und aufgeschwemmtes Material!
Ein jeder Morgen, Morgen des Daseins in einer sicheren Höhle;
dieser Planet um mich herum, den ich mir baue zwischen
übrig gebliebenem Licht, zwischen Unwetter und Flut,
bleibt vage, doch willkommen. Wenn es sein könnte: ein aufgeräumter Tisch
und Schonung. Dazu ein Gärtchen und reine Fingerchen für mich.
Aber er bleibt abwegig, dieser Schlummer im Gehege.
Ich will es Dahindämmern nennen und Furcht.
Was geschieht noch in den Mitternächten?
Doch du meinst: Viele hätten die dürren Klauseln geschluckt,
fern das Überstürzende,
und wären doch mehr als ein unglücklicher Tag,
mehr als ein Rücken, der im Morgengrauen verschwindet.
Ja, auf einmal kann die Kugel ausrollen und kein Wind kommt mehr auf;
und es verbleiben diese Körper in Ruhezonen, etwas Abgeschlossenes mit
einer leichten Öffnung, ein kurzer Traum oder
das überraschende Klingeln der Postboten an Wohnungstüren.
Worüber kann man sprechen ohne Extreme und Illusionen,
zwischen Anschaffungen und Weihnachtsservietten verharrend?
Spürst du den Moment, in dem abendliche Versprechungen kommen?
Wohin mit dem Klang, dessen Zähigkeit nicht zerbricht?
Nur ein kurzer Sturm ist es, sagst du, weil ein bestimmter Geruchssinn
bleibt, nur ein Anfall von Sehnsucht, der streift.
Zufuhr an Gedanken
Zu ihnen gelangten die Schirme der Trauer, damit bedecken sie sich,
geradewegs von den Landstraßen und Kohlenhalden kommend,
gegen eine Welt, die ihr eigenes Gesicht gesehen hat, nun selbst sichtbar,
Leuchtkäfern ähnlich, wissen sie von einem geheimen Schmerz, in Körpern
eingeschlossen und nur als schweres Auge fühlbar. Schwer sind auch die
zermürbten Kleider der Frauen, ihre Jahrmarktshände und die gebrochenen
Lippen. Was habt ihr gesehen? – So sei es, flüstert der Prophet, von tausend
Wahrheiten umspannt, die unter seinen Röcken nagen,
denn niemand sagte ihm, dem heiseren Sänger, dass auch er ein Mensch ist,
der nicht alle Zutaten verträgt, nämlich die wilden Essenzen, den unbewegten
Novemberdunst und das Schlangengift.
Dabei hatte er allein die Botschaft, biblisch fast und von heiligen Säumen
umgeben, nicht nachzugeben der Verwahrlosung in den Hospitälern,
sondern aufzurichten, noch sterbend Schuhe zu ordnen und die
massiven Früchte zu sammeln, wie den Kürbis, als Zeichen der Gesundheit;
immer, weil der Tod das Vorübergehende ist, nur eine Ansammlung
von Knochen. Das will jeder gern glauben, in Sterbegewänder gehüllt den Tod
ausspucken, wieder gehend wie ein frisch rasierter Advokat.
Jenseits, dieses Wort merke dir. Seine Verbreitung ist eine Linie voller Angst,
die nicht zu überschreiten ist. Auch Verlassenheit.
Zu meinen gewöhnlichen Leidenschaften gehört es, mit dem Leben zu spielen,
es als leises Geräusch zu betrachten oder als Wärme weiblicher Brüste,
um es dann, in einem unwiderstehlichen Moment, im Fluss zu versenken
wie ein morbider Jüngling, sehnsüchtig Seidenstrümpfe streichelnd
und wissend, dass die Losung etwas anderes ist: Luftröhren zu öffnen in
Krankenhäusern, Geburten zu zählen und sich selbst ans eigene Sein zu hängen.
Ich täte es – und noch mehr: mit rücksichtslosen Armen Soldaten bekehren
als stille Kämpferin; und den grausamen Wilderer töten.
Das ist nur der Anfang, der überwunden werden muss, die stählerne Hürde,
gerade dies zu wagen, ein freies Leben trotz Zurechtweisung und
deines derben Schlags in mein Augenlicht.
Nimm das von mir: das unterdrückte Schluchzen, die Mandelfäule und
die Suche nach dir, mein entrücktes Gegenüber, so eingeschrieben in den Leib
wie die blutrauschenden Adern, doch auch hilflos, weil nichts zu finden war,
obwohl eine Frau mit ihren Röcken an Bahnhöfen entlangging, stets vor einer
großen Reise. Auch ihr kennt diese Reise. Woanders gibt es ebendies:
den Gitarrenspieler und Mondsüchtigen und beinahe das ewige Leben.
Wünsch dir nichts, wurde oft gesagt, und der Rotz lief so unterirdisch, noch im
Alter, als der gebrochene Herzschlag längst dazugehörte; er war der Ritterschlag
der hässlichen Fragen und Trennungen. Glaubst du denn der göttlichen Stimme?
Einsichten
Jene Maschine der Vernunft spricht auch heute ihr Gebet und richtet das Versenkte
auf. Eine Zeit der einfachen Gesten ist es und eine Beruhigung der Nerven.
So sachlich der Tag heute, da ist es gut, Kraniche zu falten;
auf dass ich arbeiten kann,
und
immer sollen Stunden mit Aufwallungen und Kirschparfüm kommen,
das alles getragen von einem kräftigen Appetit
auf öliges, schweres Essen.
Alle beständigen Werte habe ich mir einverleibt und bewahre sie hier bei mir,
in meinem Kopf, und hole sie an windigen, verzweifelten Tagen hervor,
wenn der Hass steigt und die empathische Phrase zur Lüge gerinnt.
Erinnere dich, nicht töten zu wollen! Iss nicht die Blüten der Tollkirsche!
Da hängt jeder so in den Seilen der Moral und kann sein
bisschen Verstand bewahren. Ebendarum lebe ich noch und sitze
an Schreibtischen wie eine fleißige Gymnasiastin.
Noch steht das Gebäude, in das ich täglich gehe, in dem das Dasein kreist,
und