Grün ist das Leben. Wolfgang Bendick

Grün ist das Leben - Wolfgang Bendick


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die Einschnitte in die straffe Oberfläche geritzt und in das Rollregal damit! Und das alles mit einer solchen Geschwindigkeit, dass ich den Kopf nicht so schnell drehen konnte, wie das alles ablief!

      Zwischendrin hastete der alte Fahrer herum, mit einem Zettel zwischen den Lippen, auf dem wohl die Bestellungen standen, zog mich hinter sich her, und versuchte, mir zu erklären, was zu tun sei. Das war gar nicht so einfach, mit der Liste zwischen den Lippen und dem Lärm in der Backstube! Soviel ich mitbekam, mussten als erstes die Geschäfte beliefert werden. Der Supermarkt mit der nächsten Fahrt, dann verschiedene Betriebskantinen, Hotels und Gasthäuser. Und außerdem hatten wir 10 Minuten Verspätung! Meistens waren es runde Zahlen, 50er- weise. Doch musste alles mit Hand abgezählt werden. Das musste schnell gehen, alleine schon deshalb, weil man sich sonst die Finger verbrannte! Und auch, um Platz zu schaffen, denn die Semmelkisten fingen an, im Wege zu stehen. In jede abgezählte fertige Kiste musste noch der Lieferschein gelegt werden, diese dann im Auto an der richtigen Stelle abgestellt, manchmal in mehreren Lagen, gut verkeilt, dass sie nicht verrutschten oder umkippten. Denn meist wurden sie im Dunklen ausgeladen, vor die Türen gestellt oder in Eingänge, mit einem Blatt Papier darüber und dem Namen und der Anzahl und dem Lieferschein. Der Fahrer musste öfters seine Brille putzen, wenn er von draußen wieder reinkam, weil diese beschlug. Dann hatten wir endlich alles geladen und los gings! Nein, erst noch die Scheiben putzen, die auch alle angelaufen waren, trotz der Zwischenwand! Zwischen uns auf dem Sitz lag die Bestellliste, die auch die Lieferliste war. Für mich war die wichtig, denn ich war ja neu. Er kannte schon die Route, die fast immer gleich war, außer man hatte zu viel Verspätung und die am lautesten schimpfenden Kunden, oder die damit drohten, zur Konkurrenz zu gehen, mussten vorher beliefert werden! Um diese Zeit waren die Straßen noch frei und wie der Fahrer versicherte, riskierte man jetzt keine Polizeikontrolle. Wir donnerten über die noch gelb blinkenden Kreuzungen, holten alles aus dem Fahrzeug heraus, damit auch jede Hausfrau, jeder Arbeiter beim Metzler pünktlich seine frische Semmel hatte und nichts den geordneten Ablauf in deren Welt stören konnte!

      Als wir wieder zurückkamen, dämmerte schon der Tag. Der Chef persönlich hatte schon die zweite Runde Semmeln vorbereitet und ließ uns wissen, dass das eigentlich nicht seine Sache sei, und dass wir ruhig ein bisschen mehr Gas geben könnten! Die Bäcker hatten die Semmelrunde anscheinend fertig und waren schon dabei, den Brotteig aus den Knetern zu zerren, abzuwiegen und von Hand nochmals zu kneten, indem sie den Teigklumpen immer wieder zusammenfalteten. Ich staunte, wie viele Knettechniken es gab! Jeder hatte eine Flasche Bier in Reichweite. „Nicht rumstehen, arbeiten!“, rief der Chef und rannte an die andere Ecke der Backstube, um einem der Bäcker zu helfen, den Ofen zu bestücken. Das wurde mit einem förderbandähnlichen Gestell gemacht, auf dem leicht diagonal Brot an Brot lag. Dieses Gestell wurde in den Schacht des Ofens geschoben, ein Hebel festgehalten und das Gestell schnell wieder zurückgezogen. Der ‚Teppich‘, der das Gestell umgab, rollte beim Hinausziehen ab und die zu backenden Brote kamen auf dem Ofenblech zu liegen. Herausgeholt wurden sie aber noch mit der langstieligen, dünnen Holzschaufel. Und schon rasten wir mit der letzten Ladung Semmeln davon. Das waren meistens Nachbestellungen der Geschäfte und diejenigen, die wir in 5-er Netze abgepackt hatten für den Supermarkt, der erst später öffnete.

      Als wir zurückkamen, lagen die fertigen Brote glänzend in fahrbaren Regalen oder standen schon in den Kisten. Dieses Mal mussten wir nach der Bestellliste die Brote hochkant in die bei der zweiten Fahrt eingesammelten leeren Semmelkisten stellen. Die waren ganz schön heiß und schwer. Es gab dreierlei Brot: Roggen-, Weiß- und Mischbrot. Dieses am Aussehen zu erkennen, war eigentlich bald gelernt, schwierig wurde es, wenn das Mischbrot länger im Ofen geblieben war, als das Roggenbrot, oder wenn die Temperatur zu hoch gewesen war! Inzwischen machten sich die Bäcker an die Vorbereitung der Spezialbrote, die aber, wie ich bald herausfand, aus fertigen Mehlmischungen bestanden und somit schneller bereitet waren. Auch werkelte da eine neue Person an einem freien Platz am Backtisch herum. Man erklärte mir, das sei der Konditor, der seine Kuchen und Torten vorbereite…

      Als wir von der nächsten Tour zurückkamen, war die Backstube leer. Der Fahrer führte mich seitlich der Backstube eine Treppe hinauf. Dort saßen sie alle beim Kaffee und Frühstück, auch die Mutter des Chefs. Sie war es, die allen das Frühstück vorbereitete. Jetzt war endlich etwas Luft und ich wurde allen vorgestellt und ich erfuhr die Namen der anderen. Als ich sagte, bei dieser Gelegenheit könne ich ja gleich meinen Einstand zahlen, wurde der Lehrjunge in den Laden geschickt, um für jeden eine Flasche Bier zu holen. Nur Rosi, die im Laden und im Café bediente, zog einen Cognac vor. So früh trinkt man doch kein Bier… Inzwischen hatte der Edeka-Lkw den Laden beliefert. Ich schob die Paletten-Wägelchen etwas an die Seite, um mit Ernst, dem scheidenden Fahrer, an den Kombi zu kommen und erneut zu laden. Die leeren Kartons und was sonst noch im Laden und im Café anfiel, müsste ich am Nachmittag entsorgen, klärte er mich auf. Diesmal luden wir nur noch wenig Semmeln und Brot, nur für die Nachbestellungen. Es waren hauptsächlich Torten und Kuchen und Gebäck für die Hotels zu liefern. Und da musste man durch die erst kürzlich geschaffene Fußgängerzone, was nur vor 9 Uhr und nach 12 Uhr möglich war. Manchmal wagte ich es später auch zu anderen Zeiten, doch das war riskant. Immer konnten die Polizisten ihre Augen nicht zudrücken… Das Problem der Torten war, dass sie es kühl liebten, die Semmeln und Brote aber Hitze ausstrahlten. Die Kuchen befanden sich in einem tragbaren Drahtrost, je zwei nebeneinander und mehrere übereinander. Diese Gestelle mussten irgendwie verkeilt werden, damit sie nicht ins Rutschen kamen. Und man musste schnell fahren, bevor sie schmolzen. Und sacht anfahren und nicht bremsen! Sanft durch die Kurven! Und dennoch geschah es, zum Glück nicht oft, dass ich auf die Bremsen treten musste. Das war nicht immer wegen der Konkurrenz, die noch schneller sein wollte. Und dann klatschte es manchmal an der Trennwand und die schönen Torten klebten daran fest. Dann hieß es, so schnell wie möglich zurück und neue holen, wenn überhaupt welche da waren. Eigenartigerweise bekam ich nie einen Rüffel, wenn das passierte! Dafür freuten sich am Mittag die Bio-Schweine des Bauern, wenn ich die Pampe aus dem Kombi rauskratzte und in ihren Trog warf. Ihnen war eine ‚Schwarzwälder‘ ebenso recht, wie eine ‚Käsesahne‘. Sacher-Torten bekamen sie selten, denn diese waren in ihrer Konsistenz solider. Wie ich mitbekam, profitierten die Bauern und Doris ebenfalls von diesem gelegentlichen Tortensalat. Bestimmt hatten sie jene Wundermittel, die es im Bioladen gab und mit denen man angeblich alle chemischen Produkte in den Lebensmitteln neutralisieren konnte, im Haus…

      Es verging kaum ein Tag, den wir ohne 10 Minuten Verspätung begannen. Der Chef meinte, das läge am alten Backofen. Doch später, mit den zwei neuen, ging es auch nicht anders. Für mich war das mehr eine Taktik, um die Mannschaft auf Hochtouren zu halten…

      Seit diesem Tag führte ich ein Doppelleben: Tagsüber in der Stadt und auf den Straßen, nachmittags manchmal etwas am Hof, denn meist hatte ich so gegen 4 Uhr Feierabend. Die Bäcker hörten schon mittags auf. Auch der Chef machte nachmittags seinen Mittagsschlaf, nur der Konditor arbeitete so bis drei, weil er die inzwischen weniger heißen Backöfen zum Backen seiner Böden und Nussecken und andere Spezialitäten benutzte. Bei Gebäck gab es nach einer Vollbremsung kein Schweinefutter. Die Überreste wurden zu ‚Granatsplittern‘ verwandelt, diesen mit schwarzer Schokolade überzogenen Kegeln, in denen man alles verschwinden lassen konnte. Die übrigen Semmeln wurden eingefroren und mussten herhalten, wenn mal ein unerwarteter Kaufwahn herrschte. Ansonsten wurde, anhand des Kalenders (hier aber kein Mondkalender!) gut vorausgeplant, wieviel man an besonderen Tagen von allem benötigen würde. Das grenzte für mich schier an Hellseherei, besonders, wenn Feiertage bevorstanden!

      Rausschmiss

      Samstagnachmittag radelte ich weiterhin zu meinem Heilpraktiker, sonntags wanderten wir nach einem etwas längeren Schlaf meist durch die Wälder und Wiesen der Umgebung. Außer, wenn eine besondere Konstellation uns und den Bauern auf den Acker rief… Wir arbeiteten mehr, als eigentlich ausgemacht war, denn wir wollten nicht, dass der Bauer mal sagen könnte, wir hätten ihn ausgenutzt und nur eine kostenlose Bleibe gesucht!

      Doch dieses war wohl unvermeidlich. Sonntagvormittag, als ich durch den Stall ging, merkte ich, dass irgendwas mit dem Bauern anders war. Die Kühe hatten heute nichts zum Lachen! Doch hörte ich sie vorher auch nicht oft lachen. Die Bäuerin hatte anscheinend auch schon ihren Teil abgekriegt, denn mir schien,


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