Geliebter Prinz. Billy Remie
stimmte Karic zu.
Prinz Wexmell schnaubte und stichelte gegen seinen Bruder: »Wenn du König wirst, versinkt das Land in Dunkelheit.«
»Sobald ich König bin, werde ich ein Gesetz in Kraft setzen, das mir erlaubt, vorlauten Brüderchen den Mund zuzunähen.«
»Wie soll ich dann essen?«, fragte Prinz Wexmell gespielt schockiert. »Du würdest mich doch nicht verhungern lassen, geliebter Bruder?«
Desiderius musste sich ein Lächeln verkneifen. Der junge Prinz war ziemlich niedlich, auf seine Weise. Und amüsant, das musste man ihm lassen.
Karic sah seinen Bruder an und antwortete gelassen: »Ich werde dir einfach dein Essen durch die Nase schieben.«
Der Prinz neben Wexmell mischte sich ein und schlug vor: »Wir können es ihm auch einfach auf anderem Wege verabreichen. Dort rein, wo es für gewöhnlich raus-«
»Zorrtan!«, schnitt die Königin ihm das Wort ab.
Alle Prinzen senkten ihre Köpfe und kicherten unterdrückt.
Wer hätte gedacht, dass die Königsfamilie Desiderius einen so amüsanten Abend bescheren würde?
Aber trotz der Späße blieb der schlechte Beigeschmack bei dieser Zusammenkunft. Denn noch immer wusste er nicht, was er von der Nacht mit dem Prinzen halten sollte.
Er hatte den Prinzen verführt, ihm die Unschuld genommen, das allein genügte, um ihm den Kopf abschlagen zu lassen. Was man mit ihm machen würde, wenn sie erfuhren, dass er der Krone Silber gestohlen hatte, wollte er sich gar nicht vorstellen. Vierteilen? Aufknüpfen? Ihm wurde ganz schlecht, wenn er daran dachte.
Die Gespräche am Tisch nahmen wieder zu. Der König gab gerade einige Geschichten zum Besten. Er erzählte, wie er als kleiner Junge früher immer selbst seinem Vater entwischt war, um die große Welt zu sehen. Er war ein echter Wildfang gewesen.
Desiderius starrte dabei aber nur grübelnd und sorgenvoll auf die Tischkante. Er brauchte dringend mehr Wein, aber der Krug stand zu weit entfernt und er hatte keine Lust sich über den Tisch zu beugen. Er nahm sich vor, ein Fass aus der Vorratskammer zu entwenden und es mit nach oben in seine Kammer zu nehmen, sobald das Mahl zu Ende ging.
Plötzlich spürte er eine Berührung am Bein. Erst glaubte er, es wäre einer der Hunde, der sich in den Speisesaal gestohlen hatte, aber dann wurde die Berührung deutlicher und er erkannte, dass es sich um einen fremden Fuß handelte, der provozierend an seinem Bein auf- und abstrich.
Desiderius hätte es sich sparen können, dennoch blickte er auf.
Der junge Prinz, der ihm gegenübersaß, schmunzelte ihm verschwörerisch zu.
Dachte er denn, sie würden dieses Spielchen weiterführen, fragte sich Desiderius verwundert. Trotz, dass er ihn ausgeraubt hatte?
Da musste er den jungen Prinzen aber leider enttäuschen. Zumal es viel zu gefährlich war. Aber davon abgesehen, nahm Desiderius nie einen Mann zweimal. Niemals! Das war seine oberste Regel. Es verhinderte, dass man sich zu einander hingezogen fühlte und verringerte die Gefahr, entdeckt zu werden.
Er richtete sich räuspernd auf und sagte halblaut: »Entschuldigt mich.«
Doch ihn beachtete kaum jemand. Einige Prinzen nickten ihm zu, sein Bruder sah ihn ärgerlich an, und Prinz Wexmell runzelte verwirrt seine Stirn, als er ihm hinterher blickte.
Das war gut so, denn Desiderius wollte, dass er schnell begriff, dass er ihn nicht haben konnte. Ihn nicht - und sein Silber würde er auch nicht wiedersehen.
6
Früh am nächsten Morgen lehnte Desiderius auf den Wehrgängen und blickte in die weite Ferne. Am Horizont konnte er die rauen Wellen der hohen See erkennen. Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich, er könnte auf einem Schiff davon segeln. Fort von Nohva, fort von seinem Familienerbe. Fort von ... dem jungen Prinzen.
Er hatte die gesamte Nacht von diesem aufgeweckten Kerlchen träumen müssen. Ungewollt. Immer wieder war er aufgewacht, hatte geflucht, weil es ihm nicht behagte. Er hatte gelernt, andere auf Abstand zu halten, um sich selbst zu schützen. Und das wollte er auch beibehalten, weshalb das Auftauchen des Prinzen nicht gut für seinen Gemütszustand war. Wenn er geahnt hätte, wer er war, hätte er aus vielen Gründen niemals diese Nacht mit ihm verbracht.
Aber es war gleich, entschied Desiderius und untersagte es sich, sich deshalb zu sorgen. Schließlich würde die königliche Familie nur wenige Tage bleiben. Sie würden die Verlobungsfeier planen und alles in die Wege leiten. Dann würden sie wieder abreisen, Silva mitnehmen, und er musste den jungen Prinzen nur noch einmal sehen, und zwar wenn Monate später, am Ende des Sommers, Silvas und Karics Hochzeit in Dargard gefeiert wurde.
Was seine eigene Zukunft betraf, hatte Desiderius sich noch nicht entscheiden können. Er war sich sicher, dass er ablehnen würde. Zumal er keinesfalls eine Frau heiraten wollte.
Aber der Ausblick, der sich ihm gerade bot, erinnerte ihn daran, wie er als Junge hier gestanden und sich genau das gewünscht hatte, was sein Vater ihm jetzt bot. Er war ein legitimer Sohn und würde die Burg erben. Allerdings erwartete man dann auch von ihm, dass er sich eine Frau nahm und sein Blut weitergab. Und er wusste, dass er das nicht wollte. Es wäre auch einer Frau gegenüber nicht gerecht, sie zu diesem Leben zu verdammen. Sie würde schnell bemerken, dass er sie nicht begehrte.
Seufzend grübelte er darüber nach, was er tun sollte. Die Freiheit rief nach ihm, aber gleichzeitig wollte er das Angebot seines Vaters annehmen. Zumal es ihm eine höhnische Freude bereiten würde, seinen Halbbruder und seine Stiefmutter hochkant hinaus zu werfen, sollten sie seinen Vater überleben.
All das hier könnte ihm gehören, überlegte er und überblickte das Gebiet an den Klippen. Es war eine eher düstere Landschaft mit vielen toten Ästen. Man nannte es den Toten Wald. Aber genau das mochte er so sehr an der Burg. Sie war eine Festung. Düster und abschreckend. Kein Mensch fühlte sich hier wohl. Luzianer hingegen schon. Luzianer mochten Abgeschiedenheit. Luzianer mochten die Finsternis.
Desiderius runzelte die Stirn, als ein Schatten über ihn glitt. Er blickte gen Himmel und sah erneut einen Kauz über sich kreisen. Es war seltsam, da man Kauze in Nohva für gewöhnlich nicht am frühen Morgen sehen konnte. Die Raubvögel gingen nachts auf die Jagd.
Er hatte ein komisches Gefühl in der Magengrube, konnte dem aber nicht weiter auf dem Grund gehen, weil er plötzlich eine Berührung an den Einstichen an seinem Hals spürte.
»Eine schöne Bisswunde habt Ihr da«, säuselte eine melodische Stimme.
Desiderius blickte Prinz Wexmell verwundert an, als dieser sich neben ihn auf die Wehrgänge lehnte und kokett zu ihm aufsah.
Ausatmend drehte Desiderius sich fort und blickte wieder zum Horizont.
»Ich muss ehrlich sagen, ich war etwas beleidigt, als du mich nicht erkannt hast«, plauderte der Prinz ungeniert und vertraut drauf los, er blickte dabei den hohen Burgfried hinauf. »Es ist zwar zwölf Jahre her, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber ich habe sofort gewusst, wer du bist.«
Desiderius schnaubte amüsiert, dann sah er ihn skeptisch an.
»Wirklich«, beharrte Wexmell. »In dem Moment, als sich unsere Blicke durch den Raum hindurch trafen, wusste ich, wer da an dem Tisch sitzt und mich anstarrt.«
Desiderius erwiderte nichts, er hatte mit einem Schmunzeln zu kämpfen, als er sich an jene Nacht erinnerte.
Unaufgefordert erzählte der Blonde weiter: »Erst dachte ich, du hättest mich erkannt und mich deshalb fixiert. Es war mir peinlich, dass wir uns in einem Bordell trafen. Und als du mich angesprochen hast, glaubte ich erst, du scherzt.«
»Warum hast du nichts gesagt?«, fragte Desiderius verwundert. »Wenn du doch wusstest, wer ich bin.«
Der Blonde grinste ihm frech ins Gesicht. »Weil mir gefiel, wohin es führte. Ich hätte nie gedacht,