Geliebter Prinz. Billy Remie
Vorwort
Für Helena,
weil du meinen Büchern gestattest, dass sie ihren "hausgemachten" Charme behalten dürfen. Und weil du mir immer wieder Mut machst, weder mich noch Nohva aufzugeben.
Wem, wenn nicht dir, könnte ich dieses Buch widmen.
Dies ist die 2. Auflage von Geliebter Prinz. Mit tatkräftiger Hilfe wurde dieses Buch noch einmal korrigiert, inhaltlich hat sich allerdings nichts verändert. Ich garantiere nicht, dass das Buch zu 100% fehlerfrei ist, bitte verzeiht es mir, wenn sich bei so vielen Buchstaben doch mal ein Tippfehler versteckt. Die Geschichte war eine der ersten Geschichten, die ich schrieb, und auch nach der Überarbeitung spürt man noch ihren Erstlingscharme. Ich hoffe aber, dass die Handlung euch trotzdem mitnehmen kann.
Prolog
Ein milder Windstoß durchfegte den Kontinent Nohva und ließ die Baumspitzen der Wälder tanzen. Es war kühl, doch der kurze Sturm brachte den Frühling mit sich. Milde Temperaturen breiteten sich in den Gebieten Nohvas aus.
Das Sandvolk im Westen bereitete sich auf die wilden Frühlingswinde und die damit verbundenen Sandstürme vor. In den Tiefen Wäldern freute sich das Waldvolk auf die kommenden Monate der beutereichen Jagd. Die Piraten an den Violetten Küsten machten ihre Schiffe bereit, um weit hinaus auf die raue See zu segeln. Die Gebirgsmenschen trieben ihr robustes Vieh aus den Ställen hinaus auf die fruchtigen Wiesen. Und im Zentrum Nohvas, in der Hauptstadt Dargard, lebten Menschen Seite an Seite mit ihren Herrschern, dem Luzianervolk, und bereiteten sich auf die Tage voller Feierlichkeiten zu Ehren des Frühlings vor.
Weit über den Köpfen der geschäftigen Völker Nohvas zog ein Kauz seine Kreise. Lautlos. Still. Unbemerkt. Nur ein weiteres Lebewesen, das seiner Wege ging.
Doch der Flug des Raubvogels war keineswegs willkürlich, denn der Kauz war der Vorbote einer Katastrophe, die sich unaufhaltsam anbahnte und das Schicksal aller in Nohva bestimmen würde.
1
Teil 1 Verlockung und Sünde
Wir wollen stets der nächsten Verlockung erliegen, selbst wenn diese für alle anderen eine Sünde ist. – Dann erst recht.
Desiderius leerte gelangweilt seinen Becher. Der warme Wein lief zähflüssig seine Speiseröhre hinab, landete in seinem leeren Magen und entfachte eine angenehme Hitze in seinem Inneren.
Er leckte sich die schmalen Lippen ab und schmeckte die Süße seines Getränks darauf.
Sehnsüchtig blickte er in den geleerten Becher. Er hatte bei Weitem nicht genug getrunken. Zwar war sein Durst längst gestillt, doch sein Geist war ihm für seine Verhältnisse noch immer nicht benebelt genug. Er musste diesen Zustand möglichst schnell beheben.
Tage und Wochen war er gereist. Ohne Vorräte. Hatte sich hier und dort etwas zu Essen oder ein paar Taler ergaunern müssen. Hatte stehlen oder bei Kartenspielen betrügen müssen, um über die Runden zu kommen. Und wozu? Damit er sich mit diesem schmierigen, dickwanstigen Adelssöhnchen treffen konnte, den er Bruder schimpfte.
Kopfschüttelnd stellte er den Becher auf den Tisch, dessen dunkle Holzplatte viele Kerben aufwies, weil schon etliche Besucher ihre Dolche hineingestoßen hatten. Geräuschvoll atmete er tief ein und aus, ehe er sich umsah.
Das Etablissement, in dem er und seine Weggefährten sich eingefunden hatten, war eines der edleren Gewerbe an den Violetten Küsten. Aber wer schon einmal einen Besuch an die Küsten unternommen hatte, wusste, dass selbst die Gebäude, die hier als nobel galten, nichts weiter waren als heruntergekommene Dreckslöcher.
Dieses Bordell unterschied sich von den anderen nur in soweit, dass der Betreiber die dreckigen Ecken, kaputten Möbel und die durchlöcherte Holzdecke mit goldenen und roten Stoffen verdeckte, die er ohne jeden Zweifel einst Piraten abgekauft hatte, die ihre gestohlene Ware – die sie mitbrachten, wenn sie nach einer langen Seereise an den Küsten anlegten – zu niedrigen Preisen verschacherten.
Ja, an den Violetten Küsten ging nicht nur das Wetter rau zu, sinnierte Desiderius, der seit seiner Kindheit nichts anderes kannte als Reisen und das harte Leben der mittellosen Burschen. Und das obwohl sein Vater ein angesehener Luzianerlord war. Aber Desiderius war eben nur ein Bastard, den man aus der Burg gejagt hatte, als er gerade so auf seinen eigenen Beinen stehen konnte.
Und zwar wörtlich.
Er hatte gerade das Krabbeln aufgegeben, als die Frau seines Vaters ihn in ein Kloster steckte.
Desiderius war dort nicht lange geblieben, die Freiheit sagte ihm einfach mehr zu. Er hatte gerade Mal zwölf Sommer aufzuweisen, als er die Mauern des Klosters bei Nacht und Nebel verlassen hatte und ausgerissen war. Für immer. Seither schlug er sich zusammen mit Räuberbanden und Diebesgilden durchs Leben. Nur das Piratenleben war nichts für ihn. Er liebte das raue Leben an der Küste, aber ein Luzianer hatte bei Weitem nichts auf einem wackeligen Schiff zu suchen. So robust und immun sein Körper im Gegensatz zu den kurzlebigen Menschenvölkern auch war, Seegang vertrug ein Luzianer einfach nicht.
Nun war er sechsundzwanzig Jahre alt, steuerte auf den Tag zu, an dem er von einer Dirne in einem Hurenhaus auf die Welt gebracht worden war, und konnte sich dem Einfluss seines Vaters dennoch nicht entziehen. Immer wieder spürte dieser ihn auf. Wo auch immer er war, irgendwann bekam Desiderius von einem Boten oder einem Botenvogel eine Nachricht von dem ehrenwerten Lord des Toten Waldes und wurde gezwungen, bei dem alljährlichen Besuchs des Königs anwesend zu sein.
Desiderius lehnte sich schnaufend mit einem Ellenbogen auf die Tischplatte und stützte den Kopf in die Hand. Er fragte sich insgeheim, warum er sich überhaupt die Mühe machte, dort aufzutauchen.
Seine Familie verachtete ihn und das, was er darstellte. Doch der König sah diese Geschichte anders, weshalb man Desiderius jedes Jahr aufs Neue rufen ließ. Denn der König war ein edelmütiger Mann. Er schätzte es nicht, wenn Bastarde anders behandelt wurden als eheliche Kinder. Vor allem schätzte er eine solche Verachtung unter seinem eigenen Volk nicht. Und weil Desiderius’ Vater sich nicht den Unmut des Königs zuziehen wollte, musste sich Desiderius immer dann in der Burg blicken lassen, wenn König Wexmell Airynn der Familie M’Shier einen Besuch abstattete.
Na toll.
Aber wenn Desiderius ehrlich war, mochte er diese Besuche. Nicht, weil er dann seine heuchlerische Familie wiedersah, nein, er musste zugeben, dass er den König mochte und diesen wohl nie zu Gesicht bekommen würde, wenn er nicht bei diesen seltenen Treffen auftauchen würde.
Also ging er, so wie jedes Jahr, auch dieses Mal wieder hin.
Aber kein Lord und kein König konnten ihn daran hindern, sich am Abend vor dem Besuch des Königs, an der Küste in einem Bordell ordentlich mit Wein zu benebeln.
Eines war sicher, am Morgen würde