Russian Mafia Prince. Sarah Glicker

Russian Mafia Prince - Sarah Glicker


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„Hi“, erwidere ich nicht ganz so stürmisch, wobei ich mir ein Gähnen nicht verkneifen kann.

       Nachdenklich und auch ein wenig besorgt sieht sie mich an. Dabei hat sie ihre Hände auf meinen Schultern liegen.

       „Ist alles in Ordnung?“, fragt sie mich und zieht skeptisch die Augenbrauen nach oben.

       „Ja, mir geht es super“, gebe ich nur zurück. Ich hoffe, dass sie nicht merkt, dass meine Antwort nicht so ganz der Wahrheit entspricht. Doch sie wendet sich nicht von mir ab, sodass ich mir schon bald deswegen keine Hoffnung mehr machen muss.

       „Du siehst so aus, als solltest du dich lieber ins Bett oder auf die Couch legen. Müsste ich raten, würde ich sagen, dass du in der letzten Zeit nicht sehr viel geschlafen hast“, stellt sie nüchtern fest, nachdem sie mich noch eine Weile betrachtet hat.

       „Du hast recht“, antworte ich, da ich weiß, dass es nichts bringt, es zu leugnen. Sie kennt mich schon seit einer Ewigkeit und weiß daher, wenn ich ihr nicht die Wahrheit sage. Andersherum weiß ich es aber auch. „Deswegen werde ich auch nur eine Stunde bleiben und mich dann auf den Weg nach Hause machen. Ich muss wirklich ein paar Stunden Schlaf nachholen. Wo sind denn die anderen?“, erkundige ich mich, nachdem ich mich umgesehen habe. Zum einen hoffe ich, dass ich das Thema so wechseln kann, da ich mich nicht länger über meinen Gemütszustand unterhalten will. Zum anderen bin ich wirklich neugierig.

       „Robyn kommt gleich, sie hat mir vorhin eine Nachricht geschrieben. Lana kann leider nicht. Ihre Eltern haben sie angerufen, es gibt irgendeinen Notfall in der Familie. Ava muss arbeiten, sie ist in diesem Punkt noch schlimmer als du, und Olivia ist mit ihrem Freund bei seinen Eltern. Wenn du mich fragst, wird es langsam ernst bei ihnen. Es scheint mir so, als würde bald eine Hochzeit anstehen.“

       Robyn ist meine ältere Schwester, obwohl man das so nicht einmal sagen kann. Uns trennt nur ein Jahr. Für sie war es aber immer leichter gewesen, in der Welt unserer Eltern klarzukommen. Ich habe es zwar auch geschafft. Aber ich muss zugeben, dass ich eher die Rebellin von uns beiden bin. Auch, wenn ich das niemals vor meinen Eltern zeigen würde. Doch hinter ihrem Rücken habe ich schon öfter nicht das gemacht, was sie von mir erwarten. Meine Schwester ist jedoch den Weg gegangen, den sich unsere Eltern auch für mich gewünscht haben, auch beruflich. Sie arbeitet im Krankenhaus als Assistenzärztin und ist mit einem Chirurgen zusammen.

       Doch diese kleinen Unterschiede ändern nichts daran, dass ich mich gut mit meiner Schwester verstehe, obwohl wir nicht immer die gleiche Meinung vertreten. Man kann eigentlich auch sagen, dass ich öfters eine andere Meinung habe, als sie. Wobei ich zugeben muss, dass ich sie das nicht immer wissen lasse. Genauso wie meine Eltern definitiv nicht alles wissen, was in mir vor sich geht. Manche Sachen gehen sie einfach nichts an.

       Ich habe immer zu Robyn aufgesehen, weil sie einen starken Willen hat und genau weiß, was sie will. Ich selber war eher immer etwas unsicher. Das hat sich allerdings geändert, als ich auf das College gegangen bin. Es hatte nicht lange gedauert, bis ich mehr Selbstbewusstsein bekommen und mir einen Plan für meine Zukunft gemacht habe. Nun bin ich selber zielstrebig und weiß genau, wo ich in ein paar Jahren stehen will.

       In diesem Teil danke ich meinen Eltern. Von klein auf haben sie uns gezeigt, worauf es ankommt, um genau diese Ziele zu erreichen. Sie haben immer auf uns aufgepasst und uns wieder auf den richtigen Weg gebracht, wenn wir von ihm abgekommen sind, was bei Robyn nicht sehr oft geschehen ist. Während alle anderen auf dem College von einem Ärger in dem nächsten gerutscht sind, habe ich lieber gelernt und mich von Ärger ferngehalten.

       Und in gewisser Weise kann man sagen, dass es noch immer so ist. Egal, ob man mich deswegen für langweilig hält oder nicht.

       „Ich muss zugeben, als wir gestern gesprochen haben, habe ich nicht gedacht, dass du kommst. Umso mehr freue ich mich nun. Sonst würde ich hier alleine mit Robyn sitzen. Auch wenn ich mich gut mit ihr verstehe, so habe ich doch gehofft, dass wir heute alle hier sind.“

       „Vielleicht kommen Lana und Olivia ja später noch“, überlege ich.

       „Ich glaube nicht.“

       Nur schwer kann ich für mich behalten kann, dass ich enttäuscht darüber bin. Ich hatte mich darauf gefreut, all meine Freundinnen zu sehen.

       „Aber jetzt erzähl doch mal. Was hast du in den letzten Tagen noch so getrieben, außer zu arbeiten?“

       „Nichts“, gebe ich zurück und nehme das Glas Champagner entgegen, was mir die Kellnerin reicht.

       „Das klingt furchtbar langweilig. Du solltest weniger arbeiten und dich stattdessen mehr auf die Suche nach deinem zukünftigen Ehemann machen“, ertönt die laute Stimme meiner Schwester hinter mir.

       Erschrocken zucke ich zusammen und drehe mich zu ihr herum.

       „Ich habe es nicht so eilig, einen Mann zu finden“, erläutere ich ihnen, nachdem ich auch den Blick meiner Freundin bemerkt habe.

       Kaum habe ich ausgesprochen sehen die beiden mich mit großen Augen an. Ich habe das Gefühl, als hätte ich etwas Falsches gesagt. Obwohl nein, ich habe nicht das Gefühl, ich weiß, dass es so ist.

       Weder meine Schwester noch meine Freundinnen können nachvollziehen, dass ich als Single derzeit glücklich bin in meinem Leben. Für mich gibt es nicht den kleinsten Grund, wieso ich mich in eine feste Beziehung stürzen sollte.

       Ich warte darauf, dass die beiden deswegen etwas sagen, doch das machen sie nicht. Stattdessen werfen sie sich aber vielsagende Blicke zu.

       Ich weiß nur zu gut, was in ihren Köpfen vor sich geht. Nicht nur meine Schwester und ich wurden schon nach dem Abschluss auf der Highschool dazu aufgefordert, einen passenden Ehemann zu finden, um dafür zu sorgen, dass der Nachwuchs nicht ausbleibt. Und seitdem meine Schwester mit ihrem Freund zusammen ist, durfte ich es mir noch öfter anhören, falls das überhaupt geht. Manchmal habe ich das Gefühl, als wäre das unsere einzige Aufgabe als Töchter.

       Meine Schwester setzt sich neben mich und grinst von einem Ohr bis zum anderen.

       „Ich hasse deine gute Laune“, stelle ich fest und nehme noch einen Schluck aus meinem Glas.

       „Wieso das denn? Normalerweise liebst du sie.“

       Da wir uns schon länger nicht mehr gesprochen haben, berichte ich ihr kurz von den letzten Tagen, obwohl es da eigentlich nicht viel zu erzählen gibt.

       „Ich sage doch, du arbeitest zu viel“, stellt meine Schwester fest. „Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich dir das schon gesagt habe.“

       Mir liegen ein paar Worte auf der Zunge, doch ich ziehe es vor, sie nicht auszusprechen. Es würde nur in einer endlosen Diskussion enden, die keiner von uns gewinnen kann.

       Eine Stunde bleibe ich bei den beiden. Dabei unterhalten wir uns über alles Mögliche. Allerdings merke ich auch, dass ich immer müder werde. Deswegen dauert es nicht lange, bis ich mich von ihnen verabschiede.

       „Ich werde jetzt nach Hause fahren und mich ins Bett legen“, verkünde ich und greife gleichzeitig nach meiner Tasche, die unter dem Tisch steht. So will ich den beiden die Möglichkeit nehmen, einen Versuch zu starten, mich davon abzuhalten. „Ich muss wirklich dringend ein wenig schlafen.“

       „Ich werde mich auch gleich auf den Weg machen, da ich mich noch um ein paar Sachen kümmern muss. Ich habe das Wochenende Dienst und morgen sind wir bei unseren Eltern zum Essen. Denk dran, sie haben Hochzeitstag. Also komm nicht zu spät“, weist meine Schwester mich an. Sie hat einen strengen Blick aufgesetzt, den sie schon immer hatte, als wir noch Kinder waren.

       „Keine Sorge, ich werde pünktlich da sein“, gebe ich zurück.

       Seit Monaten gibt es kaum noch ein anderes Gesprächsthema bei meiner Mutter. Da kann man es überhaupt nicht vergessen. Man wird ja quasi täglich daran erinnert.

       Die ganze Familie ist morgen eingeladen. Noch ein Grund wieso ich unbedingt fit sein muss. Wenn ich da mit dicken Augenrändern ankomme, darf ich mir nur etwas anhören, worauf ich keine Lust habe.


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