Im Spiegel meiner Seele. Christina Enders
sein, ich werde es meiner Freundin überlassen. Aber wenn ich den Schritt jetzt nicht wage …»
«Das verstehe ich, Sie sind jung und haben noch ein ganzes Leben vor sich, es ist nie zu spät noch einmal neu anzufangen.»
Sjena nickte und aß ihren Teller leer. «Ich weiß nicht, wohin mein Weg oder mein Leben mich noch führen wird, aber … ich habe das Gefühl, dass ich hier raus muss, etwas anderes sehen und erleben.»
Ihre Nachbarin nippte an dem Wein. «Der ist wirklich gut. Kann ich noch etwas für Sie tun?»
Sjena nickte. «Da gäbe es wirklich etwas, aber ich weiß nicht, ob ich Sie darum bitten kann.»
«Was ist es?»
«Ich weiß nicht wie lange ich weg sein werde, wenn Sie ab und zumal bei meinem Mann und meinen Sohn vorbeischauen könnten, die Rosen brauche nicht viel pflege, aber ab und zu vielleicht doch mal einen Verschnitt oder etwas Wasser.»
«Darüber dürfen Sie mich natürlich bitten, ich bin ja eh oft auf dem Friedhof, wenn ich nach meinen Armin schaue, kann ich natürlich auch auf ihren Gräbern ein Auge haben.»
«Sie müssen es auch nicht ganz für umsonst machen, ich …»
«Nein Kindchen, Sie wollen mich doch jetzt nicht beschämen, oder?»
«Nein, das liegt mir fern. Der Auflauf war wirklich noch immer so gut, wie ich ihn in meiner Kindheit in Erinnerungen hatte.»
«Das freut mich, ich komme nur noch selten dazu, so aufwendig zu kochen. Für mich allein bringt das oft kein Sinn.»
«Die Einsamkeit ist das Schlimmste, oder?»
«Ja, draußen dreht sich die Welt weiter, doch ich habe oft das Gefühl, dass ich für allen nur eine Last bin. Meine Kinder haben keine Zeit für mich, meine Enkel kenne ich nur von Bildern. Es ist mutig von Ihnen, alles hinter sich lassen zu wollen, schauen, was das Leben einem noch bieten könnte.»
«Nun, das können Sie doch auch?»
«Nein, dafür bin ich zu alt.»
«Wer sagt das, haben Sie davon gelesen, dass in der Nolanstreet ein Mehrgenerationenhaus aufgemacht hat? Ich weiß davon, weil ich das Plakat für den Besitzer entwickelt habe. Soweit ich weiß, suchen sie noch jemand, der dort einzieht, der in ihrem Alter ist. Eine Oma, die sich um alles kümmert. Sie wären da auf einen Schlag nicht mehr allein und bestimmt nicht nutzlos, sicherlich ein wahrer Zugewinn.»
«Und das Haus hier.»
«Na ja, wenn Sie zu Ihren Kindern ziehen würden, müssten Sie es auch verkaufen oder, eine junge Familie hätte sicherlich viel Spaß mit dem Haus, das Ihnen auch ein gutes Polster bieten würde, es gibt doch sicherlich auch noch ein paar Wünsche, die Sie sich erfüllen wollen, so alt sind Sie doch nun auch nicht oder. Wie haben Sie so schön gesagt, man kann immer von Neuen anfangen.»
«Das habe ich gesagt, ja …»
«Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen dabei, Zeit spielt für mich momentan keine wirkliche Rolle, eine Woche früher oder später ist für mich nicht bestimmend. Also was meinen Sie, soll ich den Kontakt zu dem Hausbesitzer herstellen? Ich kenne auch einen guten Makler, der Ihnen einen guten Preis für das Haus bieten wird.»
«Das kommt jetzt alles etwas überraschend, aber ja, warum eigentlich nicht, dann fangen wir beide etwas Neues an.» Margrit legte die Hand auf Sjena. «Dann sollten wir vielleicht auch erst einmal das Sie weglassen. Ich bin Margrit.»
«Sjena, aber das wissen Sie … du ja.»
Margrit lächelt und ging zu ihrer Anrichte und holte ihren besten Sherry heraus. «Ich finde, darauf müssen wir anstoßen, mit einem guten Tropfen.» Sie schüttete die Gläser ein. «Auf eine neue, schöne Zukunft.»
Sjena schüttete das Glas hinter sich und lächelte, manchmal war es auch gut, die eigentlichen Grenzen zu verlassen.
Kapitel Zwei
Sie gingen durch das Haus und schauten sich die Wohnung an, die Margret mieten könnte. Ein Wohnzimmer, eine kleine Küche und ein Schlafzimmer, insgesamt 65 m² in Bezug, auf dem Haus in dem sie wohnte recht bescheiden. Doch die Wohnung war nur das eine, im Untergeschoss gab es einen großen Aufenthaltsraum mit einer großen Küche, einen Raum der Begegnung mit einem großen Tisch, an dem alle Platz finden konnten, die es wollten. Und sie lernte die Menschen kennen, die hier wohnten.
Margrit schaute etwas unsicher. Da kam ein Mann auf sie zu, er war der Besitzer des Hauses. «Sie wollen sicherlich wissen, ob hier in dem Haus immer Frieden herrscht und alles gut geht, dass die Generation immer friedlich beieinander wohnen. Wenn Sie darauf eine positive Antwort haben wollen, kann ich die Ihnen nicht geben. Dort, wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es immer Konflikte. Auch hier wird gestritten, gehasst, geliebt …»
«Das habe ich mir schon gedacht.»
«Aber wir sind auch hier, um voneinander zu lernen, auch wenn die Erfolge manchmal nicht gleich zu erkennen sind. Wir sind noch ein junges Haus, die hier wohnenden Menschen sind noch nicht ganz aufeinander eingestimmt. Ich gehe davon aus, dass es Personen geben wird, die wieder ausziehen, weil es für sie dann doch nicht funktioniert, aber man kann es nur herausfinden, wenn man sich darauf einlässt.»
«Da ist was Wahres dran.»
«Wenn Sie wollen kommen Sie am Wochenende zu unserem Kennenlernfest, da stellen sich alle Bewohner vor, wir essen und trinken gemeinsam etwas. Am Ende wissen Sie vielleicht, ob sie sich ein Leben hier vorstellen können.»
Margrit nickte mit einem Lächeln, reichte dem Mann die Hand und ging mit Sjena zurück auf die Straße.
«Hört sich doch alles recht gut an, hast du den Garten gesehen, der ist, glaube ich, zu jeder Jahreszeit ein Traum.
«Ja, es wäre schon eine ziemliche Veränderung.»
«Na ja, allein und einsam wärst du hier sicherlich nicht.»
«Nein. Aber ich muss darüber nachdenken.»
«Das verstehe ich, aber es ist eine Möglichkeit, dem Leben eine neue Wendung zu geben. Ich habe jetzt ein Termin mit dem ehemaligen Partner meines Mannes.»
«Schon gut, ich schaffe es auch allein nach Hause.»
Als Sjena zu Hause die Tür zumachte, atmete sie tief. Wieder etwas geschafft, dachte sie und ging in ihr Schlafzimmer, zog sich aus, ging unter die Dusche und ließ sich von dem heißen Wasserstrahl umarmen. Als sie aus der Dusche stieg, trocknete sie sich ab, wischte sich die Haare von der Stirn. Ben mochte es, wenn sie nass waren und sanft kitzelnd seinen Körper berührten, sie schloss in Erinnerung die Augen, schob sich anschließend in ihren kuscheligen Morgenmantel, ging nach unten, um sich die Suppe von gestern warmzumachen.
Als sie diese löffelte, dachte sie daran, dass es langsam Zeit war, die Briefe zu schreiben. An Sam, ihre Mom. Mit Sebastian hatte sie alles geklärt, sie würde erst einmal stille Teilhaberin bleiben, wollte keinen Verkauf erzwingen. Hatte so ein monatliches Einkommen, ohne erst einmal wirklich selbst arbeiten zu müssen. Später würde sie ihm testamentarisch ihre Anteile überschreiben. An Margrit sollte sie auch einen Brief schreiben und an ihre Schwiegereltern. Nein, das würde sie wohl nicht fertigbringen, für sie würde sie einfach still verschwinden und stellte ihren Abwasch in die Spülmaschine und ging wieder nach oben, schob ihr Bettdecke auf und kroch darunter.
Sie saß in ihrem Arbeitszimmer, hatte Stift und Papier vor sich liegen, so einen persönlichen Brief wollte sie auch persönlich mit der Hand schreiben. Der Brief an ihrer Mutter ging schnell, sie hatte kurz verfasst, warum sie die Stadt verlassen musste, dass sie nicht wusste, wann sie zurückkommen würde und, dass sie sich gegebenenfalls melden würde, auch wenn sie das nicht vorhatte. Dann schrieb sie den Brief an Margrit, der hatte schon mehr Tiefe und ließ durchblicken, dass sie vermutlich nicht wiederkam, dass sie einen Weg gehen wollte, dessen Ausgang sie heute noch nicht kannte… sie schaute