Mit Bedacht fliegen. Christoph Kessel
Mainz, im Januar 2020
Christoph Kessel
Aspekt 1 – Der Weg zur Buchung
Flüge können seit jeher direkt bei einer Airline gebucht werden. Im Gegensatz zu diesem Direktverkauf, bieten Reisebüros im indirekten Verkauf ebenfalls die Möglichkeit, Tickets zu erwerben – nach eingehender Beratung.
Wir sind es mittlerweile gewohnt, viele Dinge in unserem Alltag mit ein oder zwei Klicks online zu bestellen oder zu reservieren. Das funktioniert beim Buchen von Flügen natürlich auch. Allerdings ist es bei der Buchung im Internet relativ schwierig, viele der Aspekte, die ich in den nächsten Kapiteln anreiße, selbst zu überprüfen. Die Webseiten und Apps der Airlines sind sich in der Regel sehr ähnlich. Es gibt eine Buchungsmaske, in der die Details für den Flug eingegeben werden. Im besten Fall besteht die Möglichkeit, Sonderwünsche anzugeben oder zusätzliche Services zu buchen. Einige wenige Airlines haben Ausgleichsprogramme (siehe Aspekt 12 – Die Kompensation des Flugs) bereits in den Buchungsprozess integriert. Das ist aber aktuell noch die große Ausnahme.
Dennoch verzeichnen die meisten Airlines große Umsatzzuwächse im Direktverkauf. War es früher möglich, im Stadtbüro der jeweiligen Airline Tickets zu kaufen, wurden diese bei den meisten Airlines mittlerweile abgeschafft. Auch der Ticketschalter am Flughafen hat fast überall ausgedient. Telefonisch zu buchen, ist zwar noch möglich. Den Großteil der Umsätze verzeichnen Airlines mittlerweile jedoch beim Online-Direktverkauf. Es ist stark anzunehmen, dass die meisten Kunden, die diesen Buchungsweg wählen, sehr preissensibel sind. Sie stoßen auf eine Preiskampagne und werden auf die Buchungsseite der Airline geleitet. Ob neben dem Preis weitere Aspekte zur Kaufentscheidung beitragen, sei dahingestellt. Vielleicht entsteht durch das verlockend günstige Angebot auch erst das Bedürfnis zu fliegen.
Alternativlos ist dieser Kaufprozess natürlich nicht. In Deutschland gibt es auch 2020 noch mehrere Tausend Reisebüros, deren Personal aufgrund der dualen Ausbildung bestens geschult ist und mit Sicherheit bei vielen der folgenden Aspekte eine Hilfestellung zur Entscheidungsfindung geben kann.
2004 wurde in Deutschland von vielen Fluggesellschaften die so genannte „Nullprovision“ eingeführt. Reisebüros gelten demnach als ein Makler, der im Auftrag des Kunden aktiv wird. Daher erhält das Reisebüro von den Airlines in der Regel keine Provision und ist auf das Beratungsentgelt angewiesen, das der Kunde entrichtet. Im Gegenzug sollte der Kunde eine objektive Beratung erhalten. Schließlich möchte das Reisebüro den Kunden möglichst an sich binden, damit dieser im besten Fall die nächste (Flug)-Reise wieder dort bucht.
Airlines, die sich von Mitbewerbern nicht (ausschließlich) über den Preis abheben möchten, investieren entsprechend in die Reisebüro-Kommunikation. Teilweise gibt es eigene Extranet-Seiten für Reisebüro-Mitarbeiter*innen, auf denen komplizierte Buchungsprozesse dargestellt werden, die sich teilweise bis heute gar nicht online vornehmen lassen. Es gibt im besten Fall auch separate Call Center, in denen die Reisebüro-Mitarbeiter*innen anrufen oder mit den Airline-Angestellten chatten können, um nicht alltägliche, sehr spezielle Fragen umgehend beantwortet zu bekommen.
Für komplizierte Reiswünsche eignet sich daher der Gang ins Reisebüro. Durch Ihr Nachfragen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit tragen Sie dazu bei, dass das Thema auch bei Airlines auf der Agenda erscheint, die sich damit bisher weniger auseinandergesetzt haben. Denn viele Reisebüros werden auch heute noch von Außendienstmitarbeiter*innen der Fluggesellschaften besucht, um zu erfahren, was den Kunden wichtig ist. Folglich können Sie dazu beitragen, dass diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zukommt.
Und was den Flugpreis anbetrifft: Manche Reisebüro-Mitarbeiter*innen sind bei der Tarifierung extrem kreativ und können es mit den Preisvergleichsportalen im Internet aufnehmen, so dass sich das Beratungsentgelt letztlich sogar amortisiert, gerade wenn Sie für mehrere Personen buchen.
Letztendlich bewahrt Sie das Reisebüro womöglich sogar vor bösen Überraschungen. Die Mitarbeiter*innen weisen vielleicht darauf hin, dass es (Pflicht)-Impfungen für Ihr Zielland gibt, dass ein Visum zur Einreise oder ein bestätigtes Rückflugticket notwendig sind. Und kennen Sie immer Ihre Freigepäckgrenze? Dazu mehr in den entsprechenden Kapiteln.
Mit Bedacht fliegen setzt gegebenenfalls eine kompetente Beratung voraus. Die aktuellen Entwicklungen in der sich schnell verändernden Airline-Branche sollten Reisebüromitarbeiter*innen in einem guten Reisebüro kennen und Ihnen vermitteln können.
Aspekt 2 – Der Abflughafen
Aufgrund des föderalen Systems in Deutschland gibt es keinen Zentralflughafen wie in vielen Nachbarländern. Es gibt eine Vielzahl von Regionalflughäfen und wenige Großflughäfen. Dadurch besteht tatsächlich eine echte Wahlmöglichkeit beim Abflughafen.
Der deutsche Flughafenverband ADV hat 31 Mitglieder, die sich in „internationale Verkehrsflughäfen“ (22) und „regionale Verkehrsflughäfen und -landeplätze“ (9) unterteilen{3}. Mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt hat jedes Bundesland mindestens ein ADV-Mitglied. Mit Bedacht fliegen könnte bedeuten, den nächsten Flughafen möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
Mit der Debatte, welcher Flug sinnvoll ist und welcher nicht, könnte man sicherlich Seiten füllen und womöglich ein eigenes Buch verfassen. Da es in diesem Buch um bedachtsames Fliegen geht, sollte die Entscheidung, welchen Flug an sich Sie selbst für sinnvoll erachten, auch Ihre Entscheidung bleiben.
Möchte man Ziele außerhalb Europas erreichen, schränkt sich der Kreis der Flughäfen ein, die einen Interkontinentalflug anbieten oder einen Zubringerdienst zu diesen Flughäfen in ihrem Flugplan gelistet haben.
Ein Kriterium, den „richtigen“ Flughafen auszuwählen, könnte beispielsweise die Frage nach dem Lärmschutz sein, ob etwa ein Nachtflugverbot existiert{4} und wie dieses tatsächlich umgesetzt wird.
Eine Kennzahl, die ein Flughafen ausweist, sind die so genannten „Ferry flights“, zu Deutsch Überführungsflüge. Diese sind unter Nachhaltigkeitskriterien natürlich absolut kontraproduktiv, da bei dieser Art des Flugs eine leere Maschine von A nach B fliegt. Die Gründe für solche Flüge sind vielfältig. Natürlich lässt keine Fluggesellschaft ihr Fluggerät grundlos ohne so genannte „Payload“ (Passagiere, Fracht, Post) durch die Welt fliegen. Bei Fluggesellschaften, die nach einem regulären Flugplan fliegen, ist das die absolute Ausnahme, wenn beispielsweise der Flugplan aufgrund von Störungen durch Wetter derart durcheinander gewirbelt wurde, dass mehrere Flugstrecken gestrichen werden. Das Flugzeug fliegt dann zum nächsten Flughafen, um dort den regulären Flugbetrieb wieder pünktlich aufzunehmen.
Wesentlich öfter kommt es zu Überführungsflügen bei so genannten Charterflügen, bei denen das Flugzeug von einem Veranstalter für eine Strecke gemietet wird. Das Flugzeug fliegt gegebenenfalls vor oder nach dem Passagierflug leer, um den nächsten Charterflug-Auftrag zu erfüllen. Nachzuforschen, woher die Maschine kommt oder wohin sie im Anschluss fliegt, ist in diesem Fall wahre Detektivarbeit, da diese Flugplandaten natürlich nicht über Anzeigetafeln im Flughafen oder dessen Webseite einzusehen sind. Von daher ist es praktisch unmöglich, bei einem Charterflug eine entsprechende Prognose abzugeben.
Ob ein Flughafen seine Daseinsberechtigung hat oder nicht, könnte ein weiteres Kriterium für bedachtsames Fliegen sein. Schließlich gibt es bei jedem Flughafen zunächst einmal Flächen, die benötigt und versiegelt werden, egal wie hoch die Zahl der täglichen An- und Abflüge und die damit verbundene Lärmbelästigung ist. Gerade in den 1990er Jahren hatte Deutschland in strukturschwächeren Regionen damit zu kämpfen, dass die Truppen der Amerikaner, Briten, Franzosen und Sowjets aus Deutschland abzogen. Viele Menschen fanden in der Zeit des Kalten Kriegs beim Militär Arbeitsplätze, die damals verschwanden. An zahlreichen Standorten gab es allerdings Militärflughäfen, die sich auch zivil nutzen ließen. So entstanden viele Konversionsprojekte, mit deren Hilfe Arbeitsplätze gesichert wurden. Diese Flughäfen wurden vermehrt von neu gegründeten Fluggesellschaften angeflogen. Der wirtschaftliche Erfolg stellte sich bei vielen dieser Flughäfen leider nicht ein, weshalb sie mit der Zeit auf staatliche Beihilfen zurückgriffen.
Die EU erließ 2013 Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften{5}.