Käpt'n Sansibo — Die Canneloni und die verbotene Insel. Micha Luka

Käpt'n Sansibo — Die Canneloni und die verbotene Insel - Micha Luka


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Die setz ich nicht aufs Spiel.« Toby nickte.

      »Das kann ich verstehen. Wir müssen abwarten, was Adschid sagt. Vielleicht will er das Schiff ja gar nicht.«

      »Na, dann wollen wir mal los, um das herauszufinden.«

      2. Kapitel: Die Hüter des grünen Hauses

      Käpt’n Sansibo und Toby verließen die Kajüte. Kullerjan und Bullerjan schoben immer noch Wache.

      »Kein Schleicher an Bord, Käpt’n«, riefen sie wie aus einem Mund.

      »Gut Jungs, kommt mit. Wir schleichen uns an Adschid ran.«

      Toby führte sie durch enge und verwinkelte Gassen, vorbei an vielen offenen Türen. Es wimmelte nur so von Menschen und der Lärm, den sie machten, war ohrenbetäubend. Die Kinder schrien, wenn sie die riesigen, einäugigen Matrosen sahen. Sie wussten ja nicht, dass Bullerjan und Kullerjan überhaupt nicht zum Fürchten waren. Käpt’n Sansibo kam der Weg endlos vor. Schließlich erreichten sie einen großen Platz, der von kleinen, weißen Häusern gesäumt war. Sansibo wusste sofort, dass sie am Ziel waren. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein riesiges Haus mit unzähligen Fenstern. Das große Eingangstor aus Dschungelholz war genauso dunkelrot wie Adschids Turban. Es stand offen und eine Menge Leute gingen hinein und kamen, beladen mit allen möglichen Waren wieder heraus.

      »Das ist Adschids Haus«, sagte Toby. »Er hat da ein riesiges Lager und alle kaufen bei ihm ein. Er hat alle anderen Händler dazu gebracht, dass sie ihr Geschäft schließen.«

      »Wie hat er das gemacht?«

      »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ein paar Männer für ihn arbeiten, die sehr unfreundlich werden können.«

      »Aha. Kanns mir schon denken«, sagte Käpt’n Sansibo. Er hat die anderen Händler eingeschüchtert oder bedroht oder verjagt, stimmts?« Toby kniff die Augen zusammen und nickte.

      »Aber das darf keiner wissen. Wenn Adschid herauskriegt, dass ich Ihnen davon erzählt habe, geht’s mir sehr schlecht«, flüsterte der Junge. Sansibo klopfte ihm auf die Schulter.

      »Wie soll er das rauskriegen? Von mir erfährt er jedenfalls nichts.« Der Käpt’n blickte auf das Gewimmel von Leuten, die über den ganzen Platz liefen, wie Ameisen über ihren Ameisenhaufen.

      »Ich glaub, es ist besser, wenn du nicht mit uns zusammen gesehen wirst. Warte hier in dieser Gasse. Wenn die Sache gelaufen ist wie geplant, kommen wir hierher zurück und du führst uns zur Canneloni, abgemacht?« Toby nickte.

      »Sie haben sich alles gut gemerkt, Käpt’n?« Sansibo grinste breit hinter seinem Vollbart.

      »Den Dreh werd ich nie vergessen, das kannst du mir glauben. Kommt Jungs, bleibt direkt hinter mir, damit wir uns in dem Durcheinander nicht verlieren. Bis später Toby.«

      Käpt’n Sansibo bahnte sich mit Kullerjan und Bullerjan im Schlepptau einen Weg durch die Menschenmassen. Toby blieb zurück und verbarg sich in einer der vielen offenstehenden Türen. Er sah noch lange die Köpfe der beiden riesigen Matrosen, die alle anderen überragten, bis ein Tempelelefant ihm die Sicht versperrte. Ein mürrischer, alter Mann trieb ihn mit einem dünnen Stock durch die engen Gassen bis zum Tempel des schwarzen Panthers. Toby wich ihm aus. Sein Blick fiel auf ein Gesicht in der Menge. Er erstarrte vor Schreck.

      »Oh nein, bitte nicht!« dachte er. »Nicht jetzt, ausgerechnet jetzt!« Und er begann fieberhaft nach einem Ausweg zu suchen.

      Zur selben Zeit hatte Sansibo mit seinen beiden Matrosen das dunkelrote Eingangstor von Adschids Kaufhaus erreicht. Sie blieben stehen, um ein paar Frauen mit ihren Kindern vorbeizulassen. Ihnen folgten vier alte Männer, die jeder einen Korb trugen. Im Gegensatz zu dem Lärm draußen auf dem Platz und in den engen Gassen, war es hier drinnen ruhig wie in einer Kirche. Sansibo, Kullerjan und Bullerjan blickten sich staunend um. Sie kamen sich vor wie in einer riesigen Lagerhalle. Überall an den Wänden standen hohe Regale. In der Mitte waren unzählige Tische in langen Reihen angeordnet. Es gab alles zu kaufen, was man sich nur denken konnte. Der Duft von Mandarinen, Mangos und Äpfeln mischte sich mit dem von Knoblauch, Zwiebeln und Oliven. Gewürzpyramiden in rot, gelb und braun ragten aus hölzernen Schüsseln hervor. Stoffballen in allen Regenbogenfarben türmten sich auf den Tischen neben eisernem Werkzeug und bunten Glasvasen. Die Leute drängten sich an den Regalen vorbei und zwischen den Tischen durch. Viele griffen nach den edlen und köstlichen Dingen. Dann sprang jedes Mal ein Bedienter mit strengem Blick herbei und kassierte den Preis. Die Gold- und Silbermünzen klimperten leise, wenn sie in die schwarzen Beutel fielen.

      Sansibo beobachtete aufmerksam, wie die Kassierer damit regelmäßig zu einem erhöhten Podest aus Holz liefen, das sich genau in der Mitte der Markthalle befand. Dort oben sah er von weitem schon einen dunkelroten Turban. Es war Adschid. Ihm entging nichts. Er hatte freien Blick nach allen Seiten. Die Kassierer leerten die mit Münzen prall gefüllten Beutel in eine große schwarze Truhe aus Ebenholz. Adschid stand neben ihr und hob jedes Mal den schweren Deckel. In der Luft lag das leise Gemurmel der Leute, die unaufhörlich hereinströmten.

      »Lasst die Finger von den Sachen, Jungs. Sonst kommt gleich einer von Adschids Leuten und will Geld sehen.«

      »Aye, Käpt’n, wir gucken bloß«, sagte Kullerjan und knuffte Bullerjan in die Seite, der vor einem Regal mit blitzblanken Kochtöpfen stehengeblieben war. In diesem Moment hatte Adschid die beiden riesigen Matrosen entdeckt und gleich darauf auch Käpt’n Sansibo. Er zeigte sein breites, zahnreiches Lächeln und winkte ihnen zu.

      »Es geht los, Jungs. Bleibt hinter mir und haltet um Himmelswillen den Schnabel. Egal, was ihr zu hören bekommt, ihr sagt keinen Ton! Ist das klar?«

      »Aye Käpt’n, wir gucken bloß«, sagte Bullerjan und stieß Kullerjan in die Seite, der gerade etwas sagen wollte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich zu Adschids Podest durchgedrängelt hatten.

      »Ah, Käpt’n Sansibo. Sie haben gehalten Wort und sind gleich gekommen in mein bescheidenes Haus. Die Treppe ist nicht steil. Sie erweisen mir viel Ehre, wenn Sie kommen herauf.«

      »Der führt doch was im Schilde«, dachte Sansibo. Aber er ließ sich nichts anmerken. Furchtlos machte er sich an den Aufstieg. Adschid legt die Hand auf seine Brust und verneigte sich lächelnd.

      »Euer Haus ist nicht bescheiden, es ist riesig«, sagte Sansibo etwas atemlos, »und die Treppe ist sehr steil.«

      »Nun ja, nicht jeder ist dafür geeignet zu stehen hier oben«, erwiderte Adschid.

      »Das glaube ich euch gern«, sagte Sansibo und wunderte sich im Stillen, wie der dicke Mann da wohl hinaufkam. Er wollte schnell zur Sache kommen.

      »Wie ich sehe, habt Ihr Kurkuma zu verkaufen.«

      »Gewiss. Allerbeste Ware.« Adschids Lächeln war wie eingemeißelt.

      »Ich brauche acht Säcke, noch heute«, sagte Sansibo mit fester Stimme. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass einige Leute vor dem Podest stehengeblieben waren. Adschid hob beide Hände und verbeugte sich erneut, während er bereits im Geist die Goldstücke klimpern hörte.

      »In diesem Fall«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »mache ich Euch einen Sonderpreis.« Er neigte den Kopf zur Seite und blickte Sansibo aus schmalen Augen an.

      »Sagen wir: Zwölf Goldstücke pro Sack. Das wären dann 96 Goldstücke.« Sansibos Herz setzte für einen Schlag aus, aber er verdeckte seinen Schreck, indem er den Kopf zurücklegte und lauthals lachte. Das Lachen verjagte Adschids Lächeln und lockte noch mehr Neugierige an, die sich um das Podest versammelten. Adschid war etwas verwirrt.

      »Ihr freut Euch über den guten Preis, nicht wahr?«, fragte er. Sansibo schüttelte den Kopf. Dann verschränkte er beide Arme und legte ebenfalls den Kopf schief.

      »Der Preis ist sicher gut«, gab er zur Antwort, »aber nur für Euch. Ich habe einen anderen Vorschlag.«

      »Aber mein lieber Käpt’n Sansibo, besseres Kurkumagewürz werdet Ihr


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