Verträumt 5. S.T. Kranz
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S.T. Kranz
Verträumt 5
Fabians Geschichte
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Inhaltsverzeichnis
1
Verewigt 147
Während der Blick in die Ferne des Meeres durch die trübe Herbstnacht undurchsichtig wird, sind die hoch angebrachten Fahnen dem stürmischen Wind schutzlos ausgeliefert. Der Hafen der Stadt von der Natur gepeinigt, nimmt der Weg einer 43-jährigen Frau vor einer Schließanlage auf einem Bootssteg vorerst ihr Ende.
Mit einem gehetzten Gesichtsausdruck und einer goldschimmernden Paillettenjacke am Leibe tragend stellt sie ihre Koffer ab.
Sie betätigt anschließend mehrmals einen der vorhandenen Klingelknöpfe, wobei ihre Ungeduld nicht zu übersehen ist.
Das Schlagen hoher Wellen unterhält sie dabei, bis sie durch die Tür gebeten wird. Sie stolziert unsicher den Steg entlang, vorbei an mehreren Hausbooten, die fest verankert auf dem Wasser treiben. Als sie heilfroh ihr Ziel erreicht, wird sie von einem ansehnlichen Mann, Mitte 40, herzlichst in Empfang genommen.
Sein Kleidungsstil: festlich und léger.
»Na los, Katrin. Beeil dich.«
»Hey mein Freundchen, mach mal halblang. Lauf du mal mit solchen Absätzen herum«, kontert Katrin.
»Lass mich dir deine Koffer abnehmen.«
Seine Stimme: dunkel und geheimnisvoll.
»Unser Haus in der Stadt kennst du ja, aber bevor wir eine Kleinigkeit zu Abend essen, zeig ich dir die Räumlichkeiten unseres Hausbootes, okay?«, schlägt der Hausherr freundlich vor.
Katrins Begeisterung gegenüber dem mittig platzierten Kronleuchter verrät ihr Gesichtsausdruck deutlich. Denn dieser erhellt mit seinen reflektierenden Kristallen die große Couchlandschaft darunter und begrüßt somit den Wohn- und Essbereich. Zusätzlich lässt sich durch eine großzügige Fensterfront die Weite des Meeres erhaschen, während ein Barwagen direkt neben dem Esstisch für trunkene Augenblicke sorgen soll.
»Ganz schön beachtlich, das muss ich euch gestehen. Euer Haus war ja schon wow, aber allein dieser Raum hier übertrifft es meiner Meinung nach.«
»Wir haben uns dank unserer Hotels ein festes Standbein schaffen können, sodass wir zum Glück nur noch bei wichtigen Entscheidungen anwesend sein müssen. Und hier auf dem Hausboot fühlt sich Isabella am wohlsten, vor allem nach ihrer Erkrankung. Hier findet sie die Ruhe, die sie benötigt und meine Mutter freut sich auch, uns wieder öfter zu Gesicht zu bekommen. Katrin, darf ich bitten, ich zeig dir den Rest vom Hausboot.«
Sein Name: Fabian Stein.
»Natürlich, gerne lasse ich mir von dir meinen neuen Arbeitsplatz zeigen.«
»Zuallererst: Unsere wichtigste Regel überhaupt – hier werden keine Türen abgeschlossen. Keine Tür, auch nicht die Tür vom Bad.«
»Und meine Zimmertür?«
»Keine Türen! Dein Zimmer ist gleich hier neben dem Essbereich. Es reicht aber, wenn du es dir später anschaust.«
Katrin erstarrt zunächst, folgt ihrem Arbeitgeber dennoch kleinlaut in den geschwungenen Flur.
»Darf ich vorstellen, das ist Phil Sook«, macht Fabian einen attraktiven Mann im Alter von Mitte 30 mit Katrin bekannt.
Phil begrüßt mit einem verschmitzten Lächeln die neue Mitarbeiterin und bereitet in der Küche ein kalorienreiches Tiramisu zu.
»In der Küche hast du nichts verloren. Phil arbeitet von 9.00 Uhr - 18.00 Uhr. Während die Aushilfskraft Natalia das Boot sauber hält, sorgt Phil dafür, dass wir unsere Mahlzeiten erhalten. Jeder Schlafbereich besitzt ein Badezimmer, für unsere Gäste allerdings wird jedoch dieses Bad angeboten«, unterweist Fabian.
»Nebenan haben wir mein kleines Büro. Wie du siehst, auch das habe ich nicht abgeschlossen. Ich möchte meinen Angestellten mit meiner Offenheit das Vertrauen geben, das ich auch von ihnen verlange. Außerdem schätze ich Diskretion und Aufmerksamkeit sehr. Die Arbeit steht natürlich an erster Stelle, dafür bezahlen wir gut, vergessen aber auch nie das Zwischenmenschliche. Isabella und ich möchten auch gerne private Interessen mit euch teilen können. Dennoch muss ich dir nicht zwingend verständlich machen, dass die Geschäftsbücher in meinem Büro nicht zu deiner Unterhaltung zählen, oder?«
»Also Fabian, was denkst du von mir? Außerdem, seit wann nennst du Bella wieder Isabella?«, antwortet Katrin gepiesackt mit Gegenfragen.
»Wir brauchen dich rund um die Uhr und bist die einzige Angestellte, die hier ein Zimmer von uns erhält. Auf die letzte Pflegerin, die nur halbtags beschäftigt war, konnten wir uns nicht verlassen. Ich weiß, es ist die richtige Entscheidung eine Freundin einzustellen, die weiß, wer wir sind und vor allem ihr Handwerk versteht.«
»Mehr als zwanzig Jahre Berufserfahrung als Krankenschwester, mir macht so schnell keiner was vor.«
»So und hier ist Isabellas und mein Schlafbereich. Sie wartet bereits auf dich. Begrüße sie bitte, danach plaudern wir beim Essen weiter.«
Er scheint alle Hoffnungen in Katrin gesetzt zu haben, weshalb er diesen Schritt wagt, Freundschaft und Geschäft zu mischen.
»Katrin, komm bitte rein«, ertönt es nach einem Klopfen durch die Schlafzimmertür.
Sofort sticht Katrin das überaus große Himmelbett ins Auge, das sich im Spiegel an der Wand zeigt. Auch die gemütlichen Lichtquellen, die mit viel Liebe zum Detail der Schlafzimmereinrichtung angepasst wurden reflektieren sich darin. Darunter kommt die Farbe Babyblau oft zum Einsatz, die zu Ruhe und Frieden besänftigt. Fabians Ehefrau ruft ihre alte Freundin vom Bett aus zu sich, woraufhin Katrin freudestrahlend zu ihr eilt.
»Bella, oh wie schön dich zu sehen.«
»Erst letztes Jahr im Sommerurlaub auf Mallorca zusammen im Swimmingpool gefeiert und heute liege ich hier wie ne platte Flunder. Sag mir, ist das Leben fair?«
»Hör auf das Schicksal zu hinterfragen«, stoppt Katrin Isabellas Worte und umarmt sie freundschaftlich.
Dabei bekommt sie den kalten Atem des Todes von Isabella zu spüren, da allein nur die Umarmung schon unheimliche Schmerzen hervorrufen. Dies kann Katrin nämlich aus ihrem Gesichtsausdruck entnehmen, woraufhin sie erschreckt und den Körperkontakt abbricht.
»Ist die Krankheit bereits so weit fortgeschritten?