Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich


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      „Oh bitte, liebes Herz,“ rief aber Paula, der Schwester den Weg vertretend, „Deinetwegen kommt er nur hierher, und ich denke gar nicht daran, die Honneurs für Dich zu machen.“

      „Beste Paula!“

      „Nein, wahrhaftig nicht! Du darfst Deinen Ritter nicht so enttäuschen.“

      „Aber er ist gar nicht mein Ritter.“

      „Du kannst es nicht leugnen,“ rief Paula, sie neckend, und wollte eben zur Thür hinaus, als Hulda ihr nachrief:

      „So laß uns wenigstens die Schleifen tauschen!“

      „Wahrhaftig, Du hast Recht,“ rief das junge heitere Wesen, rasch auf den Gedanken eingehend, „dann wird der arme junge Mensch aber ganz confus. Geschwind! da geht schon die Hausthür.“

      Mit hastigen Fingern steckte sie Hulda ihre helle Schleife an und glitt dann in das Nebenzimmer, um durch dieses hin dem Nahenden auszuweichen. Es dauerte auch nicht lange, so meldete das Mädchen Herrn Lieutenant von Bersting, und gleich darauf betrat Alfred die Wohnstube der Familie, die /112/ eine so fabelhafte Anziehungskraft auf ihn ausübte, daß er, wie Karl der Große den See nicht meiden konnte, in dem der geheimnißvolle Ring lag, diesen Platz zehnmal täglich umschritt und sehnsüchtige Blicke hinauf warf. Hulda war hier freilich der Talisman, der ihn bannte und immer und immer wieder in dieselbe Straße zog.

      Als er das Zimmer betrat und die junge Dame ehrfurchtsvoll begrüßte, hatte der Ausdruck seines Gesichts aber trotzdem etwas Scheues oder Vorsichtiges; er war noch nicht im Stande gewesen, die Farbe der Schleife zu erkennen. Er hätte freilich darauf schwören mögen, daß er Hulda vor sich habe, sich aber doch schon so verschiedene Male getäuscht, um keineswegs sicher zu sein. Im nächsten Moment entdeckte er dabei das helle Band und schien jetzt nicht einmal gesonnen, seine Mütze abzulegen.

      „Sie entschuldigen, mein gnädiges Fräulein, daß ich Sie störe. Ihr Herr Papa ist wohl nicht zu Hause?“

      „Es thut mir leid,“ sagte Hulda, während sich die kleinen Grübchen wieder reizend zusammenzogen, denn es konnte ihr nicht entgehen, daß der Besuch nach der Schleife gesucht hatte und jetzt völlig enttäuscht war. „Papa ist ein wenig ausgegangen. Er bekam heute Morgen den Besuch eines alten Freundes und führt diesen ein wenig in der Stadt herum.“

      „Und Ihre Frau Mama?“

      „In ihrer Stube, wünschen Sie sie zu sprechen?“

      „Oh nein, bitte sehr,“ sagte Alfred, fast ein wenig zu rasch, „ich – wollte mich nur nach ihrem Befinden erkundigen.“

      „Oh, ich danke Ihnen,“ sagte Hulda und mußte an sich halten, um nicht ihren Muthwillen zu verrathen, „es geht ihr ziemlich gut; nur gestern hatte sie ein wenig Kopfschmerzen.“

      „Das bedauere ich recht sehr, das Wetter war auch in der letzten Zeit so sehr veränderlich.“

      „Finden Sie? Ich dächte, wir hätten prachtvollen Sonnenschein gehabt.“

      „In der That, aber die sehr große Hitze,“ sagte Alfred verlegen, denn die Wetterbemerkung war ihm nur so unbedacht entfahren. „Ihre – Ihre Fräulein Schwester ist wohl ebenfalls ausgegangen? Als mich vorhin mein Weg hier vor /113/ über führte, war es mir fast, als ob ich die beiden jungen Damen hier an den Fenstern gesehen hätte, die Straße ist aber so breit, ich kann mich geirrt haben.“

      „Oh nein,“ sagte Hulda, „wir waren Beide hier; die Schwester hat aber die Woche in der Wirthschaft und steht ihrer Arbeit vor.“

      Das Gespräch stockte wieder; Alfred hatte sich auf eine einladende Bewegung Hulda’s niedergelassen, aber er saß nur auf der Ecke seines Stuhls, als ob er jeden Augenblick wieder aufstehen wollte, und schien sich überhaupt nicht besonders behaglich zu fühlen. Er begann allerdings auf’s Neue eine Unterhaltung, aber es blieb eben bei förmlichen Redensarten und Gemeinplätzen, und Hulda amüsirte sich nur im Stillen über die unverkennbare Verlegenheit des jungen Mannes. Endlich aber ritt er sich selbst in diesen nichtssagenden Bemerkungen fest und stand auf, um Abschied zu nehmen.

      „Mein gnädiges Fräulein, wenn ich Sie noch bitten dürfte, mich den lieben Ihrigen auf das Freundlichste zu empfehlen.“

      „Ich werde es gewiß ausrichten, Herr von Bersting.“

      Alfred athmete hoch auf, als er endlich wieder vor der Thür war, und beklagte nur sein Mißgeschick, Hulda heute nicht getroffen zu haben. In der Schwester Nähe aber, obgleich sie der Geliebten so ähnlich war, daß er die Beiden nicht einmal zu unterscheiden wußte, wenn er sie nebeneinander sah, befiel ihn stets, vielleicht gerade in Folge davon, ein gewisses unheimliches Gefühl. Es war die Form und nicht das Herz, es war, was er hätte ein Trugbild seines Ideals nennen mögen, das immer nur störend mehr als versöhnend zwischen seine Liebe trat.

      Eben als er das Zimmer verließ und über den Gang hinüber nach der Ausgangsthür zu wollte, öffnete sich schräg gegenüber die Küchenthür, und Hulda – trug sie denn nicht die dunkle Schleife! – trat heraus. Im ersten Moment freilich, als sie ihn bemerkte, war es fast, als ob sie zurückfahren wollte und sich scheute, ihm zu begegnen – geschah das ihrer Haustracht wegen? – oh, wie Unrecht hätte sie daran gethan, denn gerade darin und mit der schneeweißen Schürze sah sie gar so allerliebst aus.

      /114/ Von Bersting war blutroth geworden, als er sie erblickte, aber mit raschen Schritten eilte er auf sie zu, und ihr die Hand entgegenstreckend, sagte er, und seine leuchtenden Blicke bezeugten dabei die Wahrheit seiner Worte:

      „Mein gnädiges Fräulein, Sie glauben gar nicht, wie ich mich freue, daß mir wenigstens die kurze Gelegenheit geboten ist, Sie begrüßen zu können.“

      „Herr von Bersting,“ sagte die junge Dame lächelnd, „Sie sind sehr gütig.“

      „Fräulein Paula,“ fuhr aber Alfred beredt fort, „sagte mir schon, daß Sie heute mit häuslichen Arbeiten sehr beschäftigt wären.“

      „Paula?“ erwiderte die junge Dame anscheinend erstaunt. „Sie verwechseln uns Beide wahrscheinlich – Paula bin ich.“

      „Sie?“ rief Alfred, jetzt völlig verwirrt gemacht, und sein Blick flog unwillkürlich und zweifelnd nach der dunkeln Schleife, „aber wie ist das möglich – da drinnen Ihr Fräulein Schwester –“

      „Ist Hulda, mit der Sie zusammen in Ludwigsroda waren,“ lächelte Paula.

      „Ja, aber ich dachte –“ stotterte Alfred.

      „Sie dachten? – was?“ frug Paula und sah ihn dabei mit einem fast ein wenig malitiös freundlichen Blick ihrer klaren blauen Augen an.

      „Ich – ich dachte, daß die – die Schleifen –“

      „Welche Schleifen?“ frug Paula vollkommen unbefangen.

      „Nun, die Schleifen, die Sie an der Schulter tragen,“ fuhr Alfred, sich ein Herz fassend, fort, „für Sie eine besondere Bedeutung hätten.“

      „Um uns von einander zu unterscheiden?“ lachte Paula jetzt gerade heraus.

      „Ich will nicht sagen, das,“ erwiderte der junge Mann verlegen, „aber daß sie doch wenigstens als – als eine Art Abzeichen dienten.“

      „Für den Tag vielleicht,“ meinte Paula, „aber wir wechseln häufig damit, und wenn Sie weiter kein Kennzeichen /115/ haben, können Sie sich doch nicht gut, wenigstens nicht sicher danach richten.“

      „Aber, mein gnädiges Fräulein,“ sagte Alfred verwirrt, „die ganze letzte Zeit, wo ich das Glück hatte, Ihr Haus besuchen zu dürfen, konnte ich mich doch so vortrefflich nach den Schleifen richten, – daß –“

      „Sie manchmal mich als Hulda und Hulda als Paula begrüßten,“ sagte das junge Mädchen, und von Bersting konnte der Spott nicht entgehen, der in den Worten lag. „Sie sind kurzsichtig, nicht wahr?“ setzte die junge Dame noch außerdem hinzu.

      „Ich habe Augen wie ein


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