Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände). Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände) - Magda Trott


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schaute Goldköpfchen zu dem Bild mit den Engeln empor. »Lieber Schutzengel«, flüsterten die Kinderlippen, »bleib mit deinem Schutzmann bei mir!«

      Geburtstags-Vorfreuden

      Obwohl Bärbel in Dresden alle Liebe und Sorgfalt in höchstem Maße genossen hatte, empfand die Kleine doch sehr bald das Verlangen, wieder nach Hause zurückzukehren.

      Frau Lindberg merkte, daß Bärbel das Köpfchen hängen ließ, immer öfter von den Eltern sprach und schließlich die Augen voller Tränen hatte, wenn man davon erzählte, daß die Kleine noch viele Tage in Dresden bleiben sollte.

      Frau Lindberg war schließlich zu dem Entschluß gekommen, Goldköpfchen nach Dillstadt zurückzubringen, weil sie die Sehnsucht begriff, die das kleine Kinderherzchen erfaßt hatte.

      Goldköpfchen war überglücklich, als man wieder in den Zug stieg; und die Freude steigerte sich zur Ungezogenheit, als man endlich in Dillstadt auf dem Bahnhof ankam.

      Frau Wagner hatte sich inzwischen recht gut erholt, sie hatte eine zuverlässige Pflegerin für die Zwillinge gefunden; und man konnte daher Bärbel zurückkommen lassen.

      Goldköpfchen drückte die Eltern fast tot vor Freude; sogar Joachim bekam ein paar zärtliche Küsse, die er gnädigst entgegennahm.

      Nun ging’s ans Erzählen. Was wußte Bärbel nicht alles zu berichten! Sie kam sich dem großen Bruder gegenüber ordentlich gelehrt und großstädtisch vor. Joachim behauptete zwar, daß er, als er vor einigen Jahren in Dresden gewesen sei, das alles auch schon gesehen habe; aber er horchte doch aufmerksam auf Bärbels Erzählungen.

      Nur mit den Zwillingen wollte sich die Kleine noch immer nicht aussöhnen. Sie hatte geglaubt, daß die Brüderchen in ihrer Abwesenheit gewachsen und klüger geworden wären. Als aber die Säuglinge immer noch so viel schliefen und schrien, schüttelte Bärbel mißbilligend das Köpfchen und meinte, es sei wirklich nicht viel mit den beiden los.

      »Wünsch’ dir doch andere zum Geburtstag«, lachte Joachim.

      »Wann hab’ ich Geburtstag?«

      »Am 26. Juni.«

      »Wann ist das?«

      Joachim führte die Schwester zum Abreißkalender, hob einige Blätter hoch und sagte: »Wenn die Blätter abgerissen sind, und du bist hier, dann ist dein Geburtstag.«

      Der Bruder hatte kaum ausgesprochen, so griff Bärbel nach den Blättern und riß sie ab.

      »Hab’ ich nun Geburtstag?«

      »Bist ja dumm! Ein Blatt bedeutet jedesmal, daß man schlafen gehen muß.«

      »Und hier hab’ ich Geburtstag?«

      »Ja, am 26. Juni.«

      Nun ging das Fragen beständig; Bärbel wollte, daß möglichst bald der 26. Juni sei, forschte bei Vater und Mutter, ob sie auch am 26. Juni Geburtstag hätten, und ließ sich immer wieder beschreiben, wie lange es noch dauere, bis sie Geburtstag habe.

      »Dein Vati muß noch viel länger warten; dein Vati ist im Oktober geboren.«

      »Und die Mutti?«

      »Ist am 4. Januar geboren.«

      »Und wann bin ich geboren?«

      »Am 26. Juni.«

      »Ooch, Vati, dann bin ich ja gerade an meinem Geburtstage geboren!«

      »Natürlich, du Schäfchen. – Was wünscht du dir denn?«

      »Schenkst du mir das?«

      »Wenn du bis dahin artig bist, – ja.«

      »Zuerst ein großes Glas mit Bonbons, wie es beim Kaufmann steht, – und dann – sollst du den Emil Peiske verhauen, der hat mich geärgert. Und dann – daß ich die Zwillinge mal zwicken darf. Und dann – eine Tafel Schokolade. Und dann – einen neuen Esel! Und dann – daß die Zwillinge groß sind und mit mir spielen. Und dann – daß mir der Joachim das grüne Buch gibt. Und dann …«

      »Du hast ja recht viele Wünsche, Goldköpfchen. Ein kleines Mädchen muß bescheiden sein und nicht so viel haben wollen.«

      »Weißt du, Vati, ich werd’ das andere alles dem Schutzengel sagen, der bringt mir das.«

      »Weißt du, was ich mir wünsche, Bärbel?«

      »Hast du denn Geburtstag?«

      »Ich wünsche mir nur ein liebes, artiges Mädchen.«

      Bärbel verdrehte entsetzt die Augen. »Noch ein Zwilling?«

      »Nein, – ich wünsche mir, daß das kleine Mädchen, welches vor mir steht, immer recht lieb und artig ist.«

      Bärbel zog die Stirne kraus. »Da mußt du mal mit dem Teufel reden, daß er mich in Ruhe läßt, und daß er nicht immer anders will, wie Bärbel möchte.«

      »Weißt du, wie ich mit dem Teufel rede? Da hole ich den Stock und schlage den Teufel.«

      »Wenn er in mir drin sitzt?«

      »Ja, gerade dann.«

      »Ooch – ob es der Teufel fühlt?«

      »Bärbel fühlt es aber.«

      Des Kindes Augen flammten auf. »Wenn der Teufel böse ist und Bärbel werdet gehauen, so ist das doch nicht richtig, Vati.«

      »Was richtig ist, weiß Vati viel besser als du, Goldköpfchen. Du wirst jetzt fünf Jahre und mußt anfangen, nicht mehr so wild zu sein. Kleine Mädchen müssen viel braver werden als Jungens.«

      »Warum denn, Vati?«

      »Nun – nun – weil kleine Mädchen später einmal Muttis werden.«

      »Und sind Muttis immer braver als Vatis?«

      Herr Wagner wurde sichtlich verlegen. »Deine Mutti ist doch eine sehr liebe Mutti.«

      »Ist die Mutti lieber als du?«

      »Hast du uns denn nicht beide lieb?«

      »Warum sind denn Muttis braver als Vatis?«

      »Willst du nun einen Esel, den du ziehen kannst, oder einen Esel, der in einem Stall steht?« lenkte Herr Wagner ab.

      »Und ein Kamel! Und Affen – und einen Löwen, – wie bei der Großmama!«

      Von diesem Tage an kam Bärbel jeden Augenblick mit einem neuen Wunsche an. Alles, was sie in Dresden gesehen hatte, wollte sie besitzen. Es sollte durchaus ein Wagen mit Löchern sein, der Wasser spritzte und ein anderer mit Bildern, und dazu ein richtiges Pferd. Und schließlich der alte Lieblingswunsch: ein Ziegenböckchen.

      Auch Joachim wurde mit Wünschen bedacht, ebenso Emil Peiske, der sich heimlich in den Garten stahl; denn es war ihm verboten worden, alltäglich nach der Apotheke zu kommen. Trotzdem wollte Herr Wagner seinem Sohn den besten Spielkameraden nicht ganz rauben; aber er sorgte dafür, daß die Knaben möglichst viel unter Aufsicht waren.

      Jetzt, zur warmen Sommerszeit, stand der Wagen mit den Zwillingen häufig im Garten; und da entweder Frau Wagner oder die Pflegerin dabei saßen, konnte man die spielenden Knaben im Auge behalten.

      Da im Garten der Apotheke ja Platz genug war, erlaubte man Joachim gern, daß er sich seine Schulfreunde einlud. Herrn Wagner war es viel lieber, wenn sein Sohn mit seinen Mitschülern spielte, als dauernd mit Emil Peiske nur lose Streiche ausführte.

      Bärbel, die gern an den Spielen teilnahm, wurde freilich nicht von allen Knaben gern gesehen; man rümpfte die Nase, daß man mit solch einem kleinen Mädchen spielen sollte. Nur manchmal wurde Goldköpfchen von den Knaben gerufen, doch verbarg sich dann meistens eine bestimmte Absicht hinter der Aufforderung.

      Auch heute war es Joachim, der Bärbel, die neben der Mutter saß und beglückt auf den Marzipanapfel blickte, der ihm geschenkt worden war, zum Spiele rief.


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